Reisebericht Erde 2
In dieser Nacht hatte der nahe Jäger auf seinem Ansitz keine Fortune, denn alles Wild floh verschreckt in ein anderes Revier.Als der Morgen graute lag das traute Paar eng umschlungen, weitab von seinem Lager im Gras. Die Männer waren in Schweiß gebadet und ihre Leiber klebten förmlich aneinander. Keiner war mehr fähig auch nur den kleinen Finger zu rühren. Sie waren fix und fertig. Jeder hatte gegeben was er konnte – und das war weder für sie noch für die Polizei eine schlechte Bilanz.
Als Jonny Monroe erwachte stand die Sonne genau über ihm. Er schreckte hoch, hielt aber ein, als er bemerkte, daß er Jacky noch auf sich liegen hatte. Er schaute sich um. Wie leichtsinnig von ihnen! Alle Sicherheitsmaßregeln hatten sie außer Acht gelassen. Dazu hatte ihn dieser Mann gebracht. Was für ein Kerl – Jacky!
Endlich bemerkte Jonny auch, daß nicht nur die Sonne über ihm stand.
„Aufstehen, ihr verdammten Schweine!“ rief Inspektor Greifzu, zu voller Amtsgröße aufgerichtet. Er hielt seinen ungeladenen Revolver in der Hand. Seiner ewigen Zerstreutheit verdankte er die fehlende Munition. Bereits kurz nach Mitternacht war der verantwortungsbewußte Kriminalbeamte erwacht. Ein Blick aus dem Wagenfester vergegenwärtigte ihm die Situation. Den Rest der Nacht bis zum Morgengrauen verbrachte er damit sich im hellen Mond- und Sternenschein zu übergeben. Von dem letzten Schlag mußte er sich noch erholen. Die Wirklichkeit vor seinen Augen erschien ihm viel zu unwirklich, um etwas unternehmen zu können. Erst als sich die grelle Mittagssonne hoch im Zenit befand, fühlte er sich imstande sein ekelhaftes Brechgefühl ( offenbar hatte er eine schwere Gehirnerschütterung erlitten ) zu unterdrücken.
„Sie sind verhaftet“, stammelte er, von erneut aufkommender Benommenheit attackiert. Speichel rann ihm aus dem rechten Mundwinkel. Vor seinen Augen schwankte die Welt. „I musch schie bidden schich schelbschd schu feschdeln“, hauchte er , dann konnte er nicht mehr. Leise stöhnend kippte er hinten über und schlug sich nun selbst seinen schweren Schädel an einem großen Kiesel auf. Grinsend schlief er wieder ein.
Später, im Krankenhaus konnte er sich an nichts mehr erinnern. Hauptkommissar Gleichs Fragen bereiteten ihm nur Kopfschmerzen. „Waren es Terroristen, Bankräuber, Zuhälter, oder gar Eingeborene?“
„Keine Ahnung, keine Ahnung“, ächzte Zuffi, „und bitte nicht so laut, ich habe schlecht geträumt“.
Sam hatte, nachdem er sich 12 Stunden lang die Fäuste an der Zellentür wundgetrommelt hatte und schließlich am Vormittag von einem einfachen, verdeckten Ermittler, durch Zufall entdeckt und befreit worden war, sofort bei Zuffi zu Hause angerufen. Er wollte ihn ganz einfach zusammenscheißen. Von Frau Greifzu – die früher Psychologische Betreuerin bei der Fremdenlegion gewesen war und sich mit Männern auskannte – erfuhr er, daß sich ihr Gatte wieder mal die ganze Nacht herumgetrieben habe. Bei ihr entschuldige er sich gewöhnlich mit dem Wort „dienstlich“, aber sie wisse es besser, sagte sie. „Bestimmt ist der elende Hund im Puff gewesen und traut sich nicht mir unter die Augen zu treten, vor lauter schlechtem Gewissen“. Gleich erinnerte sich andächtig an ihren Schnurrbart und wollte sich deshalb schon mit dieser Auskunft zufrieden geben, als er, einer inneren Eingebung folgend, sofort eine Großfahndung einleitete.
Gegen 8Uhr abends wurde Zuffi dann auch, geistig völlig verwirrt, von zwei üblen Herumtreibern entdeckt, anständig beraubt, aber dann auf der nächsten Wache abgegeben. Kaspar Gleich begann zu verzweifeln. Jetzt bin ich schon über 50 und habe nichts auf die Reihe gebracht. Man könnte meinen, die ganze Menschheit sei verrückt geworden. Oder handelte es sich hier um ein Komplott? Um ein Komplott gegen ihn und die 2 oder 3 anderen vernünftigen Menschen auf der Welt? Er war hoffnungsvoll genug zu glauben, daß er sich in der entscheidenden Phase seines Lebens befand: kurz vor der Aufklärung einer der kuriosesten Mordserien der Geschichte. Doch ausgerechnet jetzt drehte sein Mitarbeiter durch. Auf welche Hilfen konnte er noch bauen? Würde sein eigener Verstand ganz alleine dafür ausreichen, sämtliche anstehenden Denkprobleme zu lösen? Vermißtenmeldungen gab es schließlich genug und jede konnte dem nächsten Mordfall vorausgegangen sein. Mit welcher Vermißtenmeldung der nächste Mordfall wirklich zu tun hatte, war einfach im voraus nicht ermittelbar. Keiner würde sagen können, mit welcher das zuletzt eingegangene Bekennerschreiben zu tun hatte, aber das würde er, der Hauptkommissar in Person schon noch aufklären. Wozu liebte er seinen Beruf wie kein anderer, wozu hatte er, im Zusammenhang mit seinem Beruf Illusionen und wozu hatte er Visionen? „Visionen!?“ So ein Blödsinn, korrigierte er sich. Ein Verrückter hat vielleicht Visionen, ein Kriminaler besitzt einen analytischen Verstand. Basta! Und eben jener analytische Verstand sagte Kaspar Gleich, Sam und Hauptkommissar im Morddezernat, daß er jetzt weiblicher Bestätigung bedurfte.
Er sah sich noch einmal das letzte Bekennerschreiben an. Bis ein neues eintrudelte, immer sauber an ihn selbst, den Chef des Dezernats adressiert, trug er stets das alte mit sich herum, um es wiederholt gründlich zu studieren. Wer weiß, irgendwann fiel ihm vielleicht etwas auf, das er bisher übersehen hatte, obwohl es womöglich entscheidend war.
Diese Bestie bezeichnet uns als bloße Fortpflanzungsgemeinschaft, als eine Anhäufung von Erbinformationen, als sonst nichts. Vorsichtig lachte Gleich in sich hinein. Er war sich seines Lachens nicht ganz sicher. Dann fiel ihm tatsächlich etwas auf. Bei nochmaliger Inaugenscheinnahme des Wortes „Fortpflanzungsgemeinschaft“, bemerkte er, daß 3 Typen der Maschine, auf der das ominöse Schreiben verfasst wurde, fehlerhaft waren. Es handelte sich um das kleine „A“, das kleine „M“ und das kleine „L“. Jeder Buchstabe wies eine winzige Scharte im rechten, oberen Bereich auf. Bei nochmaligem Lesen des gesamten Schreibens fand er heraus, daß es sich nicht nur um die kleinen Aas, Emms und Ells’ handelte, sondern ebenso um die großen. Wie seltsam. Eine erneute Welle von Anlehnungsbedürfnis und Sehnsucht nach Selbstbestätigung deckte weitere, analytische Überlegungen zu und machte weitere wegweisende Entdeckungen überflüssig.
Murtl ( gesprochen „Mörtel“ ) war keine Frau, sie war ein Weib! Jedesmal wenn sich Sam an ihre großen, schwarzen Brüste drängte, wähnte er sich daheim.
Heute war er verdammt froh, daß er sich noch entschlossen hatte Anlehnungsbedürfnis zu entwickeln, um Murtl, seine hochverehrte Lebensgefährtin zu besuchen. Er mußte dieses wunderbare Geschöpf einfach wieder in die Arme schließen und an sich drücken. Das erste Mal - das war vor 5 Jahren gewesen - hatten sie sich in einem Kuhstall geliebt. Jetzt hatte er natürlich ein kleines Häuschen besorgt, für sie und ihre 5 unehelichen Kinder. Als Mann von starkem Auftreten nahm er selbstverständlich an sie seien ausnahmslos von ihm, obwohl ihm keines davon ähnlich sah.
Seinem Glauben nach hatte er Murtl soeben zum 7. oder 8. Höhepunkt getrieben, als ihm jemand von hinten auf die Schulter tippte.
Hauptkommissar Gleich fuhr erschrocken zusammen. Den Blick noch völlig verklärt fragte er sich: Wer kann das sein?
Hinter ihm stand scheinbar eine nebulöse Gestalt!
Jesus, Maria und Josef!
Die Gestalt sagte zunächst nichts. Dann jedoch: „Du hast dich total übernommen, mein Freund“. Würde er nun, genauso wie Zuffi, von brutalen Perversen, aus Jux und Tollerei, überfallen und brutal zusammengeschlagen werden? Oder war das eine Halluzination – ein Anfall von Wahnsinn?
Mühsam richtete er sich auf und polterte nach vorn. Wovor wollte er fliehen? Dann knackte es in seinen Knien, er fiel zusammen und stieß sich an Murtls Schlafzimmerfensterrahmen die Stirn blutig.
„Himmel, Sam, du schlägst mir ja noch die Scheibe ein“, rief Murtl entsetzt. Sie schlug vor, er solle sich wieder hinlegen und sich ausruhen, sie halte ihm einstweilen die Kinder vom Leib.
„Bleib’ bei mir“ sagte er kleinlaut und äugte zu seinem Revolver an der Stuhllehne hinüber. Doch kurz darauf kuschelte er sich brav in die Federn. Aber da krachte und polterte es an der Haustüre. Mehrere Männer stürzten herein. Erst jetzt merkte Sam, wie weit vom Bett entfernt er seinen Revolver deponiert hatte. Murtl war gerade noch dazu gekommen in ihren Morgenmantel zu schlüpfen. Ihre Blößen waren bedeckt. Hauptkommissar Gleich hingegen lag nackt unter der Decke. Dann standen die Eindringlinge auch schon vor ihm.
Agent Lockshire befand sich in Sams Alter. Er war ebenfalls ein großer, starker Mann mit breiten Schultern und eisigem Blick. Entschlossen trat er an die Bettkante und stieß dabei die beiden anderen Agenten des WGD ( Weltgeheimdienst ) zur Seite. Mit schneidender Stimme sagte er: „Sie sind vorläufig festgenommen! Sie wissen warum!?“
„Wegen der Bekennerbriefe?“ vermutete Sam richtig. Hatte er sie den übergeordneten Behörden unterschlagen? Doch er hatte sie weder gestohlen, noch irgendwelchen verantwortlichen Stellen abgenommen. Sie waren ganz alleine an ihn – allerdings in seiner Eigenschaft als Amtsperson – gerichtet worden. Irgendwann hätte er sie schon irgendwem vorgelegt.
Und woher hatte der WGD davon Wind bekommen?
„Stehen sie auf und ziehen sie sich an“, herrschte Lockshire mit unwillig schnarrender Stimme den Verhafteten an. Wir sind hier im tiefsten Bavarien und nicht in Kalifornien, dachte sich Sam. Und in diesem Staat hängt man langsam aber gewissenhaft arbeitende Beamte nicht gleich auf. Die Männer feixten, angesichts der peinlichen Situation. Sie beobachteten Sam mit Kennerblicken, als er zum Stuhl ging, auf dem seine Sachen lagen. Agent Lockshire war noch vor ihm dort und nahm den Revolvergurt mit dem Remington an sich. Murtl wurde in Handschellen hereingebracht. Ihr Morgenmantel stand weit offen. Jetzt war alles zu sehen. Ihre dicken Lippen sahen aufgeschwollen aus. Ein Auge schillerte bläulich.
(c) Sur_real