Detektiv Goldmann / Rostige Schätze im Paradies
Prolog im Hotel“Was meinen Sie wohl, wofür ich Ihnen Ihre Brötchen bezahle, Goldmann? Doch sicher nicht dafür, dass Sie behäbig in hier dieser teuren Hotel-Lobby sitzen und sich einen Espresso reinziehen! Dass Sie sich dieses Edelgesöff hier überhaupt leisten können, ist ja schon ein Wunder für sich. Ist das vielleicht Ihre Arbeitsaufassung, Goldmann? Bloß nicht anstrengen, aber beim Faulenzen wenigstens immer schön vornehm, wie? Ich will jetzt endlich genau wissen, wo sich meine liebe Frau Gattin herumtreibt, wenn ich, im Gegenteil zu ihr und Ihnen, hart arbeiten muss, um das Geld für Klunkern und irrsinnige Szene-Friseure heran zu schaffen! Fakten, Goldmann, Fakten! Sie hatten mich angerufen. Ich höre…“
Mein Auftraggeber, Carsten Wohlgemuth, Personalchef bei „Melzer&Co, Präzisions-Maschinenbau, anerkannter Zulieferer für Flugzeug- und Motorenteile“.
Er ist in Anschiss-Stimmung. Das ist er eigentlich immer, habe ich gehört. Außerdem ist er krankhaft eifersüchtig auf jeden Verehrer seiner für ihn viel zu jungen Frau. Ich kann ihn ja partiell verstehen. Sie hat einen Hang zu kräftigen sportlichen Typen.
Leider nicht annähernd seine Kategorie. Er ist ein miesepetriges Knochenmännchen.
Aber für ihre knackigen Sportsmen braucht sie Geld, viel Geld. Deshalb ist ihre zweite Zielgruppe die der älteren galanten Herren, die in Sachen Privatwagen und Vorzeigefrau noch etwas auf sich halten. Natürlich nur, wenn sie auch monetär potent sind.
Dass ihr Carsten so schmächtig und so knauserig ist, ist seine Schuld.
Sie jedenfalls hat alle Attribute, die notwendig sind, um sich die Krone einer weiblichen Hausmacht aufzusetzen. Sie hat Geist, Witz und Charme, das konnte ich schon feststellen, und sie besitzt auch das Zepter einer penisstraffenden Traumfigur sowie zwei wirklich königliche Reichsäpfel, welche sie gerne weithin sichtbar, hälftenweise und sehr effektvoll, zu präsentieren weiß. Sie kann es sich leisten. Für sie habe ich wirklich volles Verständnis, da ich ja nicht mit ihr verheiratet bin.
Ob Leider, oder Gottseidank? Da schwanke ich noch ein klein wenig, tendiere aber eher zu „Gottseidank!“.
Er erwartet jetzt ganz offensichtlich, dass ich vor ihm aufspringe und Haltung annehme. Den Gefallen tue ich ihm nicht. Ich bleibe sitzen und schlenze ihm mit dem linken Fuß lediglich den Rollensessel neben mir so gegen die Beine, dass ihn die Edelstahl-Armauflage leicht an den Schienbeinen touchiert.
„Setzen, sonst fallen wir auf“, sage ich halblaut, aber deutlich und energisch.
„Und was die Brötchen angeht, so machen Sie sich darüber mal gar keine Sorgen, Herr Wohlgemuth. Ich bevorzuge zum Frühstück nämlich kräftiges Schwarzbrot mit Ei und Schinken, weil ich meistens den ganzen Tag über kaum zum Essen komme. Dieser Espresso hier gehört zu meinem Equipment, das ist meine Tarnung, die ich Ihnen ganz gewiss auf die Spesenrechnung setzen werde. Ich hatte übrigens drei davon. Sie haben mich leider warten lassen.“
Ihm steht immer noch der Mund offen. Doch er setzt sich brav hin. Mir ist zwar klar, dass ich mir diese Unverschämtheit in meiner Stellung nicht leisten kann, aber im Unterschied zu ihm weiß ich jetzt schon, was ihm gleich bevorsteht, und eine solche Gelegenheit, mein Selbstbewusstsein zu stärken, die kann ich nicht ungenutzt verstreichen lassen. Auf keinen Fall! Es würde mich sonst nachträglich wochenlang ärgern. Ich muss nur ein letztes Detail mit ihm klären.
„Ich habe die Fakten, Herr Wohlgemuth. Der Fall ist für mich so gut wie abgeschlossen und die Lage der Tatsachen ist eindeutig. Es war laut Auftrag Ihr Wunsch, dass ich den Liebhaber finden, Sie als meinen Auftraggeber benachrichtigen und dafür zu sorgen haben sollte, dass Sie, Herr Wohlgemuth, mit mir als Zeugen, ihre Frau in flagranti zusammen mit deren Liebhaber erwischen können.
Nun denn, dieser Vorgang steht jetzt unmittelbar bevor. Aber ich möchte mich im Interesse Ihrer Gesundheit noch einmal vergewissern und von Ihnen bestätigt haben, dass Sie immer noch in vollem Umfang zu diesem Auftrag stehen. Sie könnten mich natürlich auch gerne sofort samt Spesen hier auszahlen und den Auftrag zurückziehen.“
„Zurückziehen? Sie auszahlen, Goldmann, für nichts? Ich habe mich doch wohl verhört?“
Noch hat er kaum die Wut betreffs meiner Frechheit heruntergeschluckt, da hat ihn auch schon ein mächtiges Hyperventilationsbeben infolge akuter Eifersucht am Halse gepackt.
„Wo ist sie? Was tut sie, mit wem? Kenne ich ihn?“ Er ist schon fast am Röcheln.
„Sie werden es gleich wissen, verehrtester Herr Wohlgemuth. Folgen Sie mir zum Appartement. Vergessen Sie aber bitte nicht, dem Liftboy ein anständiges Trinkgeld im Gegenzug für den Generalschlüssel zu geben. Es riskiert schließlich Ihretwegen seinen Job. 300€ hielte ich für angemessen.“
„Was? 300€! Ja glauben Sie denn, dass ich einen Banktresor mit mir herumschleppe? Höchstens Fünfzig, schon das ist eine glatte Verschwendung!“
Auch gut. Ich beschließe, dass ich die 300€ dem Liftboy selbst geben werde. Dafür bekommt Wohlgemuth aber dann 500€ mehr auf die Spesenrechnung. Mir wird da schon was einfallen.
Das Hotelpersonal, die Kellner, die Barfrauen und die Rausschmeißer in den Edel- und Bumslokalen sind schließlich meine unverzichtbaren Partner und Partnerinnen. Ohne sie käme ich nicht weiter als ein gewöhnlicher Streifenpolizist.
In diesem speziellen Fall hat sich Winfried, der Liftboy, für eine gute Stunde einen der sechs Generalschlüssel beim Hauptportier „ausgeborgt“. Den habe ich jetzt in der Tasche.
Winnie fährt uns mit dem Lift ins oberste Stockwerk, wo die Nobelappartements sind, zeigt uns die Tür zur „Grafensuite“ und macht sich dann schleunigst mit seinen 350€ aus dem Staub.
Wohlgemuth kann es kaum erwarten, dass sich endlich diese Tür öffnet. Ich kann es kaum erwarten, gleich sein blödes Gesicht zu sehen, wenn er seinem Nebenbuhler gegenüber steht.
Es ist nämlich sein Seniorchef, Herr Melzer von „Melzer&Co“.
Die Einrichtung der Suite könnte aus einem französischen Film über die nachnapoleonische Zeit stammen. Eine plüschige Mischung aus Klassik und Rokoko, aber immerhin gut aufeinander abgestimmt und gepflegt. Auf einer kleinen Anrichte stehen Flaschen und Gläser mit wahrscheinlich ziemlich teuren Getränken. Diverse Gewürze und Pülverchen und eine Schale mit exotischen Früchten ist auch zu sehen. In einer durchbrochenen Porzellanschüssel liegen leere Austernschalen.
Was wirklich aktuell angerichtet ist, das erkennen wir erst, als wir den hinteren Raum betreten, aus welchem soeben noch kurze, undefinierbare Schreie einer Frau zu hören gewesen waren. Unser Eintreten hat jemanden offenbar gestört.
Da hängt sie. Bettina Wohlgemuth, wie sie lieblich leibt, lebt und lüstern leidet.
Das Zimmer ist als Wintergarten im französischen Kolonialstil eingerichtet. An einer Wand ist ein großes Jakobskreuz aus Bambus angebracht, an welchem die rattennackte Bettina Wohlgemuth spreizgliedrig, offenherzig und mit verbundenen Augen mittels lederner Schlaufen befestigt ist. Wozu braucht sie jetzt auch Augen, wo doch bei ihr sonst schon alles offen ist? Für uns als Männer ist es jedoch tatsächlich ein Fall fürs Auge. Wahnsinnig geil, dafür gibt es kein besseres Wort. Darf ich mir das wirklich ansehen, für mein Geld? Ach ja, ich bin doch der Zeuge.
Mein Gewissen beruhigt sich, um dem Genuss das Feld zu räumen.
Nur der Anblick des peitschenstreichenden Herrn Melzer stört die Idylle.
Wahnsinnig zu werden ist jetzt in erster Linie der Job ihres Ehemannes, Carsten Wohlgemuth. Er gibt sich auch zaghaft Mühe.
Bettii!…na! Na, nanu, Herr Melzer? Sie auch hier? Was ma…, machen Sie hier mit meiner Frau? Das können Sie doch nich ma, ma,…, manchmal muss ich mich schon sehr wundern über Sie, wirklich, ma, ma, ma, ma,…Mannomann, das geht doch aber nicht?“
„Nun regen Sie sich mal nicht gleich so auf, Wohlgemütchen, Sie hyperventilieren ja schon. Das ist nicht gut für ihre Gesundheit. Wir haben uns doch nur ganz geschäftlich hier getroffen, ich und Ihre Frau, ist es nicht so, liebe Frau Wohlgemuth…?“
Die gute Bettina scheint erst jetzt so richtig mitbekommen haben, dass es nicht der Zimmerkellner ist, der da stört. Sie hatte ganz andere „Strafaktionen“ erwartet.
„Nimmt mir denn bitte endlich mal jemand die Augenbinde ab und macht mich los hier?“ Bettina klingt kein bisschen ängstlich, höchstens angespannt.
Ich traue mich dann mal, weil Carsten Wohlgemuth zu gar keiner vernünftigen Handlung mehr fähig ist, während Herr Melzer die Riemchen der Peitsche durch die Finger zieht und so dreinschaut, als wolle er gleich den beiden eine Ehepartnerbehandlung zukommen lassen. Ich muss ja schließlich auch beruflich lernen, heikle Situationen zu bewältigen. Heikel ist es wirklich, Als ich ihre Handfesseln löse, muss ich sie ganz fest von unten um die Pobacken fassen, so dass mir eine ihrer heißen Brustwarzen durch die Ohrenknorpel schnorpst. Sie schwitzt so erotisch, dass ich gleich selbst mitschwitze. Es ist einfach bacchantisch geil. Zu spät erst bemerke ich, dass man dieses Kreuz flachlegen kann. Apropos flach legen. Ich kann an fast nichts Anderes mehr denken. Aber ich bin hier nur der Zeuge. Komm zu dir Goldmann, du bist unmöglich! Die nackte Bettina lächelt mich trotzdem freundlich an.
„Danke.
Ich kann dir alles erklären, Carsten, wirklich. Es ist nur ein Geschäft, es war doch nur wegen des Blutopals, rein geschäftlich. Hier, siehst du diesen Ring an meinem Finger? Das wunderschöne geschliffene Herz ist ein blutroter Opal. Der ist so selten, dass es nur ganz, ganz wenige davon auf der Welt gibt. Herr Melzer hat mich freundlicherweise beim Kauf beraten und mir das große Geheimnis der Blutopale erklärt. Wenn man nämlich ganz toll erregt ist, dann fängt das rote Herz in dem Opal an zu schlagen, als wäre es ein richtiges menschliches Herz. Das wollte ich heute mit ihm hier ausprobieren. Siehst du, das ist schon alles. Ach nein! Noch nicht alles. Ich habe ihn außerdem noch davon überzeugt, dass er dir das neue Werkteil in Polen als Chef übergibt und dich zum Juniorpartner macht. Na, wie bin ich zu dir?“
„Doppeltes Gehalt und Gewinnbeteiligung, Wohlgemütchen, Na, sagen Sie doch was. Ich brauche dort nämlich Jemanden, der das Geld zusammenhalten kann und die Leute fest im Griff hat. Hier meine Hand darauf, schlagen Sie ein!“ Melzer grinst siegesgewiss, zog aber eben noch die Riemchen der Neunschwänzigen Katze durch die Hand, die er Carsten jetzt hinreicht. So habe ich mir immer schon einen Kapitalisten vorgestellt. Ein Gentleman eben.
Bettina passt herrlich dazu. Die weiß, wo Bartel den Moscht holt, ich sagte es ja schon.
Man schreitet zum anstößigen Begießen des Vertrages mit dem obligatorischen Sekt.
Alle sind zufrieden, außer Einem. Der bin ich.
Ich hatte es mir dramatischer vorgestellt und vor allem weniger erfolgreich für meinen Auftraggeber. Ich bin schon am Überlegen, ob und wie man die Polen zu einem Streik gegen ihn aufstacheln könnte. Doch da wird meine Anwesenheit endlich auch einmal zur Kenntnis genommen. Melzer schaut mich lange an, nachdem sich Bettina endlich etwas angezogen hat und nicht mehr alle Blicke auf sich lenkt.
„Wer sind Sie denn, mit wem haben wir denn das Vergnügen?“, fragt Melzer gönnerhaft, „zum Hotelpersonal gehören Sie doch wohl nicht, wenn ich mir Sie mal so näher betrachte…“
„Goldman, Privatdetektiv. Ich habe sie und die werte Frau Partnergemahlin hier aufgespürt, im Auftrag von…“
„Schon gut, schon gut. Scheinen ja ein tüchtiger Mann zu sein, Goldmann. Nehme mal an, dass Sie jetzt auch eine ganze Menge über mich wissen, wie?“
„Oooch. Ich kann schweigen, wenn…“
„Wenn das Geld stimmt? Na ja, wissen sie was? Ich hätte da einen lukrativen Auftrag für Sie. Was halten sie Sie von 50 000€ als Pauschalhonorar? Uns ist da in der Karibik eine wertvolle Lieferung von Flugzeugteilen abhanden gekommen. Auf dem Flug nach Florida könnten Sie dann gleich noch meine liebe Frau als Beschützer eskortieren. Sie will da Verwandte besuchen. Näheres morgen in meinem Büro. Es hat mich gefreut, Goldmann, wir haben hier noch Interna zu besprechen, Sie verstehen wohl?“
Ich verstehe. Mich würde es jetzt nur noch interessieren, ob Bettina mit Carsten nach Polen geht, oder hier bleibt, bei ihm. Aber das ist eigentlich gleichgültig. Sie bescheißt auch ihn, da bin ich mir ganz sicher. Tolles Weib!