Das wahre Grauen
Heute zu Halloween war es wieder so weit. Mich überkam das Grauen. Das Grauen das sich hinter drei Wörtern versteckt. Subtil, einfach und doch so unabsehbar grauenhaft. Kennen sie Schrecken die kein absehbares Ende haben? Die sie Tag für Tag, Nacht für Nacht heimsuchen. Von denen sie zwar wissen das sie grauenhaft sind, aber von denen sie nicht wissen wie heimtückisch sie sie heimsuchen werden. Die sie immer wieder überraschen und gegen die sie machtlos sind. Drei Wörter die sie in ihrem Leben nicht sehen wollen, die aber immer wieder auftauchen. An verschiedensten Stellen. Zu verschiedensten Zeiten. Nicht kontrollierbar!„Neue verbesserte Formel“ so lautet mein persönliches Grauen. Sie tauchen auf Cremes, Duschgels, Lotionen oder Shampoo auf. Verstören und erschrecken mich. Erzählen von kommenden Leiden und vergangenen Qualen. Was würde ich dafür geben sie aus meinem Leben zu verbannen! Sie zeigen mir wieder, dass nur eins im Leben sicher ist – die Veränderung.
Wenn sich doch wenigstens wirklich Alles verändern würde, aber meine Neurodermitis bleibt. Sie quält mich schon an guten Tagen. Zeigt mir, dass Stress alleine nicht halb so schlimm ist wie seine Symptome. Sie juckt, beißt und quält. Jeden Tag ein klein wenig anders. Hier besser, dort schlimmer. Glühend juckende Stellen die ich bis aufs Blut zerkratze. Körperlicher und seelischer Schmerz der zu einem täglichen Begleiter wird.
Und dann sind sie wieder da – die drei Worte. Erinnern mich das jetzt wieder eine Zeit besonderen Leids beginnt. Ich habe es mit Verdrängung versucht. Habe Restbestände aufgekauft. Aber wie das Wort schon sagt, es sind Reste. Auch diese gehen irgendwann zur Neige. Dann stehe ich wieder vor der Regalen mit den Versprechungen „allergiegetestet, von Hautärzten empfohlen, besonders bei Neurodermitis geeignet“. Da wünsche ich mir das die alten Rezepturen weiter als „Klassik“ angeboten werden. Als Leidender weiß man sich glücklich zu schätzen wenn man passende Produkte gefunden hat. Produkte die lindern statt zu verstärken, oder die zumindest die Schmerzen, den Juckreiz, die aufbrechende Haut oder die nässenden Schwellungen nicht verschlimmern. Schließlich gibt es nicht nur eine Form der Neurodermitis, aber viele Formen der Qual.
In der Kette der beginnenden Tortur bin ich inzwischen schon glücklich wenn ich sofort eine Reaktion verspüre. Wenn z.B. der Juckreiz den die neue „verbesserte“ Salbe verursacht gleich eintritt. Denn es geht auch noch viel raffinierter. Es „scheint“ mit der neuen Salbe tatsächlich besser zu werden. Die Symptome bessern sich. Leider nur bis zum dritten Tag. Dann schlägt die Krankheit mit neuer Erbarmungslosigkeit zu. Dann werden aus juckenden Hautpartien, nässende aufbrechende Flächen. Dann zeigt sich rohes Fleisch statt schuppiger, juckender Haut.
Aber lassen wir das. Ich will sie nicht mit Details quälen. Will sie nicht verekeln. Glauben sie mir einfach das es eine weite Palette von Möglichkeiten gibt geschundene Haut noch weiter zu schinden. Leider gilt das nicht nur für Cremes, sondern jede Form von Pflegeprodukten. Ob Zahncreme, Shampoo oder Duschgel.
Dabei bin ich schon Experte im Lesen von Produktinhaltslisten. Wie wunderbar das es auch hier keine Standards gibt. Weder bei der verwendeten Sprache, noch bei den Abkürzungen. So kann ich ihnen erklären das Persea Gratissima nichts anderes als Avocado ist, oder Sodium Hydroxide deutlich weniger aufdringlich klingt als Natronlauge.
So werde ich wieder vor den Regalen stehen und hoffen einen Ersatz zu finden. Einen Ersatz der mein Leiden verbessert. An das Beenden will ich noch nicht einmal denken. Bis dahin werde ich wieder mehr Qualen erdulden müssen. Werde ich mich vor jedem Duschen, Cremen oder Haarewaschen fürchten, weil ich nicht weiß welche Folgen es für mich haben wird. So lange bis ich wieder etwas gefunden habe. Eines aus der Reihe von Pflegeprodukten das ich dauerhaft, ohne Leid verwenden kann. So lange bis ich wieder lese „neue verbesserte Formel“ und ich weiß dass das Grauen wieder zurück ist.