Gleis fünf
Alles ist so laut um mich herum. Es rattert und der Boden, auf dem ich stehe, vibriert. Ich habe Angst. Ich habe so große Angst, dass ich schon ein paar mal unter mich gemacht habe. Es stinkt inzwischen. Aber ich stinke sowieso. Den Gestank nehme ich schon gar nicht mehr wirklich wahr.Ich würde gerne weggehen. Aber ich kann nicht. Meine Beine sind schon ganz taub. Ich muss mich anstrengen, auf meinen gefühllosen Beinen zu bleiben. Wenn sie mir wegknicken, falle ich auf die Schnauze, denn ich kann sie nicht bewegen.
Meine Haut juckt und brennt. Aber ich kann mich nicht mal kratzen.
Ich habe so großen Durst. Aber selbst, wenn es hier etwas gäbe, ich könnte nicht trinken.
Ich will heim! Ich will einfach nur nach Hause. Wo sind sie denn hin? Warum bin ich hier allein?
Mein Kopf ist ein einziger Aufschrei. Aber ich kann keinen Laut von mir geben.
Wo seid ihr alle?
Warum habt ihr mich allein gelassen?
Ich habe Angst!
Ein schrilles Pfeifen.
Das Vibrieren lässt nach. Kommt zum Stillstand.
Alles ist auf einmal still.
Ich bin ganz allein.
Allein.
Allein.
(Der Briard wurde von der Bahnpolizei in einem Abteil gefunden.
Er war an die Sitzbank gekettet.
Pfoten und Schnauze waren mit Tape zusammengeklebt.
Bei uns im Tierheim angekommen mussten wir das Tier erst mal ganz sanft scheren, um das Klebeband und die Maden im Fell zu entfernen.
Der Hundebub (cirka 2 Jahre alt) war völlig verstört.
Wieder aufgepäppelt wurde dieser sanftmütige Traumhund nach nur 3 Monaten in ein gutes Heim vermittelt.)