Das Ziel ist der Weg
Lange wartete er schon. Dicht aneinander gedrängt, in Reih' und Glied mit den Anderen. Sie hatten Tage im Wartebereich ausgeharrt. Es kamen immer mehr dazu. Wie viele mochten sie wohl sein? Hunderte, Tausende oder gar Millionen?Hatte er sich dazu eigentlich freiwillig gemeldet? Er konnte sich nicht mehr daran erinnern. Er war sehr aufgeregt. Wohin würde sie diese lange Reise führen? Es schien bald loszugehen, denn es wurde Proviant verteilt.
Mit einem Ruck öffneten sich die Tore und die Vordersten machten sich auf den Weg. Am Anfang schien es ziemlich fröhlich zu sein, denn er vernahm ein Juchzen und Jauchzen.
Als er durch den Torbogen schoss, erblickte er eine Art Wasserrutsche. So wie sie heutzutage modern sind, mit angenehm warmen fließendem Wasser und einer Überdachung, wodurch der Eindruck entstand er würde durch einen Tunnel sausen.
Was war das da vorne? Sollte es hier schon zu Ende sein, an dieser Klappe? Nein, sie öffnete sich zu einem weiteren Weg. Er gelangte ohne Probleme hindurch. Gleichzeitig mit vielen Anderen. Weiter, immer weiter führte ihn die Rutsche, immer weiter bis zur nächsten Etappe. Nun kam der Tunnelausgang, der ihn in eine veränderte Umgebung führte und ihm im ersten Moment den Atem nahm.
Die ungewohnte Umgebung raubte ihm und seinen Mitläufern Energie, es ging nun langsamer voran. Das nächste Hindernis war in Sichtweite: Vor ihm lag ein großer Schlammsee, den es zu durchqueren galt. Er fasste allen Mut zusammen und betrat den Schlamm. In ihm kamen Zweifel hoch: würde er es schaffen? Er hatte nicht gedacht, dass es so schwer sein würde.
Doch es gab Verlierer, Solche die es nicht geschafft hatten; er schleppte sich an den jammernden Körpern und Leichen vorbei. Nein, so wollte er nicht enden, biss die Zähne zusammen und nahm die zweite Hälfte des Schlammsee in Angriff. Er hatte es geschafft und den See überquert und überlebt. Es hatte ihn viel Kraft gekostet, aber er lebte noch, die Hälfte hatte es nur geschafft.
Das Licht wurde immer schwächer und er musste seine Augen sehr anstrengen um überhaupt etwas zu erkennen. Er stand am Eingang dieser riesigen Höhle und überlegte, ob er den linken oder rechten Ausgang nehmen sollte, was hatte doch der Chef nochmal gesagt? Ihm fiel es nicht mehr ein, er konnte sich nicht richtig konzentrieren und griff nach seinem Proviant. Das brauchte er jetzt bevor es den Berg hinauf ging.
Der Weg war ziemlich steil, es drohen hohe Verluste. Wie auf einem unsichtbaren Weg wurde er zum linken Ausgang gezogen. Er war nicht allein. Einige nahmen den Weg zum rechten Ausgang. Er folgte aber seinem inneren Trieb und folgte den Anderen auf dem linken Weg.
Es blieb weiterhin beschwerlich auf seinem Weg. Alles so unbekannt. Als er den neuen Ausgang erreicht hatte wurde ihm bewusst, dass er immer noch nicht am Ziel angekommen war. Aber bald; wenn er das Ende dieses Tunnels erreicht hatte, dann noch einen letzten Kampf und er würde es geschafft haben. Er zapfte seine letzten Energiereserven an.
Er betrat den Tunnel. Beinahe wäre er gestürzt, dieses Gras unter seinen Füßen hatte ein Eigenleben; in rhythmisch wiederkehrenden Bewegungen schlug es ihm entgegen, wollte ihn zurück in die Höhle drängen. Viele seiner Kameraden hatten nicht mehr genügend Kraft und verendeten im Gras.
Ihm wurde vor Anstrengung schon fast schwarz vor Augen, als er das ersehnte Ziel erblickte. Er riss sich zusammen, wollte er doch der Glückliche sein, der als Erster am Ziel ankam. Nun war er da, sah vor sich diese riesige Kugel. Davon hatte der Chef gesprochen!
Einige seiner Kameraden versuchten schon durch die Wand der Kugel zu kommen und auch er versuchte es. Er hatte einen kleinen Bohrer mitgebracht, mit dem er sich an der Wand der Schale zu schaffen machte. Es gelang ihm ein kleines Loch zu bohren; er vergrößerte es und schlüpfte hindurch. Die Schale schloss sich sofort hinter ihm. Kein Anderer würde mehr eindringen können, allerdings hatte ihm dies einen Teil seiner Ausrüstung gekostet.
Wundersames geschah mit ihm in dieser Kugel. Er wird vollkommen ausgezogen und in seine Bestandteile zerlegt; vereinigt sich, verdoppelt sich um sich dann wieder zu teilen und immer wieder neu. In einem rasanten Tempo und unter drehenden Bewegungen geht es den Tunnel zurück zur Höhle, in der sie zum Ruhen kommen. Die Kugel klammert sich an der Wand fest. Hier verbringt sie die nächsten Monate.
(C) majberlin im August 2012
(with a little help from a friend)