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Der Berg

Der Berg
~ Der Berg ~


Ich war mal wieder mit einer Gruppe Städter unterwegs. Wie meist, ziemlich anstrengend. Aber meine Familie konnte gut davon leben. Und ich verdiente Geld, mit etwas, das mir am Herzen lag. Kompromisse gehörten eben dazu. Wie eben auch an diesem Tag mal wieder.

Am Liebsten hätte ich ja eine der Damen gleich wieder nach Hause geschickt, bei dem Schuhwerk, das sie an den Füßen trug. Ihr Mann schien aber ein ziemlicher Alpha-Hampel zu sein. Der Tag würde also wohl ganz spannend werden, so ab halber Höhe. Und eine Gefahr sah ich nicht voraus. Der Rest der Gruppe schien wenigstens eine grobe Ahnung zu haben, was sie erwarten würde.

Um 7.30 ging es los. Einmal kurz noch alles gecheckt. Passende Klamotten dabei, Regenjacke, genügend Wasser? Also gut.
Gemütlich liefen wir los. Der Einstieg in den Tag führte uns in ein Hochtal hinein. Für fast 2 Stunden genossen wir den sanft ansteigenden Pfad, und wie er sich an einen sehr idyllischen sich schlängelnden Bergbach anschmiegte. Die Luft waren heute morgen noch sehr. Und ihre Kühle schien erregend auf alle zu wirken. Viel Palaver verlor sich hinter mir in den Winden. Langsam, fast unbemerkbar, zog ich das Tempo an.

Wie wunderbar dieser Teil der Strecke immer war. Konnte ich doch meine ganz eigene kleine Sozialstudie über Menschen dabei vornehmen. Und heute war eben ein ganz besonders interessanter Tag. Nicht nur wegen der Dame mit Schuh, sondern vor allem auch wegen der sehr sportlichen und attraktiven Mittdreißigerin, die wohl als fünftes Rad am Wagen mit 2 der Paare unterwegs war. Gleich zu Beginn hatte ich schon gespürt, dass dies eine freie Frau war, ein Weib, die das Feuer der Sehnsucht in sich längst entdeckt hatte. Eine Berührte. Ich hatte ihr die Aufgabe der Nachhut zugeteilt.

Eine Mischung aus natürlicher Kriegerinnen-Autorität und sensiblem Herzenswesen war immer gut, um eine Gruppe von hinten zu pushen, aber um gegebenenfalls auch zu spüren, wenn es für jemand wirklich zu anstrengend wurde.

Langsam tauchte unser Ziel vor Augen auf. Eine wahre Schönheit, wie er da immer mehr vor uns aufragte. Eine wahre Pracht. Über Geröllfelder kämpften wir uns serpentinenhaft an seinen Fuß heran. Die Gruppe hielt durch. Auch dank Stina, die allein schon wegen ihrer Ausstrahlung eine vorwärtstreibende Wirkung auf uns alle hatte.

Als wir am Rand des Kammes ankamen, der uns nun weiter nach oben führen würde, ließ ich uns eine Pause machen. Ein herrlicher Anblick lag unter uns. Es war eine Landschaft voll traumhafter Rundungen, herrlicher Furchen und andeutungsvoller Weite, Die Meisten atmeten zwar schwer, aber schienen noch voll des Willens, den Weg weiter zu gehen. Den Gipfel konnten wir ja aber schließlich auch schon beeindruckend majestätisch vor uns sehen.

Mein Sorgenpaar war allerdings schon ziemlich am Limit, da es vor allem für sie sehr anstrengend war, und ihre Füße am Liebsten gestreikt hätten. Doch er konnte es natürlich nicht zulassen. Und seine Frau vor wirklichem Schaden zu schützen, dazu reichte seine Alpha-Männchen-Hampelei einfach nicht aus. Ich ließ die beiden einfach machen. Denn mir schien weiterhin keine wirkliche Gefahr in der Luft zu liegen. Mit den anderen ergaben sich ein paar kurze, teils mit lustvollen Lachern gespickte Gespräche. Mir war also klar, dass ich es mit der ganzen Gruppe wagen konnte.

Die herrliche Flanke, deren Grat wir nun betraten, um weiter nach oben zu streben, sie verjüngte sich - ihrer Natur gemäß - von unten her nach oben. Als Stina nur wie beiläufig erwähnte, wie sie eine entspannende Frische und jugendliche Kraft in sich aufsteigen spürte, hier oben, da war mir voll klar, dass wir uns verstanden hatten.

Dann kam die letzte kleine Kuppe. Eine kleine Ebene tat sich vor uns auf. Und der Gipfel, wie in greifbarer Nähe. Noch wenige Meter nur. Da stieß die Dame mit dem schlechten Schuhwerk plötzlich einen schmerzerfüllten Schrei aus. Ihr Fuß war umgeknickt. Und zwar richtig übel.

Wir machten also Rast. Ich gab ihr etwas Salbe, um sich damit einzucremen. Dann verband ich ihr den Knöchel und versuchte sie zu beruhigen. Ihr Mann schien innerlich am Kochen. Lag doch der Gipfel vor uns, doch schlug die Stunde plötzlich etwas anders für ihn. Rollengefängnis eben. Er konnte eh meist nicht daraus ausbrechen. Und hier schon gleich gar nicht. Dafür sorgte die Gruppe - mit ihrer nicht sichtbaren Präsenz.

Als ich anmerkte, dass das letzte Stück keine halbe Stunde mehr dauern würde, stellte ich zu meiner Überraschung fest, dass keiner mehr wirklich auf den Gipfel wollte. Irgendwie schienen alle gottfroh, dass der kleine Unfall passiert war. So konnten sie ihren eigenen Unwillen mit etwas Mitleid und Beistandsverpflichtung kaschieren, und sich hier ausruhen. Bis auf Stina natürlich.

Schnell sprachen wir uns ab. Die Gruppe erlaubte uns, den letzten Anstieg voll zu zweit vorzunehmen. Das Wetter schien aber auch wie gemacht dafür. Kein trübes Wetter, dass heute noch aufziehen würde, kein klatschender Regen und kein Sturm, der uns erst rauf, oder uns alle, später dann, eventuell wieder ins Tal runterpeitschen könnte. Nein, einfach Sonnenschein.

Der Ausblick war herrlich. Die Befriedigung, über das Getane, kam einer inneren Woge aus Lust gleich. Wir unterhielten uns ganz entspannt über dies und das. Sie war sehr angetan von der Art, wie ich über meine Frau und meine Kinder sprach. Mich faszinierte ihre wilde und ungezügelte Art. Auch wir lebten eben unsere Kompromisse. Aber wir lebten. Das allein zählte.

 
Der Abstieg war alles andere als "lustig". Ich denke, er war für einige sogar sehr lehrreich. Doch ist dies nicht die richtige Stelle hier, um darüber zu berichten, was die Dame mit dem verletzten Knöchel und ich gesprochen haben, während ich sie den größten Teil des Weges nach unten auf dem Rücken trug. Auch nicht, ob sie ihren Mann zu beider Wohle wirklich verlassen hat. Und erst recht nicht, ob Stina uns jemals besucht hat, um meine Familie kennen zu lernen. Aber für manche Dinge im Leben muss man eh nach oben, in den Himmel schauen. Denn vieles steht eben bisher nur in den Sternen geschrieben.
 


thru F_H 08/12



Anmerkung: Inspiriert durch den Wochenbeitrag auf http://www.gatzanis.de/blog/ … hoehepunkt-im-schreiben.html
Eine schöne Geschichte!

Hast du vielleicht auch andere Worte als immer wieder "herrlich"?
Ups!
Gigantische, berauschende, karamb'öse, betörende, exquisite, fabelhafte, unglaubliche und zudem endgrassgeile DANKE Grüße @****am...

...für diesen "Eh, Sprung in der Platte, oder was?" Hinweis!

Ist wahrlich nicht mein dauerschleifenwiederholender, eigener Anspruch an mein einzigartiges, unvergleichliches, faszinierendes und seines Gleichen suchendes Schreiben *zwinker*...

...if ya' know, how I meant this now!

Werde mich darin üben, mehr Achtsamkeit walten lassen

*danke*


F_H
Never mind, F_H, I know how it is... We only can get better...
"herrlich" geschrieben...
ich mag geschichten, deren ende mich regelrecht ärgert... - wenn so vieles offen bleibt...

ein spontanes "menno" - und dann muss ich grinsen - richtig so..

greetings - tragedy
prüfend
*********tMut Frau
2.123 Beiträge
Schön, man spürt die klare Bergluft... hier in der flachen Heide. *g*
Aah...
@**********retary

...du meinst also in etwa "wie eine steife Brise, die in subtropische Gefilde eindringt" *zwinker*


F_H
Jo!
Auch ich bin mitgewandert. Bis auf den Gipfel und habe gerne in die andere Richtung geschaut!
*******inde Frau
42.251 Beiträge
Doch ist dies nicht die richtige Stelle hier, um darüber zu berichten, was die Dame mit dem verletzten Knöchel und ich gesprochen haben, .....

soll da heißen, der Abstieg kommt noch ???
Abstieg?
@******lin

Mmmh - mit viel zusätzlicher Fantasie könnte man natürlich eine Umsattel-Geschichte daraus machen... *smile*

Aber ein paar Dinge dürfen wohl einfach in den "Bergen" bleiben - solange es nicht unser Zivilisationsmüll ist!


F_H
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