Schlangengleich
Hey Sie! Was? Woher kommt die Stimme? Ich drehe mich etwas irritiert um, die Türklinke schon in der Hand, und sehe wie sie mit lange, schlanken Fingern nach mir winkt. Der Lockruf eines Engels! Mist, ich habe den Mund noch voll. Was war das noch? Eins dieser Leberwurst-Canapees? Ich hatte gar nicht so genau darauf geachtet als ich danach griff. Hat einen starken Beigeschmack von Bärlauch. Egal, schnellst möglichst nach unten gewürgt und den Rest Lauch aus den Zähnen gezuzelt. Leicht schwankend mache ich mich auf ihr meine Aufwartung zu machen. Was sie wohl von mir will? Hoffentlich habe ich nicht zu viel Grappa erwischt. Man will ja schließlich eloquent und nicht angetrunken wirken. Ich lächele, das wirkt sympathisch!
Halloooo! Mit gaaaaaaanz viel O. Allein schon ihre Stimme treibt meine Testosteronproduktion in ungeahnte Höhen. Der Körper, verhüllt von einer Offenbarung in türkisgrün – Aaargh, schlagartige Mundtrockenheit befällt mich. Doch am meisten liebe ich ihre Bewegungen. Wenn es in diesem Leben wirklich Wiedergeburten gibt, dann war sie eine Schlange. Es fehlt nur noch das sie „vertraue mir“ flüstert und beim Sprechen mit ihrer kleinen, rosa Zunge, leicht zischelnd an ihre perlweißen, perfekten Zähne stößt.
Aber irgendwie ist der Weg zu ihr so weit. Woher kommt die Musik? Radio? Wer hat heute noch Radiomusik als Hintergrund, aber Motörhead und „born to lose“, finde ich doch ein wenig irritierend. Ungewöhnliche Playlist. Etwas streift mein Gesicht. Ich wische es weg. Eine Spinne hat sie sich von der Decke abgeseilt. Nachlässiges Personal! Aus den Augenwinkeln sehe ich wie ein Dompfaff sich die noch windende Spinne schnappt. Wie bitte? Was geht hier vor?
Sie winkt noch immer. Jetzt aber seitlich, ein Mann im weißen Anzug eilt heran. Bestimmt bestellt sie ein Glas Champagner beim Herren in Livree. Doch als mein Hirn die faszinierenden Bewegungen ihrer Lippen dekodiert dringt ein “schnell eine Bahre“ in meinen, irgendwie trägen, Verstand. Ich taumele obwohl ich doch gar nicht so viel Alkohol getrunken habe. Uups, ich muss aufstoßen. Schmeckt irgendwie nach Zwiebel. Hoffentlich stört sie das nicht! Da breche ich in die Knie. Wie groß sie ist! Hmmh, ist ja gar kein Kleid, sondern ein Hosenanzug. Hatte ich irgendwie raffinierter in Erinnerung. Ach ja und die Schuhe gehen auch gar nicht. Grüne Crocs die wie in einer Zoomfahrt immer größer werden. Lustig ist das!
Eigentlich riecht Linoleum wirklich ekelig wenn man das Gesicht daran presst. Warum mache ich das? Ich fühle mich ein wenig unwohl, hätte doch diesen Blumensalat nicht essen sollen! Grünzeug ist nichts für Männer. Herbstzeitlosen - nie wieder!
Ah, da ist meine Königin. Ihr Gesicht direkt über meinem. Ihre Lippen so nah. Wie schön sie „er kollabiert“ sagt. Ich weiß jetzt auch wie sie heißt, Dr. med. Brockmann. Komischer Vorname!