Heim_weh
"Liebschen" schrieb er. "Liebschen, am Montag kann ich auf der Rückfahrt aus dem Urlaub bei Dir vorbeikommen. Was meinst Du dazu?"
"Liebschen"?! Normalerweise sträuben sich mir beim Gebrauch von Kosenamen sämtliche Nackenhaare und der, der zu mir "Schatz", "Süße", "Spätzle" oder "Baby" sagt, weckt Renitenzen, deren Folgen unabsehbar berechenbar sind.
Aber
"Liebschen" weckt Assoziationen an zuhause - an Teenagerliebe, Spaziergänge am Rhein, lange Abende in den schummerigen Partykellern der Siebziger, schüchterne erste Küsse unter den gebrochenen Lichtstrahlen, reflektiert von der großen Discokugel über unseren Köpfen
"Liebschen" ist der Universalbegriff rheinischer Sympathie - anwendbar auf jeden Menschen, der einem begegnet - warmherzig, zugewandt aber auch Sarkasmus pur, wenn "Liebschen" zurechtgewiesen werden muss.
"Liebschen" ist Musik in meinem Ohren, Honig auf meiner Zunge
"Liebschen" schmeckt nach Himmel unn Äärd und Currywurst und einem Kölsch
"Liebschen" muss nicht die Unfähigkeiten tarnen, keine Liebe empfinden zu können
"Liebschen" hat aber auch nicht die Nüchternheit eines schnellen Ficks in einer Wäschekammer
"Liebschen" ist keine Madonna - ist weder Hure noch Heilige, aber "Liebschen" gehört für den Moment, in dem Du dieses Wort aussprichst, ganz Dir
"Liebschen" trinkt einen guten Wein auch mal aus einem Plastikbecher und braucht kein edles Bleikristall zur Spiegelung ihrer Eitelkeiten
"Liebschen" ist unprätentiös
"Liebschen" ist ewig wie das Holz eines uralten Olivenbaumes aus dem Hain Gethsemane - und vergeht doch wie der süße Schmerz der Jugendzeit, und eh sie sich versieht, ist "Liebschen" eine alte Schachtel, die in ihrer Heimat trotzdem von allen "Liebschen" genannt werden würde
Ja - "Schätzelein"! "Liebschen" wird da sein und auf Dich warten und sich darüber freuen, dass Du Ihr einen Hauch von Heimat mitbringen wirst
und dann wird "Liebschen" wieder durch die Weiten des Internets irren - auf der Suche nach Heimat, auf der Suche nach Liebe, auf der Suche nach sich selbst