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ReiseberichtErde 13 - Letzter Teil

ReiseberichtErde 13 - Letzter Teil
500 m Luftlinie von Sams Lager entfernt taumelte Zuffi durch die Straßen, die jetzt in regem Verkehr lärmten. Viele Leute machten sich auf den Weg zum brennenden Slumhügel, andere versuchten - einen Weltuntergang vorausahnend – ihre Habseligkeiten aus der Stadt zu befördern. Inspektor Greifzu fand das ausgesprochen lustig. Immer noch den Tanzschritt der Polonaise in den Beinen, sang er „tschackatschackatam, tschackatackatam“. Am liebsten hätte er neue Tanzgruppen gebildet. Aber die vielen Verkehrsteilnehmer waren zu sehr mit der Befriedigung ihrer momentanen Bedürfnisse beschäftigt. Sie nahmen ihn kaum wahr. Von Zeit zu Zeit gelang es ihm jedoch, sich einen der Passanten herauszugreifen und zu küssen. Erstaunlicherweise versuchte er dabei vorzugsweise Frauen zu ergattern. Doch sein Ziel lag nicht im Küssen, er wollte seinen Freund und Vorgesetzten Kaspar Gleich einen Besuch abstatten. Es gab etwas überaus Wichtiges mitzuteilen: Ich habe eine Erscheinung gehabt. Das wollte er Sam gestehen. Zuffi war sich sicher Zeuge eines Prozesses geworden zu sein, der gewöhnlich nur abstrakt, als schriftliche Botschaft, mitzuverfolgen ist: Einer göttlichen Offenbarung. Das Schicksal höchstpersönlich, so meinte er, habe ihm ein Zeichen gegeben, indem es zwei Übeltäter zu leuchtenden Fanalen eines Lebensgefühls machte, das vielen nur aus ihren heimlichen Tagträumen bekannt ist. Und in Anbetracht seines Geisteszustandes war es erstaunlich, daß er damit unbedingt recht hatte. Der reinen Intuition folgend vermutete er Sam zu Hause. Doch damit hatte er nur bedingt recht.

Als er an Kaspars Wohnungstüre ankam – und sogar den, ihm zu treuen Händen überlassenen, Nachschlüssel in der Hosentasche fand, ging er ohne Umschweife hinein. Hauptkommissar Gleichs Deckenlampe schien einen Wackelkontakt zu haben, denn im Zimmer wurde es abwechselnd hell und dunkel. „Hey, altes Haus“, rief Zuffi erfreut, „heute hast du aber wa.....“ Er stutzte. „Was soll das, du bist ja noch verrückter als ich“, staunte er und suchte schleunigst das Weite. Denn auf dem Bett ging Sams helle Gestalt wie eine Glühbirne mal an, mal aus. Mal war er da, mal nicht. Inspektor Greifzus Verstandesreste erwiesen sich als in keiner Weise geeignet eine solche Denksportaufgabe zu bewältigen.

Inzwischen erläuterte ein gespenstischer Informant, der von jenseits allem Erfahrbaren kam, Sam, daß er für seine Aufgabe als Hauptkommissar nur einen Bruchteil seines Verstandes gebraucht habe. Die überwiegende, freie Kapazität seines Geistes sei immateriell, als Energiezustand, unterwegs gewesen. Möglich sei dies durch seine Transformation hier, in einer fernen Galaxis geworden. Im Kontinuum „Milchstraße“ habe sich seine Identität schließlich geteilt. Das weitaus größere Gewicht seiner Persönlichkeit sei nicht in den hiesigen Zeitablauf integrierbar gewesen. Die Überschreitung der Lichtgeschwindigkeit um ein Vielfaches, während seiner Anreise, habe ein Übriges dazu getan seine Scheinschizophrenie zu gewährleisten. Eine komplette Anpassung sei also gar nicht denkbar gewesen. Seine Doppelexistenz war geplant. So konnte er einerseits – unter Beibehaltung seines alten Wissens – einfache, menschliche Erfahrungen erringen und andererseits die eingeborenen Individuen bei ihrer kreativen Selbstfindung unterstützen. Die Bekennerbriefe seien nichts weiter als der Ausdruck seines, für hiesige Verhältnisse, phänomenalen Durchblicks gewesen.

Stunden vergingen in dieser quälenden Zerrissenheit in der Kaspar Gleich manchmal den einen, den irdischen, manchmal den anderen, den außerirdischen Kaspar verkörperte, dann erschien riesengroß – wie auf einer Filmleinwand – eine Zahl vor seinen Augen, deren Blickfeld ohnehin nur mehr eine Art Filmleinwand war:
10!
Gleich darauf erhöhte sich die Menge der auf ihn hereinstürmenden utopischen Visionen erheblich. Im selben Maß wurden sie, für Normalsterbliche, unverständlicher.
„Was tust du da?“ sagte eine Blondine neben ihm im Bett, als Sam sie, mit Augen und Händen, eingehend betrachtete. Die Dunkelhaarige lachte. „Ich ermittle“ antwortete er wahrheitsgemäß und frech. „In Sachen Lebenslust“...
„Wir haben eine Verpflichtung, allem intelligenten Leben gegenüber“ dachte er, zu seinen Helfershelfern gewandt, die mit großen, schwarzen Augen zu ihm aufblickten. Es gibt hier sehr viele Fortpflanzungsgemeinschaften, unendlich viele Erbinformationen. Auf diesem Planeten dreht sich – im intelligenten Bereich der Schöpfung - alles nur um die kleinkarierte Besitzstandsvermehrung innerhalb von Paarbildungen...
„Halte dich ran, du hast keine Freunde“, belehrte ihn sein Vater...
Es erschien die Ziffer:
9!
„Hab keine Angst, deine 24 Stunden sind vergangen“. Weiche Gesänge aus dem Nirgendwo umgaben ihn sanft. Musik, wie die aus dem Kernspintomographen drang an sein Ohr. „Wo ist meine Mutter?“
8!
„Deine Mutter ist unsere Mutter, wir haben in der Regel kein Geschlecht. Bei uns gibt es nicht Eifersucht und Rivalität“. Sam konnte die Wesen bereits sehen, die mit seiner zweiten Identität Kontakt aufnahmen...
7!
Jetzt schwebte er frei im Raum. Hinter ihm sah er seine irdische Mutter in einem Meer aus Blüten verschwinden, vor ihm kam das Licht einer futuristischen Halle auf ihn zu...
6!
„Es ist von der Sonne gespeist und wird von der Außenhaut bis in die tiefsten Winkel geleitet. In der Produktionsstätte der Nahrungspilze ist es gedämpft“.
5!
„Wir werden geliebt weil wir außer Konkurrenz lieben. Aber unsere Liebe ist eine andere: wir fördern uns gegenseitig“.
4!
Die ungeheure Geschwindigkeit in die sich Kaspar Gleich, das Wesen aus einer anderen Welt jetzt versetzt fühlte, raubte ihm alle Kraft noch etwas deutlich zu empfinden.
3!
„Ahhhhhhh!“ Hier, zwischen allen Dimensionen, im Überraum, konnte er/es sich nur noch dem Willen einer ...
2!
...immer bekannter werdenden Technik fügen.
1!
Dann schoß er auch körperlich auf ein Sternensystem zu in dem es mehrere blaue Planeten gab.
0!

Zuffi, der sich aus intuitiven Gründen, oder aus denen seiner geistigen Verwirrtheit entschlossen hatte, doch noch einmal umzukehren, wunderte sich über alle Maßen. Was ich gesehen habe kann doch nicht mal ein Irrer glauben, hatte er sich gesagt.
Gerade, als er Hauptkommissar Kaspar Gleichs Appartement betrat, hörte er ein Geräusch wie von einer Zentrifuge. Dann sah er etwas, was er unmöglich gesehen haben konnte: Ein lebendiger Mensch löste sich in Luft auf! Und gleichzeitig roch es ein wenig nach verbranntem Fleisch.
Auf Sams Bett schimmerte eine seltsame Substanz durchsichtig und grünlich.
Bei der späteren forensischen Untersuchung im Kriminaltechnischen Institut ergab sich, daß es sich um das handelte, was jeder Mensch, während seiner ganzen Reise durch das Leben, mit sich trägt. Es war in etwa die Gesamtsumme aller bakteriellen Parasiten und Krankheitserreger, die sich tagtäglich zwischen unseren Zellen und in ihnen bewegen: Eine stattliche, trüb-durchscheinende Masse, die ungefähr 6,66 kg schwer war und aussah wie
Götterspeise.



















Nachlese


Auf ihrer Reise durch das Universum, welches sich immer noch ausbreitet, durchmisst Gaya, die wunderschöne Mutter Erde, alljährlich viele Millionen Kilometer. Dabei macht sie Erfahrungen. Mit uns reift sie zu einem Ort höchster Erlebnisenergie heran, die auf ihren Erfahrungen beruht. Und durch uns entwickelt sie Geschicke und Geschicklichkeiten, die in den unendlichen Weiten, in denen sie ein Staubkorn ist, sicherlich einzigartig sind. Die Bedeutung jeder einzelnen Individualreise darf also nicht unterschätzt werden. Milliarden Reiseberichte gehen im Zeitverlauf ein, der sie auf die große Rolle gesammelter Eindrücke hinter den Sternenhimmel schreibt. Von dort aus gelingt es Zukunftsprogramme zu entwerfen an denen etwas ganz Wesentliches von uns aktiv mitgeschrieben hat: Unsere Fähigkeit Positives zu wollen. Was es letztlich genau war, wird es, in seinem vollen Umfang, immer für uns sein...
Aber lassen wir dem, für unser Empfinden, virtuell gewordenen, Geist Kaspar Gleichs, dem begnadeten Ermittler, Hauptkommissar der Mordkommission von Münchhausen, genannt Sam, die letzten Worte. Was würde er uns, mit verschmitzten, schwarzen Augen aus seinem Kontinuum wohl herübergerufen, herübergedacht haben? Nun, vielleicht hätte er sich, um besser verstanden zu werden, einen unserer großen Dichter zum Vorbild genommen und gemeint:


Ein langes Band aus Zeitabschnitten
hat deine Seelenkraft durchglitten
und deine Botschaft ist zu lesen –
du bist du selbst, ein „Ich“ gewesen.


(c) Sur_real
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