Claudia II – Das Warten
Mittwoch, wieder morgens, im Büro.„Und? Hat er jetzt endlich angerufen?“
„Nein“, erwiderte Claudia mit einem Lächeln, dem die Peinlichkeit und die schwindende Hoffnung anzumerken war.
„Aha. Also doch ein Arschloch.“
„Glaub ich nicht. Der meldet sich schon. Er hätte es mir ja sonst auch sagen können, das hatte ich ihm ja durchblicken lassen.“
„Ach komm, Claudia“, meint Birgit. „Wie lange kennen wir uns jetzt schon? Zwölf Jahre, wenn ich richtig liege. Wir haben uns bisher immer Alles erzählt und ich glaub ich kenn Dich besser als Dirk Dich kennt, also! So redest Du normalerweise nicht, da muss es Dich schon echt erwischt haben. Ich mach mir schon ein wenig Sorgen, muss ich sagen. Der wollte Dich poppen, sonst nix. Und dass das Partymotto „Römerfest“ seinen Teil dazu beigetragen hat, war mir schon klar, als ich Dich in Deiner Kostümierung gesehen habe. Warum konntest Du nicht wie ich als normale Römerin gehen? Warum musste es „die Sklavin“ sein?“
„Weil ich eben auch mal wieder jemand kennen lernen wollte, meine Güte!“ entfährt es Claudia. „Und sooooo aufreizend war das ja dann auch wieder nicht. Soooo viel Haut hab ich gar nicht gezeigt.“
„Aber die Handschellen und Deine aufgemalten Striemen am Rücken? Das war schon leicht frivol-provokant, oder?!“ erwidert Birgit.
„Du hast Sie mir doch selber aufgemalt, Birgit! Dir haben die Peitschenhiebe doch angeblich so gut gefallen! Soooo realistisch hast Du sie hingekriegt und so weiter und so fort, wenn ich Dich erinnern darf!“
Die beiden schweigen sich an. Rühren ihren Kaffee um. Birgit sieht Claudia an, Claudia Birgit. Plötzlich fangen sie lauthals zu lachen an.
„Du Doofteil!“ lacht Claudia.
„Selber Huhn!“ gluckst Birgit. „Naja, der wird sich schon melden. Sag mal“, wieder ernster, „bist Du eigentlich deshalb so schnell auf ihn eingegangen? Wegen Deines Outfits? Glaubst Du, Du hast Dich da unbewusst in eine Rolle reinversetzt und die nach der Party noch weiter gespielt?“
„Weiß ich auch nicht. Aber ich hab mal gehört, dass sich Leute, die sich zum Beispiel ihre Karnevalskostüme aussuchen, diese gar nicht so willkürlich aussuchen wie ich gedacht habe. Da steckt anscheinend ein gewisser psychologischer Aspekt dahinter.“
„Du meinst, dass man sich die Kostümierung aussucht, um das leben zu können, was man in seinem Innersten gerne wäre? Hab ich auch schon mal gehört. Naja, wer weiß.“
Die Küchentür geht auf. „Meine Damen, wie sieht´s aus? Langsam an die Arbeit denken, es ist acht Uhr durch!“
„Alles klar, Dieter! Wir kommen!“ Beide lachen und machen sich auf den Weg in die Tretmühle.