Dienstschluss
Hastig schlüpfte sie in den viel zu großen Frotteemantel, versteckte ihre kleinen, gepiercten Titten, nach oben gedrückt durch einen glitzernden Hebe-BH, versteckte ihre makellose Haut, ihre langen bestrumpften Beine, ihren silbernen offenen Slip, ihren Bauchnabel, der ein Sonnentatoo zeigte, schnell und hastig, den blauen Frottemantel zu. Sie setzte sich vor den Schminkspiegel , löste die Verschlüsse ihrer Sandaletten, schüttelte sie ab, massierte ihren Spann, wackelte mit ihren Zehen. Sie zog ihre falschen Wimpern ab, betränkte einen Watteball nach dem anderen mit Babyöl und löste ihre ganze Schminke, Lage für Lage trug sie ab, bis ihr Gesicht ein glänzendes reines Etwas war, jedem auch ihr selber fremd. Aber ein schönes Gesicht ist ein Kapital, und heute war Zahltag, heute bekam sie ihre Zinsen. Dann löste sie die Haarklammern, eine nach der anderen, und endlich, löste sich auch der Knoten in ihrem Gesicht, und ihre Haare, ihre langen lockigen Haare fielen wie die Nacht von ihr ab.
Da kamen die anderen Mädchen, kichernd, lachend, ein Sektkorken knallte. „Wahnsinn, Perla, ungeschminkt siehst du ganz anders aus“, „Kann ich Deine Schuhe haben“, „Und wer bekommt Deinen BH“, „Brauchst Du die Strümpfe noch?“
Perla verteilte, verschenkte, gab her, unter dem Frottemantel zog sie die Arbeitskleidung aus, schlüpfte in eine graue Leggins, ein weißes Unterhemd, einen grauen weiten Pulli, Birkenstock.
Lizzy schlug mit ihrer Gabel gegen das Glas, einmal, zweimal, dreimal „Ruhe, Mädels!“ Mit Lizzy hatte es die Natur etwas zu gut gemeint. Sie hatte von allem viel zu viel, doch sie bewegte sich gut, sie stöhnte lustvoll und laut, der Boss ließ sie immer nach Perla auftreten, die Mischung macht’s, sagte er immer. Noch schlimmer war vielleicht Ilona dran. Ilona hatte zwar einen sehr schönen Körper, perfekte Beine, doch ihr Gesicht, roh und plump, schiefe Zähne, eine schlecht verheilte Narbe auf der linken Wange, ein herunterhängendes Auge. Ilona trat immer mit einer Gasmaske auf. Diese spukhässliche Gasmaske und ihr schöner, fitter, schimmernder Körper, die Augen der Gäste hüpften fasziniert vom einen zum anderen, so dass sich Perla sicher war, sie hätte auch ohne auftreten können. Doch davon wollte der Boss nichts wissen.
„Kann ich deine Schminke haben?“, flüsterte Ilona ihr zu. Wenn das der Boss wüsste, würde er ausrasten, Verschwendung hatte nur auf der Bühne was zu suchen, sagte er immer, aber Perla drückte Ilona kurz und nickte.
„Wir haben alle gesammelt“, sagte Lizzy, „Wir wünschen Dir viel Glück, vergiss uns nicht.“ Noch ein Prosecco, dachte Perla, noch einer, und alle drücken, und dann der Scheck vom Boss, und dann bin ich hier durch.
Es dauerte dann doch zwei Gläser, zwei Gläser, und Beteuerungen, Beteuerungen die sofort wieder vergessen wurden, Perla sah wie die beiden neuen Mädchen sich um ihren Schminktisch zankten, ihre Sachen verschwanden in vielen bunten Schubladen, nur das Plakat, das Plakat an der Tür, das blieb wohl noch eine Weile.
Endlich konnte sie ins Büro gehen, der Boss sah sie prüfend an, kein Wort zu viel, wie es seine Art war, gab ihr den Scheck, dann stand er auf und begleitete sie zur Tür.
„Warte!“, schrie Lizzy, als sie gerade aus der Bar gehen wollte. „Das hab ich noch vergessen. Soll dir Glück bringen.“
Ein kleiner glitzernder Fisch, Perla lächelte. Dann trat sie in den Morgen, und ging. Sie konnte den kleinen, leichten Flügelschlag in ihrem Bauch fühlen. Sie drehte sich nicht um.
„Ob wir sie wohl jemals wiedersehen?“ fragte Lizzy.
„Die meisten kommen wieder“, sagte der Boss und schloss die Tür.