UNVERGESSEN
Herbert Widmer war ein unauffälliger Mann mittleren Alters. In jener klaren Nacht Ende Juli fuhr er kurz nach dreiundzwanzig Uhr auf seinem klapprigen Töff an den letzten Häusern vorbei aus dem Dorf hinaus. In seinem Kopf rauschte etwas zuviel Averna. Er fuhr angespannt. An der Kreuzung rechts vom Alberbach standen zwei Polizisten. Der ältere schnippte seine Zigarette weg. Widmer fuhr ohne Licht. Sie hielten ihn an.
„So, wen haben wir denn da?“ Der jüngere baute sich vor ihm auf. Widmer spuckte zu Boden. Der ältere lachte: „Hoppla, da hat einer etwas zuviel Temperament!“ Dann wieder der jüngere: „Stellen Sie den Motor ab.“ Widmer blickte ihm ausdruckslos auf die Stirn. „Hallo, haben sie Schüblige in den Ohren?“ doppelte er nach. Widmer stellte den Motor ab. Seine Augen wurden eng. Langsam rieb er an seiner Nase. Die war gebrochen. Der ältere Polizist grinste gutgelaunt.
Dann ging alles sehr schnell. Widmer zückte sein Butterfly Messer und stach zweimal zu. Präzise. Der grinsende Polizist sank röchelnd zu Boden. Der andere starrte entsetzt auf den Mann mit dem blutigen Messer in der Hand. Widmer starrte ungerührt zurück.
Der Polizist sabberte Speichel auf seine Uniform. Er merkte es nicht. Widmer näherte sich ihm mit der Hand und wischte den Speichel weg. Sehr fürsorglich. Dem Polizisten blieb der Mund offen stehen. Widmer packte ihn am Nacken und fuhr ihm mit der Zunge in den Mund. Der Polizist würgte und brach zusammen. Er lag wimmernd am Boden. Im Blut seines Kollegen. Kotzte. Widmer trat ihm leicht in den Arsch.
„Auf die Knie!“ Der Polizist zog sich zusammen. „Auf die Knie, hopp!“ Widmer trat ihn fester. Zitternd stellte der Polizist sich auf die Knie. „Hosen runter.“ Der Polizist blickte auf. Wie ein Hund, der nicht verstand. Widmer wischte mit einem Taschentuch das Blut vom Messer und klappte es zu. Der Polizist zuckte. Und schon war das Messer wieder offen, ganz nah an seinem Ohr. „Wenn du’s behalten willst, dann zieh dir jetzt sofort deine Hosen runter.“ Der Polizist tat wie ihm geheissen.
So ragte sein weisser Arsch in die Nacht. Widmer betrachtete ihn. Sehr sachte streichelte er mit der Messerklinge über die Haut. Der Polizist schauderte. Dann haute Widmer zu. Mehrere Male schnell nacheinander. Der Polizist stöhnte auf. Er war jung. Er war unerfahren. Es war seine erste Nachtschicht. Er hatte sich darauf gefreut. Er war ein Mann. Er wollte es allen zeigen. Und nun lag er da wie ein winselndes Stück Scheisse, bedroht von diesem Mann. Diesem Mann...
Auf einen Schlag dämmerte es ihm. Das ist doch der Hilfsarbeiter, den sie immer gehänselt hatten. Genau, Herbert Widmer, den sie fertigzumachen so lustig fanden. Weil er schwul war. Stockschwul. Auch schon in Frauenkleidern gesehen wurde. Heimlich, in der Nacht, damals. Und nun stand der über ihm und haute ihn. So wie sie ihn früher gehaut hatten.
Dass ausgerechnet sein Fusstritt Widmer die Nase gebrochen hatte, war ein blöder Zufall. An jenem Abend, als er nackt baden war im Alberbach ausserhalb des Dorfes. Sie hatten ihm aufgelauert, waren über ihn hergefallen. Sie hatten ihn bespuckt, mit Füssen getreten, in seinen Bauch, seine Beine, und dazwischen. Dabei hatte er die Augen verdreht wie ein Heiliger. Dann traten sie ihn ins Gesicht. Und er traf ihn präzise mit dem Absatz seines schwarzen Stiefels. Mitten in die Fresse. Es knackte. Widmer wurde ohnmächtig. Das war nicht mehr lustig. Sie warfen seine Kleider in den Alberbach und rannten lachend davon. „Schwule Sau, schwule Sau.“
Nun schlug diese Sau ihn.
Plötzlich wurde der Polizist sehr wütend. Er stand abrupt auf. Damit hatte Widmer nicht gerechnet. Der Polizist verpasste ihm einen Kinnhaken. Der sass. Widmer taumelte und fiel beinahe über das Schutzmäuerchen ins Weizenfeld. „Du schwule Sau du!“ Der Polizist hatte immer noch die Hosen unten. Sein Schwanz stand im vom Körper ab. Er sah es. Gleichzeitig wie Widmer. Und diesen Moment nützte Widmer aus. Er fand sein Gleichgewicht wieder und stach zu. Mitten in den Bauch. Einmal. Das genügte.
Der Polizist keuchte. Widmer drehte ihn um und warf ihn auf das Mäuerchen wie einen Sack. Er öffnete den Hosenladen und fuhr seinen Schwanz aus. Direkt in den weissen Arsch des Polizisten. Der brüllte. Widmer rammte weiter. Nach fünf Mal kam es ihm. Eimerweise. Darauf war er immer stolz gewesen. Auf seinen Liter Sperma, der wie eine Fontäne sich ergiesst. Egal wohin. Dieses Mal auf den weissen Arsch des Polizisten.
Dieser lag bewegungslos über dem Mäuerchen. Widmer wendete ihn auf den Rücken. Sein Glied war noch nicht erschlafft. Widmer kniete nieder und nahm es zärtlich in den Mund. Saugte daran, liess es gehen, saugte es wieder ein. Seine Lippen murmelten etwas. Geifer tropfte aus seinem Mund. Dann liess er es los. Er rieb sich die Augen.
Widmer stiess den Polizisten an. „He, heimgehen, Bettzeit!“ Er wollte lachen. Doch da kam nichts. Er packte den Polizisten an den Schultern, richtete ihn auf. Dieser starrte ihn aus leeren Augen an. Widmers Hände zuckten zurück. Der Polizist fiel auf die Strasse. Wo er tot neben seinem verbluteten Kollegen liegen blieb.
Widmer stieg auf seinen Töff und fuhr davon. Vielleicht hätte er nicht die ganze Flasche Averna leeren sollen. Er war müde und wollte nur noch schlafen. Der Besuch bei seiner dementen Mutter hatte alle seine Kräfte in Anspruch genommen. Sie hatte ihn nicht mehr erkannt. Doch sie hatte immer zu ihm gehalten. So etwas vergass Widmer nie.
Zwanzig Jahre ist es her, seit er das letzte Mal in seinem Dorf war. Was für ein Zufall, dass ihm ausgerechnet der Kevin heute begegnete. Dass der mal ein Polizist wird, hätte er nie gedacht. Ein Polizist war. Genau. So ist es halt mit dem Leben. Eines Tages ist es vorbei. Und seines hat nie wirklich begonnen.