Scheidungs-Lustbarkeiten
„Na so was! Du bist auch hier im Gericht, Melli?“„Wie du ja siehst. Das heißt aber „am Gericht“, Karl, im Gericht sind höchstens die Gewürze wie im Eintopf die Kartoffeln.“
„Daran hätte ich dich jederzeit auch blind wiedererkannt, Melli!
Immer schon musstest du mich korrigieren oder mir widersprechen. Diesmal irrst du aber. Am Gericht wird dein Fall verhandelt, bei Gericht arbeiten die Richter und Anwälte.
Wir sind aber hier im Gericht, besser gesagt: Im Flur des Gerichts. Einigen wir uns jetzt darauf?
Was machst du hier? Hast du schon wieder einen Liebhaber fast oder gänzlich zum Selbstmord getrieben, mit deiner unersättlichen Wahnsinnsgeilheit?“
„Mit dir konnte man immer schon so gut und lange streiten, Karl. Lassen wir’s dabei.
Du hast fast recht, ich bin frisch geschieden worden. Na ja, gefühlsmäßig ambitioniert war ich schon immer ein sehr großes Stück lang, aber umgebracht habe ich keinen, noch nie!“
„Bei mir warst du ziemlich nahe dran. Ich bin auch wieder geschieden, Melli, gerade eben war der letzte Termin. War es das Gleiche bei dir, wie bei uns beiden damals?“
„Bei uns beiden? Was war denn das eigentlich, Karl? Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern…“
„Typisch! Was auch immer du sagst, man weiß nie so recht, ob es was Gutes oder eine Beleidigung sein soll.
Du hast doch damals behauptet, ich sei dir gegenüber sexuell desinteressiert gewesen!
Und außerdem hätte ich angeblich deine 14-jährige Tochter Ursula vergewaltigen wollen. Beides war so absurd, dass ich es bis heute nicht mehr aus dem Kopf bekomme!
Ich habe dich einmal so sehr geliebt, Melli. Ich war immer so stolz, dich zu haben.
Sogar ein kleines bisschen Angst hatte ich vor dir.“
„Das mit Uschi kannst du löschen aus deinem Kopf, Karlchen.
Inzwischen glaube ich meiner Tochter Ursula, diesem Miststück, auch kein Wort mehr. Stell dir bloß mal vor: Sie lag im Krankenhaus wegen beidseitigen Nierenversagens. Ich habe ihr eine meiner Nieren gespendet. Und was macht das kleine Luder? Sie brennt mit meinem Liebhaber durch. Das war der Dritte nach dir. Die Uschi ist mir so ähnlich, dass ich mit ihr keinen Tag länger zusammenleben konnte. Habe nie wieder etwas von ihr gehört. Dir ist verziehen. Aber was hast du gesagt? Du hattest ein kleines bisschen Angst vor mir? Warum denn Dieses?“
„Oh, ja ähem…, das begann doch schon damals in der Schule, weißt du es nicht mehr? Du warst mit 15 das angesagteste Mädchen an der Schule. Du konntest herrlich schweinische Witze erzählen und jedes Mal selber so schön laut und zähneblitzend darüber lachen, dass wir alle glaubten, dass du auch schon wusstest, warum. Wir Jungs wussten es nämlich meistens nicht. Nicht so richtig.
Als ich dich mit Zweiundzwanzig wieder traf und du mich gleich am ersten Abend auf meine Bude begleitet hattest, war ich so besoffen vor Glück, dass ich bis heute noch einen Kater kriege, wenn ich bloß daran denke. Das war…, du warst unbeschreiblich! Ich weiß nichts mehr davon, es war wie im Rausch. Dass du inzwischen deine Uschi hattest, wusste ich da noch nicht. Ich kam mir jedenfalls vor, wie lebendigen Leibes aufgefressen.“
„Aufgegessen! Wenn schon, dann bitte aufgegessen. Du weißt doch hoffentlich noch, dass ich großen Wert auf gute Kochkunst und gediegene Tischsitten lege. Das ist schließlich das Einzige, das mir von meinem vornehmen Elternhaus geblieben ist. Na gut, im Bett und auf dem Teppich, da ist das manchmal schon…, lassen wir das mal lieber.
Aber das mit dem sexuellen Desinteresse, das kannst du nicht abstreiten. Ich weiß noch ganz gut, wie oft du mich einfach links liegen lassen oder gar weggestoßen hast, wenn ich heiß auf dich war.“
„Ach komm, du übertreibst wieder maßlos. So maßlos, wie du eben nun einmal bist. Ich bin eben kein Schnellschützenzwilling wie du, Melli. Wenn du so richtig scharf wurdest, dann schien es mir manchmal so, als ob du dich wirklich verdoppelt hattest.
Ich bin Wassermann. Ich brauche meine Warmlaufzeit. Ich muss vorher Duschen, Zähneputzen, Fingernägel feilen und Wein trinken bei Kerzen und Musik. Aber du? Du hast mich doch immer absichtlich auf dem linken Fuß erwischen wollen. Hast mich überfallen, wenn ich schon eingeschlafen war, nach der Arbeit im Schacht, völlig überraschend. Als Bergmann kriegt man eben keine guten Gefühle, wenn Überraschungen über einen hereinbrechen, heiße Luft in die Ohren schießt und vor allem dann nicht, wenn schon beim Einfahren in den Schacht Wassereinbrüche stattfinden. Wir Bergleute sind nämlich sehr abergläubisch.“
„In faulen Ausreden bist du auch immer noch unübertroffen, Karlchen. Du bist doch aber jetzt gar kein Bergmann mehr. Hier haben alle Gruben und Zechen dicht gemacht. Was machst du denn jetzt, womit verdienst du dir deine Brötchen?“
„Ich verkaufe Gebrauchtwagen. Alle Typen, außer Bagger und Panzer, beste Qualität. Brauchst du einen? Apropos Brötchen und Kochkunst – kochst du immer noch so himmlisch gut? Niemals wieder habe ich so gut gegessen, wie bei dir, Melli. Deine Wiener Schnitzel, deine Sauerbraten, dein Gulasch, deine Braten und deine Knödelspezialitäten! Und die Soßen erst, die Salate! Davon träume ich immer noch. Dafür könnte ich sterben. Dafür könnte ich dich sogar…“
„Angenommen! Wenn das wirklich dein Ernst ist. Ich habe da zur Feier des Tages schon einen Braten in der Röhre, den ich auf gar keinen Fall heute alleine essen werde. Du bist also in jeder Hinsicht der Erste. Mein erster Mann…, äh, Ehemann und heute auch meine erste Begegnung.“
„Klingt gut Melli, aber ich…“
„Was? Grübelst du darüber nach, wie du mich danach wieder los wirst? Keine Angst, mein Karlchen. Wie wir beide uns kennen, werden wir es ohnehin nicht lange miteinander aushalten. Also keine Illusionen oder Ängste. Du bist doch Gebrauchtwagenhändler?
Na, da wirst du doch wohl keine Schwierigkeiten damit haben, einen alten garagengepflegten
Porsche an den Mann zu bringen, oder?“
„Melinda! Mönsch Melli!“