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Reisebericht Erde 5

Reisebericht Erde 5
„Ihre Intuition sollte sie nicht im Stich lassen“. Das Wesen war immer noch da. Die ganze Weichheit, die es zuvor bemüht war auszustrahlen schien auf einmal von ihm abgefallen zu sein. Vermutlich ging es ihm ähnlich wie Sam, aber als es ihm eindringlich, direkt in die Augen sah, hatte sein Antlitz wieder jene maskenhafte Freundlichkeit zurückgewonnen, die es Kaspar Gleich unmöglich machte auch nur einen winzigen Blick hinter diese Fassade zu werfen.
Sam schwieg einige Momente lang, während er sich auf das fremde Gesicht konzentrierte. Das Wesen hielt seinem festen Blick jedoch spielend stand und Sam fragte sich wann diese Vision endlich abbrechen würde.
„Wie kommen sie auf diesen Gedanken?“ registrierte er noch, „unser Gespräch wird niemals abbrechen, wenn sie sich nur die Mühe machen in sich hinein zu hören. Wir haben nicht die Absicht den Fisch von der Angel zu lassen. Daß wir ihn vergiften müssen, bevor wir ihn aus dem Wasser ziehen, ist ihr Problem. Das Risiko müssen sie eingehen. Doch, wie bereits angedeutet: Alles, was unseren Kontakt betrifft ist normalerweise tabu. Große Gewalten sind auf beiden Seiten am Werk. Verborgene Parteien, von denen sich ein trivial denkender Mensch, im Bann seiner Schulweisheit, keine Vorstellungen machen kann. Wer den Frevel begeht in der Wahrheit herum zu stöbern, hat alles, was ihm dann zustößt, sich selbst zuzuschreiben. Doch bedenken sie: Diese Quelle, von der sie ihre Hinweise erhalten, hat ganz sicher etwas mit ihrem tiefsten Innern zu tun“.

„Schalten sie das Gerät ab!“ rief jetzt eine Frauenstimme, die aus der realen Welt kam. „Schnell, er hyperventiliert!“
Langsam tauchte ihre Besitzerin in Kaspar Gleichs Gesichtsfeld auf. Sie war blond wie ein Engel und wirkte vielleicht gerade ihrer harten Züge wegen sehr mütterlich.
„Schalten sie bitte das Gerät ab, Herr Untersuchungsleiter“, wiederholte sie, „ich befürchte, daß sich der Proband in einer schwierigen Lage befindet“.
Der Untersuchungsleiter, das Männchen im blauen Anzug, näherte sich. Er grinste schelmisch. Sams Zustand kümmerte ihn nicht im Mindesten. „Fahren wir fort!“
Etwa gegen 9 Uhr abends, mitteleuropäische Sommerzeit war Sam erlöst. Er hatte sämtliche Untersuchungen hinter sich gebracht. Auch das erweiterte Elektroenzephalogramm, das nicht nur die Hirnströme aufzeichnete, sondern gleichzeitig, über Computer, die Wechselwirkungen der Gehirnhälften untereinander, sowie die Aktivitäten der einzelnen Hemisphären des Gehirns zueinander darstellte.

Wieder auf der Straße stehend, blinzelte er in die, hinter der St. Judas-Kirche untergehende Sonne und atmete auf.
Längst war es wieder Essenszeit gewesen und weil Sam ganz deutlich spürte, daß ihn der Hunger binnen kurzem zur Strecke bringen würde, wenn er nichts dagegen unternahm, setzte er sich zügig in Bewegung. Ein Restaurant wollte er jetzt aber nicht betreten. An seinem hochroten Kopf würden die anderen Gäste sicher sofort einen, ihnen in den Kram passenden Zustand Sams, ablesen können. Und deshalb besuchte er auch nicht die Kantine im Polizeigebäude, die rund um die Uhr geöffnet hatte. Ihn zog es zu Murtl. Vielleicht war nach der Verköstigung der lieben Kleinen noch etwas für ihn übriggeblieben.

Außer dem Hauptkommissar setzte sich noch etwas, vom Staatlichen Kontrollamt aus, in Bewegung. Der Behördenapparat arbeitete heute ausnahmsweise einmal – ganz im Gegensatz zu den Mühlen Gottes und im Gegensatz zu seiner sonstigen Gewohnheit – sehr schnell. Ein hastig vervollständigtes Dossier verließ das Gebäude in Richtung des „PÜV“, des Psychologischen Überwachungsvereins, mit Hauptsitz in Peking. Brisante Fälle wurden immer direkt in Peking entschieden. Neben der, über 3000 Seiten umfassenden Personalakte, mit sämtlichen, gesammelten Informationen über Herkunft, Familie und sexuelle Vorlieben des Kaspar Gleich, enthielt es den neuesten, amtsärztlichen Befund.

Testperson: Hauptkommissar Kaspar Gleich, Chef des Mordde-
zernats Münchhausen.
Geboren: Am 13. 3. 2013, in der Nähe von Schmalzkirchen /
Niederalpkreis.
Körpergröße: 181 Zentimeter.
Statur: Untersetzt, sportlich, durchtrainiert wirkend, kleiner
Bauchansatz.
Gewicht: 92 Kilogramm.
Haarfarbe: Braun ( graumelierte Schläfen ).
Augenfarbe: Blaugrau. Unausgeschlafen bis träumerisch wir-
kender Blick ( hohe Stressempfindlichkeit muß be-
fürchtet werden ).
Nase: Moderne Stupsnase.
Hautfarbe: Weiß.
Gesichtsform: Oval, faltenarme, sehr weiche Züge, kein schma-
ler Mund.
Verhältnismäßigkeit des Gesichts: Dissonant, zuungunsten der
Kauregion ( Verdacht auf
Anti-Wall-Street-Syndrom ).
Schädelkapazität: Ganz genau 1999 Kubikzentimeter ( gefährli-
cher Bereich ). Gehirnwindungen gleichmä-
ßig, dicht und stark ausgeprägt.
Neuronen: Große Anzahl, stark vernetztes Gewebe ( Befürch-
tungen aller Art sind daher angebracht ).
Geschätzter IQ: Nicht ermittelbar, da Testperson wenig ko-
operativ. Scheint uns jedoch für eine verant-
wortliche Stellung zu hoch. Eine Rückstufung
zum subalternen Dienst wird dringend empfoh-
len.
Blutgruppe: AB, Rhesus positiv.
Besondere äußerliche Kennzeichen: Keine.
Sonstige Auffälligkeiten: Testperson neigt offensichtlich zu hys-
terischen Tranceanfällen, die auch
durch starke, elektromagnetische Belastung
auftreten können.

Schlussbemerkung: Keine fest in sich gefügte Persönlichkeit. Unterliegt permanenter Selbstkritik = Gewissen. Ungeeignet für geheimdienstliche Aufgaben. Ebenso für politische, militärische, sowie kirchliche Ämter. Wegen vermutet großem Ideenreichtum ist der Testperson dringend abzuraten sich an Philosophisch-wissenschaftlichen Forschungsprojekten zu beteiligen, oder auch nur eine Zulassung für derlei Arbeiten zu erwerben. Zum Glück liegen dafür aber bislang auch keine Zertifikate vor.

Nun – die Behörde wollte eben gründlich vorgehen.
In ein paar Stunden würde das Dossier in Peking, an Bord einer Überschall-Transportmaschine des Militärs, ankommen. Dann würde man weitersehen. Inzwischen würde Kaspar Gleich, noch Hauptkommissar und Chef des Morddezernats, weiterhin zuverlässig naiv in die Zukunft blicken. Dies war das Mindeste, was man von ihm erwarten konnte und dieser einen Erwartung wenigstens würde er uneingeschränkt gerecht werden ( dachte man ).

Trotz der starken Hungergefühle entschied sich Sam für einen Fußmarsch zu Murtls Domizil, das circa 7 Kilometer vom Staatlichen Kontrollamt in einer malerischen, Kleingärtnersiedlung lag. Wie sehnte er sich jetzt nach dem geborgenheitsverstrahlenden Idyll seiner Beinahe-Familie. Nach dem niedlichen Holzhäuschen mit dem Schindeldach und dem kleinen Gärtchen dahinter, nach all den Krautsköpfen und den gelben Rüben darin und den bescheidenen Blümchen dazwischen. Sogar nach dem schlampig wuchernden Unkraut sehnte er sich und überhaupt war er jetzt genau in der sentimentalen Stimmung, in der er gewöhnlich bereit war etwas Unüberlegtes zu tun.

Der Mond war aufgegangen, die gold’nen Sternlein prangten am Himmel hell und klar. Der Weg lag schwarz und schweigend und Katzen streunten – wunderbar.
Nach knapp zweieinhalb Stunden kam er an.
Murtl empfing ihn etwas unwirsch. „Was hast du bloß wieder angestellt, du alter Egoist? An uns denkst du wohl gar nicht!? Aus heiterem Himmel schneist du hier rein um mich zu ficken, weil dir gerade danach war, und dabei schleppst du mir noch die Bullen vom Sicherheitsdienst ins Haus“.
In ihrer Erregung vergaß Murtl, daß Sam selbst Bulle war, aber das störte sie nicht. „Ein sauberes Früchtchen bist du!“ brüllte sie. „Und was willst du jetzt noch?“
„W-was zu essen, wenn du noch was übrig hast“, stammelte Sam, der sich glatt überfahren fühlte, kleinlaut. Doch Murtl hatte ein weiches Herz. „Komm in die Küche!“ grollte sie gebieterisch. „Hier, nimm die Schüssel. Das haben die Kinder stehenlassen. Du hast Glück, wie immer. Mich entschuldigst du jetzt bitte“.
Mit diesen Worten ging sie ins Schlafzimmer um ihr Haushaltsgeld aufzubessern. Sam wußte was sie tat. Er musste es akzeptieren und er akzeptierte es gern. Für das kleine Haus, sein winziges Appartement in der Innenstadt und die 5 Kinder hätte sein Gehalt, nach Abzug der Steuern niemals gereicht. Aber auch Murtl hatte ein Recht auf Wohlstand, wie alle Menschen. Außerdem erfüllte sie mit ihrer Nebentätigkeit eine wichtige, soziale Aufgabe. Eine Aufgabe, die mithalf, das Verbrechen wenigstens ein klein wenig einzudämmen. Nichtsdestoweniger musste er jetzt an sich selbst denken.
Er nahm die Schüssel und setzte sich an den Tisch. Das einfache Gericht war natürlich längst kalt geworden. Aber ein Löffel steckte noch drin. Sam begann ohne Appetit zu essen, während der Vollmond durch das Küchenfenster herein lachte. Ungewollt stiegen ihm Tränen in die Augen. Wie glitzernde Diamanten tropften sie, im schwachen Schein der Küchenlampe und dem gleißenden Mondlicht in seine Schüssel mit
Hafergrütze.


(c) Sur_real
Madonna!
deine Sternlein tanzen mir abwechselnd auf Zwerchfell und Tränendrüsen herum! Aber da ich weiß, dass die sich nie entscheiden ( welch grausam Wort ) werden, lass ich sie hüpfen und mich von dir gern in andre Welten lüpfen.

könntseuermannaselbergsuffolaf
Olaf
*rotfl* Danke Freund
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