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"Bohlen, Dieter Bohlen!"141
Wie steht ihr zu Dieter Bohlen? Relikt der 80er Jahre?
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Dieter, Nachname unbekannt

Dieter, Nachname unbekannt
Dieter war im Stadtteil sehr bekannt.

Er hatte einen entzückenden Hund und verkaufte die Obdachlosenzeitschrift, immer freundlich, immer nett.

Früher soll Dieter eine Firma gehabt haben, ein Haus, eine Frau, ein Kind.

Das Kind starb, die Ehe ging kaputt und die Firma gleich mit.

Dieter saß auf einem Schuldenberg und ohne Wohnung da.

Zunächst ging es, er hatte noch gespartes Geld und konnte mit seinem Hund im Auto schlafen.

Dann war auch das Auto weg, Dieter schlief draussen.

Denn in die Obdachlosenunterkünfte liessen sie den Hund nicht hinein.

Einmal bekam Dieter eine Wohnung angeboten, aber er hätte den Hund nicht mitnehmen können.Da legte er seinen Nachnamen ab, er brauchte ihn nicht mehr.

Auf Nachfrage sagte Dieter, er hätte einen Polarschlafsack. Der sei immer warm.

Vorgestern sah ich Dieter zuletzt auf seinem Stammplatz stehen.

Ein Temperatursturz war vorhergesagt.

"Dieter, wo schläfst du?"

" Ich...weiss noch nicht. Es wird schon gehen, wie immer...".

Kurz hatte ich den Impuls ihn mit nach Hause zu nehmen. Aber für wie lange? Den ganzen Winter?
Dieter Morgens in meinem Badezimmer?

Etwas Aufmunterndes murmelnd ging ich weiter.

Gestern hörte ich Dieters Hund jaulen. Ich ging hin, Dieter schlief noch. Um 11 Uhr Morgens?

Ich ging hin und sah es sofort. Dieter hatte diese Welt verlassen.

Sein Herz hatte den Kälteeinbruch nicht überstanden, es war schon zu oft gebrochen gewesen.

Der Hund saß neben ihm, stubste ihn an und jaulte erbärmlich.

Dieters Zeitungskunden stellten Kerzen auf, gaben Interviews, in denen sie die Sozialpolitik kritisierten.

Wer ist die Sozialpolitik?

Ich hätte Dieter mit nach Hause nehmen können, ich tat es nicht.

Für den süßen Hund hatte sich bereits ein neuer Besitzer gefunden.

Die nächste Kältewelle wird kommen, wieder werden Menschen auf der Straße erfrieren. Mitten in Hamburg.

Und wieder werden wir Abends aus unseren Kneipen kommen, sie in den Eingängen liegen sehen und etwas beklommen nach Hause gehen.

Mitnehmen werden wir niemanden.

Die Geschichte hat mich wirklich gestresst, jetzt ist am Wochenende erstmal Sauna und Kosmetik angesagt.

Der Gesamtpreis? Hätte gereicht, um Dieter für 10 Tage ein einfaches Zimmer zu bezahlen.

Wieso fragen Sie?
eyes002
******ace Mann
15.981 Beiträge
Gruppen-Mod 
Ein
betroffen machender Appell an unser eigenes Sozialverhalten. Uff... ich überlege gerade, warum wir niemals jemandem helfen. 1 Euro in die Blechdose hilft nicht weiter...

Tom
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
Berührende Geschichte, die uns nachdenklich stimmen sollte ...

(Der Antaghar)
Ja, sehr berührend. Mitten im reichen Deutschland. Traurig, beschämend.
**********_stgt Frau
1.355 Beiträge
Ich kannte auch mal ...
... so einen Dieter, er hieß bei mir Jojo.

Kurzgeschichten: Jojo
Heisst immer noch,
oder?
**********_stgt Frau
1.355 Beiträge
ja, ...
... ihn gibt es noch!
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
Zu diesem Thema hab ich, auch passend zur Jahreszeit, eine alte Geschichte mal wieder "belebt":

Kurzgeschichten: Der vierte Mann

(Der Antaghar)
Ich arbeite mit Dieter,
Karli, Paule, Eddy ......
Sie kommen zu uns - manche bleiben irgendwann. Doch die meisten wollen nicht, solange es noch irgendwie geht. Normales bürgerliches Leben ist Feindbild, weil es zu nah an die traumatischen Erfahrungen führt, die sie auf die Strasse getrieben haben. Andererseits sehnen sie sich danach.
Um ihren Selbstwert zu schützen und um materiel zu überleben, basteln sich viele eine Opfergeschichte.
Ich kenne auch einige, die freundlich, ehrlich und offen nach aussen sind. Sie nehmen Hilfe an, so sie Vertrauen haben. Das bekommen sie nur, wenn man ehrlich und auf Augenhöhe mit ihnen bleibt.
Sie " mitzunehmen", braucht keine Angst zu machen.
Allerdings gibt es auch einige, die solche Hilfeangebote nicht schätzen. Entweder sie lehnen ab oder nutzen die Chance, sich von dem " Scheißbürgerlichen" ohne Rücksicht auf dessen Ansicht von Anstand und Besitzrechte zu nehmen, was sie wollen.
Vor meinem Job haben wir in unserer WG jeden übernachten lassen und zum Essen eingeladen. der geklopft hat. Etwa Zwei pro Woche. Zwei Drittel haben uns die Matratzen und Sofas verpisst und am nächsten Tag mindestens einen Tabak mitgehen lassen. Wir wussten das, aber es war uns egal.
Trotzdem verstehe ich die Angst von normalen Bürgern und will sie genausowenig für ihre Ängste verurteilen wie meine Jungs und Mädels im Heim.

Ärgern tue ich mich eher über Scheißstrukturen und Bürokratiehürden, wenn mal jemand wirklich da raus will. Genauso ätzend finde ich es auch, wenn einige Wenige sich ohne Gewissensbisse in der Öffentlichkeit aufführen wie der letzte Arsch und so die Vorurteile über wohnungslose Menschen verschlimmern, was dazu führt, dass diese sich weiter hinter ihrer Opferrolle verstecken können, z.B. mehr trinken, damit die Vorurteile bestätigen .......

Die Zeilen sind ein guter Nachruf auf einen Menschen mit tragischem Schicksal. Sie rühren das Herz des Lesers und passen jahreszeitlich. Vor Weihnachten rühren solche Gedanken besonders ans allgemeine Spenderherz, bzw. die Spenden beruhigen das schlechte Gewissen bis nächsten Advent.

Allerdings ist das wiederum nicht deine Verantwortung.
Dein Text ist gut und er kommt von Herzen.
Letzte U-Bahn
Vor einigen Jahren nahm ich einen Menschen mit nach Hause, der mir einfach leid tat. Er sprach mich schon an, bevor die Bahn einfuhr, weil er nicht wusste, ob er am richtigen Bahnsteig stand und dann wieder, als wir zufällig an der gleichen Haltestelle ausstiegen.

Er war in Not, weil er den Freund, bei dem er übernachten wollte, telefonisch nicht erreichen konnte keine Bahn mehr zurück fuhr. Außerdem hatte er sowieso kein Geld mehr der Tasche, um in die Stadt zurück zu fahren. Es war schweinekalt in dieser Nacht und ich brachte es einfach nicht über mich, ihn dort alleine zu lassen. Also bot ich ihm an, sich bei mir kurz aufzuwärmen und dann von mir zuhause aus immer wieder diesen Freund anzurufen.

Aus diesem „kurz“ wurde eine ganze Nacht. Anfangs war es etwas zäh. Er war unsicher und begriff nicht, warum ich so frei mit dieser Situation umging. Aber dann taute er auf und erzählte mir von seinem Leben. Er trank literweise Wasser und wurde immer wacher und munterer. Irgendwann in dieser Nacht kochte ich noch ein Essen für ihn und als ich ihn dann morgens bat, zu gehen, weil ich zur Arbeit musste, war er hellwach und nüchtern.

Er war heroinabhängig und hatte schon mehrere erfolglose Kuren hinter sich. Die nächste wäre bestimmt erfolgreich, meinte er. Ich glaube nicht daran. Vermutlich lebt er heute schon nicht mehr. Ich gab ihm etwas Geld mit, damit er wenigstens wieder in die Stadt zurück fahren kann.

Was mir als heftige Erinnerung bleibt sind seine Sätze zum Abschied an meiner Wohnungstür: „Als du mich mitgenommen hattest, dachte ich, du wärst völlig durchgeknallt. Wer nimmt schon einen Menschen wie mich mit? Ich hatte Angst vor dir. Aber dann wurde es die schönste Nacht, die ich seit Jahren erlebte.“

Es war ein einmaliges Erlebnis, das mich eher beschämt als stolz macht. Wie oft gehen wir an Menschen vorbei, die vielleicht wundervolle Menschen sind oder Menschen, denen Achtung gegönnt sein sollte?

Trotzdem fühle ich mich nicht schuldig, wenn ich vorbei gehe. Ich versuche, mein Leben zu leben, ohne anderen dabei zu schaden. Ist das verwerflich?

Diese Geschichte von Dieter bringt mich zum Grübeln.
****e_a Frau
583 Beiträge
stark
geschrieben. und grotesk. das ist es. mit dieter. danke für den beitrag. er rüttelt auf. und hält hoffentlich etwas an. bis es wieder wärmer wird.
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