Ari Goldmann und der Weinberg der Herren
„Dr. Gerhardt Magnus-Pilcher, Psychiater und Sexualtherapeut“ steht auf einem polierten Messingschild an der Tür. Mein neuer Auftraggeber. Gestern Abend hatte ich seinen Anruf aus dem wunderschönen Städtchen Kasel bei Trier erhalten. Die Empfehlung hatte er angeblich von meinem Freund Alf, dem Künstler, den ich hin und wieder gerne dort besuche. Wir sind zwei Jahre gemeinsam zur Schule gegangen.
Wahrscheinlich hatte Alf nur einfach mal wieder das Bedürfnis, sich mit mir auszuquatschen und sich meine Storys berichten zu lassen. Mich hat es dennoch gefreut. Besonders freue ich mich auf seinen selbst angebauten und selbst gekelterten Wein. Ein Gedicht!
Aber zurück zu Dr. Magnus-Pilcher: Welches ist sein Problem?
„Ich kann es mir einfach nicht erklären, Goldmann. Ich bin hier landesweit und -breit der einzige approbierte Sexualpsychiater. Deutschland ist mit Fachleuten meiner Qualität völlig unterversorgt. Bis vor zwei Monaten konnte ich mich vor Terminen und Patienten kaum noch retten. Aber plötzlich kommt so gut wie keiner mehr, obwohl ich Überweisungen und Terminabsprachen zu Dutzenden habe, kommt keiner der Patienten bei mir an.
Von meinen Kollegen und den Hausärzten wird mir jedoch bescheinigt, dass die Mehrheit der Patienten von meiner Therapie begeistert sei und sich als geheilt betrachtet.
Nur ich kriege keine Unterschriften mehr unter meine Verträge und kann die Behandlung nicht abrechnen. Jemand fängt mir die Leute vor der Tür weg und will mich in den Ruin treiben.
Kriegen Sie raus, wer das ist und wie er oder sie das macht. Ich stelle Ihnen ein Zehntel meiner monatlichen Nettoeinnahmen in Aussicht, wenn sie die Sache erfolgreich aufklären.“
Solche Honorarangebote, die vom Erfolg des Auftraggebers abhängig sind, nehme ich aus Prinzip und hinreichend schlechter Erfahrung niemals an. Was ist denn „Netto“?
Da ist mir zuviel Schlupf nach unten drin.
„Was wäre das in Euro?“
„Hm, so zwischen 1000 und 5000€, das hängt natürlich auch von Ihrem Erfolg ab, Herr Goldmann.“
„Ok, sagen wir also 5000€ plus Spesen. Die Hälfte davon sofort in bar, den Rest bei Erfolg.“
„Sie sind ein harter Hund, Goldmann, was?“
„Sie wollten einen harten Hund, Herr Dr. Magnus-Pilcher, sonst hätten Sie mich ja nicht extra aus Bremen hierher geholt. Ich weiß, was ich wert bin.
Da beginne ich doch meine Ermittlungen gleich einmal bei Ihnen:
Welche Art von Problemen haben, beziehungsweise, hatten Ihre Patienten und welche Methoden wenden Sie an?“
„Ich unterliege der ärztlichen Schweigepflicht, wie Sie ja wohl wissen. Erwarten Sie von mir also bitte keine Namen und Diagnosen. Ich will es einmal so zusammenfassen:
Es sind meistens Männer, die Probleme mit ihrem Sexleben haben. Angst vor Frauen, einschließlich der eigenen Ehefrau, Versagensängste, Potenzprobleme, die nicht organisch bedingt sind, Komplexe, die ganze Palette.
Wie ich vorgehe?
Streng wissenschaftlich gesichert und traditionell natürlich, nach der Moeller-Methode. Gesprächstraining, Sexualanamnese, Familienanamnese, aktuelle Beziehungen und aktuelles Sexualleben, prägende Erlebnisse, Hemmungen, und so weiter, die ganze Palette.
Von diesem neumodischen Zeugs, wie Tandra, Nacktgymnastik und dem indischen Schweinskram halte ich überhaupt nichts. Dann sollten sie lieber gleich in den Puff gehen. Aber gerade das trauen sie sich ja nicht, meine Patienten. Es ist ein Teufelskreis, aus dem ich ihnen den Ausgang zeige. Ich bin ein anerkannter Fachmann, der beste weit und breit. Und jetzt macht mir jemand das alles kaputt, Goldman! Finden Sie es heraus.“
Hm. Noch habe ich gar keinen Plan. Ich frage doch besser noch einmal nach:
„Womit stärken Sie ihren Patienten denn dann ihr Selbstvertrauen, Her Doktor, wo ist denn der Ausgang, den Sie ihnen zeigen?“
„Haben Sie etwa auch Probleme, Goldmann, weil Sie das so genau wissen wollen? Na gut.
In der Regel muss ich den Männern ihr männliches Selbstbewusstsein stärken, indem ich ihnen von kleinen Männern erzähle, die Großes geleistet haben. Julius Cäsar,…“
„Veni, vidi, vici?“
„Zum Beispiel, Goldmann, zum Beispiel. Aber auch Napoleon Bonaparte, Friedrich der Große, Wolfgang Schäuble, Attila und andere erfolgreiche Menschen, denen man es vorher nie zugetraut hätte, zeige ich ihnen als Beispiel auf.“
Jetzt weiß ich alles und nichts. Ich verzichte darauf, ihn darauf hinzuweisen, dass Friedrich der Große einen missgestalteten Penis hatte und nichts mit Frauen am Hut, dass Napoleon nur dann besonders geil auf Josefine war, wenn er weit weg von ihr Briefe aus Ägypten schrieb, ansonsten aber beim Anblick von Frauen unsicher und wütend wurde, und auch, dass Attila in der Hochzeitsnacht seinen Geist nebst allem Übrigen aufgegeben hat. Ich will ja nicht den Schlaumeier spielen.
Den Fall muss ich jedoch ganz anders anpacken.
Bloß wie?