Reisebericht Erde - (eine Action-Story)
1. Kapitel HafergrützeVor mir das knisternde Lagerfeuer, die brennenden, dämonischen Augen darum herum. Zwischen mir und den fremden Gestalten Gebüsch. Endlich habe ich sie. Daß ich sie verfolgte weiß ich noch. Was ich jetzt mit ihnen machen soll weiß ich noch nicht. Ich weiß nicht einmal, wie ich hierher gekommen bin. Nein, nicht hinter das Gebüsch, an das Feuer. Auf diese Erde meine ich. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich mit vertrauten Gefühlen einen anderen Planeten. Er muß mein Herkunftsort sein, obwohl ich aussehe wie einer von hier. „Menschen“ nennen sie sich.
Daß ich schon immer so ausgesehen habe wie ich heute aussehe kann ich nicht glauben, denn schon als kleines Kind habe ich meine Eltern gefragt, warum ich behaart bin und nur 5 Finger pro Hand besitze, ich dachte immer es müßten 6 sein. Meine Ohren kamen mir komisch vor. Für mich sahen sie wie rückgebildete Lauscher aus dem Tierreich aus. Einfache Ohrlöcher mit kleiner, weniger auffälliger Wulst davor, stünden mir besser, dachte ich. Auch was das Auge betrifft, hatte ich schon in frühesten Jahren eine ziemlich genaue Vorstellung: Es ist ein Auswuchs des Gehirns, direkt mit dem mittleren seiner 3 Teile durch dicke Nervenbündel verknüpft, unmittelbar aus dem Sehzentrum kommend. Es sieht in allen Bereichen gleich scharf. Aber diese Ansicht war falsch!
„Das Auge ist selbstverständlich ein eigenständiges Organ,
über den Sehnerv mit dem zweiteiligen Gehirn verbunden und es sieht nur durch die Pupille scharf“, sagte man mir. Dann lachte man mich für meine rege Phantasie aus. Das hat mich damals sehr verletzt, denn ich glaubte mindestens über Jahrhunderte respektiert worden zu sein.
Vor mir kauert die Romantik im nächtlichen Gras. Abermillionen Erbinformationen: Zwei potentielle Fortpflanzungsgemeinschaften. Das klingt für mich witzig, denn der Begriff „Gemeinschaft“ existiert nur dem Namen nach. Aber die Münder der Erbinformationsträger machen ebenfalls Witze. Sie hören sich wie Komplimente an. Erzählen sie Lügen? Ich werde sie austilgen, denn nicht nur sie, sondern sogar der Boden unter ihren Hinterteilen ist fruchtbar. Das soll er bleiben.
Wütend aktiviere ich meinen Geist. Mein Wille wird übermächtig. Die beiden Männer wissen was sie wollen. Die beiden Frauen auch. Beide Parteien wollen ihren speziellen Erfolg. Die Absichten sind geschlechtsspezifisch verschieden. Mein Geist nähert sich Händen und Herzen. Die Hände nähern sich den Herzen. Aber sie tun das viel zu schnell. Die Herzen schreien auf: “Nein!“ Von den Herzen gewiesen werden die Hände zu Fäusten. Männerfäuste schlagen in Frauengesichter. Die "Romantik" wächst, das Schicksal wächst an und die Lebenskraft wächst unkontrolliert ins Überdimensionale. Zum Beweis dafür bedeckt jetzt Blut die zarten Münder der harten Frauen. Zwei Stunden später ist die Romantik zum Abenteuer geworden. Messer blitzen im Feuerschein auf. Ihre rotglühenden Klingen zerteilen nackte Gestalten.
„Wir müssen verhindern, daß man sie identifizieren kann“, sagt eine, durch mehrfache, sexuelle Befriedigung, entkräftete Männerstimme“.
„Machen wir Fleischsalat!“ lacht eine andere.
Kritikloses Selbstbewußtsein und ein klar umrissener Instinkt sprechen aus ihr.
Noch glimmt das Lagerfeuer. Ich labe mich an seinem Glanz. Jetzt bekommt es neue Nahrung. Zwei entstellt Köpfe mit langen, wallenden Haaren fallen hinein, werden mit trockenen Ästen zugedeckt und mit Benzin übergossen. Die schönen Schöpfe verglühen kometenhaft, die heraus gewürgten Zungen garen zuerst. Hirne schmelzen ohne den Hauch eines Gefühls. Und ohne den Hauch eines Gefühls – rechnet man die prickelnde Spannung der ängstlich zufriedenen Mörder weg – werden die abgebrannten Schädel zertrümmert. Ihre Asche wird fachgerecht in eine vorbereitete Grube gestreut. Sie ist nicht groß. Gerade groß genug, um die Wunschträume von 5 000 Generationen darin aufzunehmen. Wunschträume haben kein Gewicht. Die abgetrennten Hände und Füße der ausgedienten Lustobjekte, sprich nunmehr „Leichen“ kommen in einen Plastiksack. Irgendein beschaulicher See wird sie aufnehmen, sie bewahren, bis zum Sankt Nimmerleinstag. Der nichtssagende, körperliche Rest ( die Hauptmasse der Leiber, um die es den Männern eigentlich ging ) bleibt den wilden Tieren überlassen. Füchse, halb verhungerte, streunende Hunde, Raben und Maden und vor allem Insekten wissen damit etwas sinnvolles anzufangen. Sie alle werden ihn umarbeiten in ihr eigenes Fleisch. Das ist das Weltprinzip.
Ich bin beglückt! Durfte ich nicht Zeuge sein, der Ausübung des Rechts der Stärkeren?! Nein. Schließlich war ich der Verursacher. Ich war der Stärkere. Aber das weiß niemand.
Und objektiv betrachtet ist nicht viel passiert. Da mache ich mir nichts vor. Wäre ich 20- oder 30 000 Jahre früher an diesem Ort gelandet, es wäre bei der bloßen Vergewaltigung geblieben. Die Täter wären straffrei ausgegangen und ganz einfach unsere Urururgroßväter geworden. Eine Notwendigkeit zur Zerstückelung der beiden Mädchen hätte demnach nicht bestanden. Im Gegenteil: Die beiden wären geschwängert und frohen Mutes von dannen gezogen und alle Welt, vor allem die gegenwärtige, hätte sich darüber gefreut, denn sie wäre ja erst entstanden. Alles, was sich in der Entstehung befindet freut sich gedankenlos – schamlos?
Das Umfeld hat sich gewaltig verändert, die Akteure eher weniger. Heute trägt der Mann von Welt Anzug und Krawatte, sein Gegenstück, die Frau, schminkt sich, um ihre sexuelle Anziehungskraft zu erhöhen und beide lassen sich von schlauen Organisatoren in Maßregeln zwängen, die vor allem den Organisatoren nützen. Aber die wahre Natur bricht sich Bahn, findet zu sich selbst, sie befriedigt sich sobald sich eine günstige Gelegenheit ergibt. Und wer nicht ausersehen ist, einen großen, allgemeinen Krieg mitgestalten zu dürfen, der macht sich seinen ganz privaten. Viel mußte ich also nicht tun.
Berauscht von meinem Glück blicke ich zu den Sternen hinauf – von denen ich komme – und ich kann mich in diesem Augenblick nicht mehr zurückhalten ein Hei-ku zu entwerfen:
Gedankenvolle Nachtschwärze steigt
durch ein rotblutendes Herz
leuchtende Himmelsgoldbuchstaben verkörpernd.
Ich weiß, ich bin ein Künstler, ein Goldkind, rot vor Erregung in tiefschwarzer Umgebung. Was für eine Komposition. Und noch etwas weiß ich: Es geht diesen Menschen hier nicht nur um’s Geld, wie immer behauptet wird. Es geht um etwas ganz anderes, Hinterlistig- Geheimnisvolles, um etwas wirklich bestimmendes Im Leben, aber ich werde noch nicht verraten um was.
„Das wird ihm nichts einbringen – und mir auch nicht“ giftete Hauptkommissar Kaspar Gleich aus seiner Zelle ( in die er sich immer zu Inspirationszwecken zurückzog ) heraus. Er hatte diese seltsame Botschaft in Händen, die er für ein Bekennerschreiben hielt. Sie war schon die 3. in diesem Monat.
„Sam“, sagte Inspektor Greifzu, sein engster und einziger Mitarbeiter, „was ist nur aus dir geworden? Dieser Unbekannte macht dich...“
„Sei still, oder ich schieße“, fiel Sam – so nannten seine Freunde den Hauptkommissar - seinem Gehilfen, den alle nur „Zuffi“ nannten, ins Wort. Zuffi schloß boshaft die Jailtür und ging. An einem Kleiderständer hing sein Schultergurt mit dem Remington. Er legte den Revolver auf den Tisch und betrachtete ihn verliebt. Dann nahm er den Gurt und schwang sich hinein. Dabei schritt er zur Straßentür. Beinahe hätte er seine Dienstwaffe vergessen. Er kehrte noch einmal um, steckte den Revolver ein, verpaßte sich eine Malborog-superheavy in den rechten Mundwinkel und schlüpfte in seine liebste Rolle. „Hier entlang“ zischte er. Jetzt war er wieder ganz er selbst: Texasranger im Wilden Westen.
Der Wagen stand hinter dem Polizeihauptquartier. Das „Gespann“
( ein neutraler VW-Kombi ) mit "den beiden Braunen"(= nur in der Vorstellung Zuffis vorhanden), wartete in dem engen Officehof. Das Fuhrwerk war bereits von einem Stallburschen auf Gegenzug gebracht worden. Zuffi stieg auf ( ein ), wollte nach Zügel und Peitsche ( Zündschlüssel und Schaltknüppel ) greifen. Doch eine fremde Macht drückte ihn zu Boden, warf eine Decke über ihn, nahm Zügel und Peitsche an sich und ließ die Vierbeiner angehen. Mit quietschenden Reifen und aufgepflanztem Blaulicht raste der Kombi die Toreinfahrt hinaus.
„Wir fahren erst einmal aus der Stadt“ brummte eine gebieterisch dunkle Stimme. „Dann nehmen wir die Straße nach Schwipsheim – und mach endlich das bescheuerte Blaulicht aus“. Noch während er das sagte, versetzte der Sprecher Zuffi einen Schlag mit einem stumpfen Gegenstand auf den Kopf – und bei Inspektor Greifzu ging ebenfalls das Licht aus.
„Meine Sachen sind noch zu Hause“ lamentierte hellstimmig der Fahrer, aber er bekam sofort eine zufriedenstellende Antwort. „Du findest nachher alles hinten im Wagen“.
Der Brummbär, Jacky Degenhart, hatte wirklich an alles gedacht. Das erfüllte seinen Freund Jonny Monroe mit großer Dankbarkeit. Der Kleine mit der sonnig-hellen Stimme ließ die Braunen im Schritt gehen. Sie befanden sich auf der Anderson-Uferstraße, im äußersten, westlichen Stadtbezirk.
Der Hauptkommissar rief inzwischen längst um Hilfe, aber im Jail, hinter verschlossener Türe. Wer sollte ihn da hören?
Draußen, vor der Stadt, stoppte der Wagen am Waldrand. Die beiden Entführer, der kleine, rundliche mit der netten Stimme, sowie der lange, knochige, mit dem eindrucksvollen Baß, stiegen aus. Auf der Ladefläche des Kombis fanden sie nicht nur den Spirituskocher, samt Brennstoff, sondern auch einen Beutel Salz und etliche, andere Gewürze. In einer Tasche steckte ein toter Hase, der dazugehörige Drehspieß, Tee, Kaffee, Zucker und eine Flasche feinstes Olivenöl. Jacky hatte vor der Entführung den Wagen aufgebrochen und alles gewissenhaft verstaut. Jonny Monroe, der kleine Rundliche, baute den Kocher auf und steckte den Hartspiritus in Brand. Der Rest war Jacky Degenharts, des langen, Knochigen, Sache.
Besser hatte Hasenbraten nie geschmeckt. Das war jedenfalls Jonnys Meinung. Er hatte das Tier heute Vormittag aus dem Zoo gestohlen und zum Treffen mit Jacky, vor dem Polizeihauptquartier mitgebracht. Jacky hatte ihm eine Überraschung versprochen. Was nun kam war klar wie Kloßbrühe. Die beiden holten sich Zuffis Decke und verpassten ihm vorsichtshalber noch einen kräftigen Klaps auf den Hinterkopf um seinen Schlaf zu verlängern. Jacky breitete ein Lager aus. Darauf fanden sie sich dann wieder, lange bevor die Sonne unterging. Sie küßten und herzten sich, zogen sich gegenseitig aus und streichelten sich, bis es sie danach drängte sich zu vereinigen. Die Nacht lag noch vor ihnen und es sollte die Nacht werden von der sie beide so verdammt lange geträumt hatten. Die Dämmerung brach herein und Sterne zogen auf. Und wieder forderten die Gefühle ihren Tribut. Heiß brannte das Blut – noch zusätzlich durch heißen Tee und heißen Kaffee aufgeheizt – in den Adern. Tief in den Lenden pochten die Herzen. Sie pochten und pochten. Die Höhepunkte wurden fast immer gemeinsam erreicht.
Jonny war ein leidenschaftliches Wesen. Er liebte es kraftvoll genommen zu werden und er war imstande vor lauter Wonne und Glückseligkeit lauthals loszuschreien.
(c)Sur_real
Fortsetzung folgt