Der Wunschhändler – Die Geschichte - 6
Kapitel sechs: Kreis© Nisham 07/2012
Fortsetzung von:
Kurzgeschichten: Der Wunschhändler – Die Geschichte - 5
Mit einem weiteren Blick in die Runde nimmt der Wunschhändler Abschied. Sie alle werden sich Zeit lassen, um zu gehen. Einer nach dem Anderen. Erst wenn oben die Eingangtür zuschlägt, darf der Nächste gehen. Auch daran halten sie sich.
Ich bin schon vorher herausgeschlüpft und habe mich wieder draußen – es ist stürmisch, kalt und der Regen peitscht – in meine Nische zurückgezogen und beobachte den Abgang der Vierundzwanzig.
Viola und Sintra sind die Letzten die gehen. Viola ist nur wenige Dutzend Schritte gegangen, dann stehen geblieben. Sie schaut sich um, als suche sie etwas, oder jemanden. Sintra geht in die selbe Richtung. Viola hat wohl auf sie gewartet. Interessant. Ich verliere die beiden Frauen nicht aus den Augen. Meine Neugierde treibt mich an. Ich folge ihnen.
Ich versuche dem peitschenden Regen möglichst wenig Gelegenheit zu geben mich zu durchnässen. So bin ich ziemlich überrascht, als mir Viola und Sintra entgegenkommen und mich von beiden Seiten an den Armen packen. Ich schaue sie verblüfft an, doch bevor ich etwas sagen kann, meint Viola: „Dürfen wir dich zu einem Drink einladen?“ Ich nicke nur. Mir kommt der Gedanke, dass der Wunschhändler den Beiden einen Floh ins Ohr gesetzt haben muss. Ohne weitere Worte gehen wir los; ich zwischen zwei Frauen.
Wir landen schließlich in der Bar meines Hotels. Natürlich versuchen die Beiden ihre Neugierde im Zaum zu halten und keine allzu offensichtlichen Fragen zu stellen. Wir üben uns in small-talk.
Als Viola von einem kurzen Abstecher auf der Toilette zurückkommt ändert sich die Stimmung schlagartig. Sie hält mir ihre linke Hand hin, die Handfläche direkt vor meinem Gesicht. „Was ist das?“ fragt sie und deutet mit ihrem rechten Zeigefinger auf einen etwa münzgroßen Kreis mittendrin. So ähnlich, wie eine Handlinie, doch der Kreis ist nicht vollkommen, ihm fehlt ein kleines Stück, ein kleines Kreissegment.
Ich sage kein Wort, doch Sintra schaut nun ihrerseits in ihre Hand und schreit leise auf. Denn auch ihre Handfläche ist derart gezeichnet.
Beide Frauen starren mich an. Fast gleichzeitig ergreifen sie meine linke Hand, noch bevor ich sie zurückziehen kann. Der doppelte Aufschrei ist unüberhörbar. Ich versuche nicht, meine Hand zurückzuziehen, sondern sage nur leise: „Lasst uns auf mein Zimmer gehen, dieses Gespräch können wir hier nicht weiterführen.“
Mein Hotelzimmer ist geräumig, es hat sogar eine Sitzecke mit bequemen Sesseln. Kaum sitzen wir, nehmen mich Sintra und Viola regelrecht in die Zange. Sie packen gleichzeitig meine linke Hand und starren in die Handfläche. Sie legen ihre Handflächen daneben und vergleichen.
„Also“ beginne ich: „der leicht offene Kreis in euren Handflächen ist das Zeichen eurer Seele. Nur fehlt ihr nun ein kleines Stück.“ „Aha“ ertönt es fast einstimmig. „Und was ist das in deiner Handfläche?“
Fortsetzung folgt