@SinasTraum
Das alles und noch viel mehr läuft unter dem Motto "
Der Morgen verging wie Softeis auf der Kühlerhaube".
Es will künstlerisch-ambitioniert sein, ist aber leider nur ein Haufen leerer Worthülsen, teilweise inhaltlich und/oder stilistisch und/oder grammatikalisch nicht einmal korrekt.
Mein Tipp an Dich: bemüh Dich nicht so sehr, besonders tiefgründig und kreativ zu sein. Heraus kommt etwas unfreiwillig Komisches.
Niemand kann blassgeschminkt fragen, was hat Blues mit Pipigestank zu tun und wie im Himmel fühlt sich gärende Butter unter Sauerkohl? Und vor allem: will ich das wirklich wissen?
Erzähl, was Du erzählen möchtest, mit Worten, die man so auch tatsächlich verwenden würde.
Erst noch mal danke, daß Du Dir die Zeit nimmst, die Texte zu lesen
und zu kommentieren.
Klar, hätte ich auch schreiben können:
Sie war blaßgeschminkt und fragte ihn....
"Jemand hat den Blues" sagt man ja z.B. wenn man Geld, Partner
oder Job verloren hat, und in der Geschichte empfindet der Protagonist
halt die Lebensumstände der Junkies als noch schlimmer, und als
er dann einen Uringeruch wahrnimmt, empfindet er es als
Krönung dieser Umstände.
Na ja, das ist jetzt für mich ein bißchen so, wie wenn man einen Witz
erkären muß....
Deinen Kommentar
Der Morgen verging wie Softeis auf der Kühlerhaube".
lese ich nicht zum ersten Mal unter
Kurzgeschichten. Und deshalb frag ich mich, was ist gegen
Vergleiche, die beschreiben wollen, wie etwas auf einen
wirkt zu sagen?Klar, Vergleiche können hinken, wie man sagt,
aber generell sind sie doch ein probates Mittel, um drastische
Eindrücke zu beschreiben.
Ich hab mal ein paar rausgesucht (jetzt nur mal als Reaktion
auf Deine Anmerkung zur Sekundär-Literatur)
Ildiko von Kürthy:
„Meine Haare sehen aus wie eine zu recht umstrittene Dokumenta-Installation“
„Sein Lächeln machte sich vom Acker wie ein von einer Schrotkugel gestreiftes Kaninchen“
„Eine 17jährige, die nicht mehr wog als ein Magermilch-Joghurt“
„Ich sah aus, wie ein Überlebender von Lengede“
„Er sah aus wie Schweinchen Babe, als seine Mutter abgeführt wurde.“
Das Licht hatte die Farbe von Reiseübelkeit.
Die Backsteine der Straße bezogen heftige Prügel vom Regen.
Pratchett:
„Was?“ fragte eine Stimme, die in Misstrauen mariniert war.
Er setzte das Horn an die Lippen und verursachte ein Geräusch, das klang wie brennender Sand in einem fensterlosen Raum.
Er hörte Musik, die dazu bestimmt schien, das menschliche Gehirn in Schmelzkäse zu verwandeln.
....die Umschläge sahen aus, als ob sie aus recycletem Klopapier gemacht wären.
....die Worte waren so schön, als hätte jemand den Gedichthahn aufgedreht, und wäre kurz darauf in Urlaub gefahren.
...er sprach die Worte aus, als wolle er sie möglichst auf Armeslänge von
sich halten.
...Stille breitete sich aus wie warme Butter.
Nabokov:
...als wäre einem ein Spritzer Sonne und Meer unter die Lider geraten.
...lange bleiche Wimpern wie Silberfischchen...
...der Knabe war auf dem Weg, der in das freie geliebte Leuchten eines großen freien Feldes mündete, das von der Zeit nicht gemäht worden war...
...dem vibrierenden Umriß eines Gedichts verwandt...
T.C.Boyle
Der Regen prasselte wie der Trommelwirbel eines Spastikers
Der Nachmittag hatte sich gerekelt und gewälzt wie ein Hund auf seiner Decke.
...an ihren Lidern klebten Krümel von Lidschatten wie angeschwemmtes Strandgut.
...seine Stimme klang wie das leise Bullern eines LkW, der den Berg hinauffährt....
...Städtenamen quollen ihm über die Lippen, wie Fuseln aus einem Wäschetrockner
...ihre Stimme klang, als wenn man Schorf abkratzte...
ihr Augen wurden von einem Flussdelta tief eingegrabener Furchen und Falten verschlungen als hätte sie ihren Frohsinnsquotienten bereits aufgebraucht und müsste nun für jeden Lacher zahlen.
...Wasser.... so glatt und kalt wie gehämmertes Zinn...
...der Mond stieg auf...schmal wie ein abgeschnittener Fingernagel...
...deren Melodie wie der schleppende Tod in einer Metronomfabrik klang.....
...sich am Marterpfahl eines vergeudeten Nachmittags und der eigenen Verzweiflung windend....
...die Sonne war weich wie ein großer Klecks Butter...
...dem erblich offen stehenden Mund...
...ein Schrei, der wie ein wirbelnder Tomahawk die Luft durchschnitt.
...ein Gesicht zerknittert wie der Boden des Toten Meeres.
...sie klangen, als kauen sie beim Sprechen auf ihren Socken...
...sie spie den Namen aus, als hätte sie sich die Zunge daran verbrannt...
...er hielt inne, um ein wenig Kies in die Stimme zu legen...
...Augen, mit einer Farbe von Hühnersuppe, die über Nacht eingedickt war..
...sie war robust wie ein Hydrant
Carlos Ruiz Zafón:
...er sah düster und aufbrausend aus – wie ein Fluch im Sonntagsanzug
...ihre Miene hätte Bier gefrieren lassen können.
Marcel Proust
„Manchmal zog durch den Nachthimmel schon der noch nebelweiße, heimlich
glanzlose Mond wie eine Schauspielerin, die erst später auftritt und vom Zuschauerraum
aus in Straßenkleidung einen Augenblick ihren Kollegen zuschaut in dem Bestreben,
selbst im Hintergrund zu bleiben und nicht beachtet zu werden“
Tadeusz Zelenski
Im Hervorbringen von Tränen erreichte Frau S. die Intensität und Ehrlichkeit einer Zwiebel.
Pessoa
..das Mondlicht ist Farbe gewordene Schneeluft, in der laue, perlmuttfarbene
Fasern treiben, ein weißer Schatten, der sich verdunkelt, als schlössen sich Augen über dem unbestimmten Weiß.
Also, nichts für ungut, aber nimm mir bitte nicht die Lust
am "kreativen Schreiben" - denn das würde ich Dir
echt übel nehmen.
Abschließend noch ein Satz von Marcel Proust:
Jeder Schriftsteller muss sich seine eigene Sprache schaffen, wie jeder Geigenvirtuose sich seinen eigenen „Ton“ schaffen muss...
Die Untadeligkeit, die Vollkommenheit des Stils, die gibt es, doch jenseits der Originalität, nach der Durchdringung der Tatsachen, nicht diesseits. Die diesseitige Untadeligkeit „geheime Rührung“, „sonniges Gemüt“, „dieses schlimmste Jahr von allen“ -, das gibt es nicht. Die einzige Art, die Sprache zu verteidigen, ist, sie anzugreifen, ganz recht, Madame Straus!
Salute
lyricus