Soßenheini, II.Teil
Immer diese Scheiß-Mittagessen, immer diese Scheiß-Sonntage.
„Schmeckt’s guad, Michi?“, fragt seine Mutter und legt ihm noch einen Knödel auf. Noch ein Bier wär ihm lieber.
„Hast no an August?“, fragt er, aber innerlich braut sich schon wieder dieser Ohrwurm auf.
Renitenzen, Renitenzen, not the very first time – er stellt sich vor, wie sich Madonna um einen Olivenbaum wickelt und sein Schwanz rührt sich wieder, das macht ihm gleich bessere Laune, aber der Ohrwurm nervt trotzdem, immer dieser Scheiß-Song.
Seine Mutter bringt das Bier. Schenkt ein. Schaut ihm beim Essen zu.
Renitenzen, Renitenzen…der Ohrwurm wird lauter, denn seine Mutter hat wieder ihre Bleikristall-Minuten. Heirat. Enkelkinder. Haus. Baum. Lebenslang.
„Wos is jetzad mit dir und der oana da?“
„Nix“, sagt er und schluckt ein Stück Schweinsbraten ohne zu kauen runter. Ganz kurz nur, wirklich ganz kurz, im Vorübergehen sozusagen, da war die Idee, sie zu überraschen, sie – Scheiß-Idee, blöde Kuh. Er stellt den Ohrwurm lauter.
„Schod“, sagt seine Mutter. „War doch a Fesche.“
„Hm“, brummt er, noch zwei Stück Knödel, dann noch a bissl rumhängen, dann abhauen.
„Aber mei neue Nachbarin, woaßt, des is a Italienerin, mei backt die guad!“
„Lass guad sei, Mama“, sagt er und tunkt den letzten Knödel in die Soße. Er lacht, er lacht, weil er an die andere Soße denken muss und an Curry und Wurscht denken muss, und seine Mutter freut sich. Sie lacht auch.
„Des musst du unbedingt probieren. Unbedingt!“
„I bin satt“, sagt er und ihm tut schon der Bauch weh und immer dieses Kaffee und Kuchen Ritual gleich nach dem Mittagessen, das hängt ihm alles so zum Hals raus.
Doch seine Mutter geht zur Wäschekammer und holt eine große weiße Schachtel heraus.
Kuchen aus der Wäschekammer?, denkt er.
Renitenzen, Renitenzen –Madonna bearbeitet ihre Titten –
like the very first time. Nein, denkt er, dieses Mal nicht. Dieses Mal esse ich diesen Liebesbeweis nicht. Er will fast laut mitsummen. Sein Schwanz ist hart.
Seine Mutter holt einen Kuchenteller und einen Heber und klatscht einen Riesenbatzen von der Schachtel auf seinen Teller.
„I mach da no an Kaffee, gell?“, sagt sie. „I kimm glei wieda.“
Mit dem großen Löffel zerdrückt und zermatscht er diesen braun-gelben Batzen.
Renitenzen, lalala la – like the very first time. Er schaut auf die Decke, ein Katapult, denkt er, oben ins reine Weiß, neben den Holzbalken, große braune Flecken, er lacht. Einmal probieren, denkt er, einmal probieren. Er nimmt einen Bissen auf den Löffel, spielt mit dem Löffel, lässt ihn hin- und herschwingen, schaut nach oben, schaut auf den Löffel, lacht, und steckt ihn dann in den Mund.
Weich, süss, herb, bitter, wie eine Frauenbrust, der Speichel läuft ihm zusammen, er braucht nichts tun, nichts tun, gar nichts tun, nur schlucken, einfach nur schlucken. Wahnsinn. Er nimmt noch einen Bissen und noch einen.
„Guad gell, Michi?“, sagt seine Mutter. „Und sie kommt a zum Kaffee. Sie kommt a.“
Da klingelt es an der Haustür.
Verdammter Scheiß, denkt er, wann hört das endlich auf, wann sieht sie das endlich ein.
Doch dann schiebt seine Mutter eine Rothaarige ins Wohnzimmer, bei der ihm die Augen übergehen. Ferrarirot, Katzenaugen, in einem Kleid, dass an ihr pappt wie fließender Honig und nichts verhüllt, nicht ihre großen und nicht ihre, sein Schwanz schnellt hoch.
„Siegst, Michi, des is die Marietta. Die backt doch echt guad“, sagt seine Mutter und mit ihren Augen signalisiert sie ihm, los, aufstehen, begrüßen, sag was.
Ihm bleibt die Spucke weg. Aufstehen ist nicht, Mama, denkt er. Er grinst. Ich hab ja viele Unfähigkeiten, denkt er, aber nicht beim Equipment.
„Hallo Marietta“, sagt er. „Sitz di her.“