Claudia IV - Er
Montagnachmittag, 17:00 Uhr. Er fährt im Auto heim, kommt in der Innenstadt durch den Feierabendverkehr in den Stau. Zeit, eine kleine Zwischenbilanz zu ziehen.
Es lief wirklich gut. Seit der Trennung seiner ersten und bis dato einzigen wirklich festen Sub waren immerhin gut drei Jahre vergangen. Er war lange nicht darüber hinweggekommen, auch nicht als starker Dom, es war einfach zu intensiv gewesen, um so einfach damit abschließen und neu anfangen zu können.
Im Innersten hatte er vielleicht sogar mehr gelitten als sie, obwohl er das niemals gezeigt hätte. Umso mehr freute er sich, dass er es immer noch konnte, die Rechnung war bisher wirklich gut aufgegangen.
Wie das klang! Als würde er spielen wollen! Die Rechnung! So ein Unsinn! Aber anscheinend war sein Blick immer noch geeicht für die potentielle Sub, eine junge Frau, die irgendwie formbar aussah, und das war Claudia definitiv. Er war keiner dieser selbsternannten Seelenficker, die ihr Spielzeug nach Gebrauch und VERbrauch achtlos wegwarfen und sich einen Dreck um die Gefühle scherten, leider gab es das natürlich auch, aber, seien wir doch mal ehrlich: was gibt´s denn nicht!
Nein, er wollte Liebe. Bedingungslose, gehorsame und tiefe Liebe. Und das Gute daran war: er konnte diese Liebe auch geben. Er wollte sich, genauso wie damals, wenn die seelischen Grenzpfähle abgesteckt sein würden, die Rollen klar definiert sein würden, dann wollte er sich genauso fallen lassen können. Genauso Mensch sein, ihr geben und von ihr nehmen. Das war sein Ziel: Claudia sollte zu ihm gehören, sollte, ja!, nennen wir das Kind ruhig beim Namen, ihm gehören, aber auf einer Basis von Absolutheit und gegenseitigem Respekt. Er wollte sie, irgendwann mal, soweit bringen, dass sie von sich aus sagen konnte: „Ja, ich bin Deine Sklavin, und ich bin stolz darauf! Ich bin eine stolze Sklavin, die ihren Herrn glücklich macht, weil ich das will und ich mich dann erhaben fühle, weil sich dann mein Herr erhaben fühlt.“
Dass Bestrafungen nicht ausbleiben würden, das war klar, das war nicht das Salz in der Suppe, das war die Suppe per se. Dass Arbeit und Geduld und bis zu diesem Stadium nötig sein würden, verstand sich von selbst. Aber er spürte das Potential bei ihr.
Natürlich: es hätte schiefgehen können. Als er sofort nach seiner Ansage aufgelegt hatte, hätte es sein können, dass sie ihm nicht – wie er es verlangt hatte – nackt die Tür geöffnet hätte, aber das war ja gerade der Kitzel, das war ja genau die geile Spannung gewesen, die er auf dem Wege zu ihr die ganze Zeit gespürt hatte: würde sie mitmachen? Und sie hatte mitgemacht!
Sie war dagestanden, vor ihm, unsicher lächelnd, in all ihrer nackten Schönheit, und er war zum ersten Mal ein klein wenig stolz auf sie gewesen, hatte gefühlt, dass der Weg, den sie nun beide eingeschlagen hatten, der Weg war, den er für sie beide vorgesehen hatte und sie anscheinend bereit war, diesen Weg mit ihm zu gehen. Sie brauchte nur seine Hand, und die würde er ihr mit Freude reichen.
Sie hatte keine Fragen gestellt, die Woche zwischen ihrem ersten und dem zweiten Treffen war kein Thema gewesen, und genau das hatte er gewollt! Und sie hatte diesen heimlich gedachten Wunsch von ihm erfüllt. Er hatte ihr seine Gefühle nicht gezeigt, war selbstverständlich eingetreten, dann war die Tür ins Schloss gefallen und der Nachmittag war zum Abend und der Abend war zur Nacht geworden.
Seine leichten, dann festeren Klatscher und sein Betatschen, sein Ziehen und Beißen hatte sie lustvoll aufgenommen, seinem festen Griff um ihr Genick war sie nicht mit Verkrampftheit begegnet, sie hatte sich packen lassen, htte sich leidenschaftlich hingegeben und es war ein wirklich guter Abend, eine gute Nacht gewesen.
Doch wie weit konnte er nun als Nächstes gehen? Das war jetzt die Frage. Er wusste, er hatte sie bereits so gut wie sicher in seiner Hand, aber genau jetzt war Vorsicht geboten. Er musste austarieren, was als Nächstes kommen sollte. Es durfte nicht noch einmal das Gleiche werden, er musste Abwechslung bringen. Und zwar bald. Was war zu tun?
Die Idee war die Öffentlichkeit. Ja, sie musste mit ihm in die Öffentlichkeit und dort wollte er herausfinden, wie sie sich verhielt.