Sonntagnacht
Müde von einem langen Tag gehe ich zu Bett und lösche das Licht. Die Kinder schlafen bereits friedlich, der Hund liegt schnarchend zu meinen Füßen und auch mir wollen endlich die Augen zufallen.Ein Geräusch wie ein Raunen, das stärker wird, reißt mich aus meinem Schlaf. Das Raunen verstärkt sich zu Worten, zunächst unverständlich, doch immer deutlicher werdend:
„Sieg heil! Heil, mein Führer, ich kämpfe für deine Visionen!“
Zuerst denke ich, einer der Nachbarn hätte sein Radiogerät zu laut aufgedreht, doch als ich aus dem Fenster sehe, erkenne ich keine zehn Meter von mir entfernt einen Mann auf dem Balkon gegenüber. Die Rechte hat er zum Gruß erhoben.
„Sieg heil!“
Ich bekomme eine Gänsehaut. Die Stimme wird immer lauter und mein Hund schlägt an.
„Halt’s Maul, du Judenhund, sonst komme ich rüber und drehe dir den Hals um!“
„Mama, wer schreit da so?“ fragt plötzlich meine Tochter hinter mir, während sie das Licht anknipst.
„Licht aus, sofort!“ zische ich ihr zu. Und ziehe sie schnell vom Fenster weg.
Doch der Mann hat uns am Fenster gesehen und schreit:
„Euch elendes Kanakenpack schieße ich aus Deutschland raus!“
Jetzt wird mir fast übel vor Angst…
Wir schreiben das Jahr 2012.
Die Polizei wird später feststellen, dass es sich um einen harmlosen Betrunkenen handelt, vor dem niemand etwas zu befürchten hat.
Auch wenn sich die Hakenkreuzschmierereien an den Hauswänden und die volksverhetzenden Schriften in den Briefkästen der Anwohner häufen.
© Rhabia 10.09.2012