Der Wunschhändler – Die Geschichte
Kapitel eins: Sintra© Nisham 07/2012
Zu dieser Geschichte:
Die Anregung etwas mehr über den Wunschhändler zu schreiben kam, nachdem ich diese Kurgeschichte
Kurzgeschichten: Der Wunschhändler
veröffentlicht hatte. Ich hatte zuerst keine richtige Ahnung, was es mit dem Wunschhändler auf sich hatte, wohin er mich führen würde, mit wem und wozu…
Doch hier beginnt die Geschichte:
Sintra bleibt überrascht neben mir stehen und schaut mich ungläubig an. Ich kann sie gut verstehen. Wir befinden uns auf einem Hinterhof, in einer ruhigen Seitenstrasse, nicht weit von der Reeperbahn. Nur sieht es hier ziemlich heruntergekommen aus. Übervolle Mülltonnen, rostige Fahrräder. Und der Geruch ist auch nicht vom Allerfeinsten.
Sintra schaut von mir zu dem kleinen Laden. Eine schlichte Holztüre, flankiert von zwei kleinen Schaufenstern die völlig leer sind. Nur der Türklopfer, ein großes, schweres Teil, das in mattem schwarz glänzt: ein Krähenkopf.
Natürlich hat Sintra durch die Schaufensterscheiben in den Laden geschaut, doch ihr Kopfschütteln zeigt ganz klar: nichts zu sehen. Aufmunternd nicke ich ihr zu: sie soll den Türklopfer betätigen. Dreimal, das habe ich ihr mehrfach erklärt.
Sintra hat mich vor einer guten halben Stunde im Hotel abgeholt. Wir haben zuerst um die Ecke einen Kaffee getrunken. Ich wollte sicher sein, dass sie da auch wirklich hin will. Sintra im Gegenzug wollte sich vergewissern, dass ich genau weiß, wo der kleine Laden des Wunschhändlers liegt. Es war nicht weit. Keine zehn Minuten zu Fuß, und – obschon ich mich in Hamburg so gut wie nicht auskenne – weiß ich ganz genau wohin ich meine Schritte lenken muss.
Zögernd ergreift Sintra den Türklopfer. Sie schaut mich noch einmal an und dann schlägt sie ihn mit fester Hand dreimal gegen die Tür. Es ist ein lautes Klopfen, das im Hinterhof erschallt.
Ich deute ihr nun die Tür zu öffnen und einzutreten. Ich warte draußen, wie wir das vereinbart haben. In der Hofeinfahrt lehne ich mich an eine halbwegs saubere Mauer und behalte den Laden im Blick.
Ich weiß, was Sintra darin vorfindet. Nichts. Außer einem antiken Stehtisch mit Intarsien steht sonst rein gar nichts in dem völlig leeren Laden. Nur fahles Licht dringt durch die beiden Spinnweben verhangenen Schaufenster in den kargen Raum.
Hinter dem Stehtisch steht er. Der Wunschhändler. Schulterlanges weißes Haar. Ein von Wind und Wetter gegerbtes Gesicht, ledrige Haut, doch mit stechenden türkisfarbenen Augen. Seine Kleidung wirkt etwas altmodisch, doch von feinstem Stoff und tadellosem Schnitt.
Der Mann nickt Sintra nur zu. Sie zögert wieder, doch dann fasst sie ihren ganzen Mut zusammen und äußert ihren Wunsch. Ich habe keine Ahnung, wie dieser Wunsch lautet. Das interessiert mich nicht.
Der Wunschhändler hört ihr schweigend zu. Dann schaut er tief in ihre Augen und ohne ein weiters Wort zu sagen breitet er seine Arme aus, die offenen Handflächen in Höhe von Sintras Gesicht. Langsam nähern sich die beiden offenen Hände ihrem Gesicht.
Sie ist etwas verwirrt. Ziemlich verunsichert. Doch sie weicht nicht zurück. Eine Handbreit vor ihren Augen verharren die beiden offenen Hände. Da sieht Sintra, dass die Handflächen, wie tätowiert, merkwürdige Symbole tragen.
Langsam zieht der Mann seine Hände zurück. Bis jetzt hat er kein einziges Wort gesprochen.
Sintra befolgt meine Anweisungen genau: kein weiteres Wort sprechen. Nur mit einem Nicken andeuten, dass sie mit den Bedingungen einverstanden ist.
Nein, der Wunschhändler nimmt kein Geld.
Sintra dreht sich um, greift nach der Türklinke öffnet die Tür und tritt aus dem Laden. Die Tür fällt hinter ihr ins Schloss. Mit wenigen Schritten ist sie bei mir. Ich sehe ihr an, dass sie immer noch nicht weiß, ob das alles mit rechten Dingen zu und her geht.
Das Einzige was sie ahnt, was sie langsam zu begreifen beginnt: wenn dieser Wunsch in Erfüllung geht wird sie ein klein wenig von ihrer Seele verkauft haben.
Schweigend gehen wir zurück. Sintra denkt wohl darüber nach, wie viel Seele sie denn nun hat und was das bedeuten wird, wenn sie jetzt beim Wunschhändler ein wenig davon zurückgelassen hat…
Bei einem Espresso und einem exzellenten Croissant unterhalte ich mich noch kurz mit Sintra. Klar, dass sie mich erneut fragt, was ich denn für meine Bemühungen haben möchte. Wie ich ihr schon vorher gesagt hatte – ich lasse mich überraschen. Sintra will darüber nachdenke. Auch gut. Bald darauf verabschiede ich mich, winke einem Taxi und fahre zum Flughafen. Habe eine Maschine nach München zu kriegen, weil ich da doch am späteren Nachmittag einen weiteren Termin habe.