Der Abgabetermin
Ich sitze im Literaturhauscafe, mein Akkzonn klemmt und heute Abend muss die Ummantelung der Werbung, auch Zeitungsartikel genannt, fertig sein.140 Zeilen , am besten plus minus Null, wie immer. Auch noch für eine Zeitung aus Österreich, na super.
Irgendwas über Kaffee und seine angebliche plötzliche Beliebtheit bei jungen Leuten, aha.
Ein wenig witzig, nicht zu kritisch. Klar, über die Bedingungen der Kaffeepflücker natürlich nicht, macht sich auch schlecht bei den Werbekunden.
Ich bin ermattet, nehme erstmal eine Koffeintablette mit einem Orangensaft ein.
Ein wenig recherchiert habe ich schon, das erste Kaffeehaus stand in Hamburg, nicht in Wien!
Kaffee war damals ein ausserhäussiges Getränk, bevor es später zunächst im Bürgertum zum häuslichen Frühstücksgetränk wurde.
Der Adel und wer es sich leisten konnte bevorzugte Chocolade, am liebsten im liegen und vor dem weiterpennen konsumiert.
Aha. Warum bin ich Zeilengeldschreiberin, welches grausame Schicksal hat mich auf diese idiotische Idee gebracht?
Ich werde nie wieder einen Artikel annehmen, dieser Stress bis zur Abgabe ist nicht auszuhalten.
Oh, Maddin kommt. Er ist auch Journalist, sagt er. Zielstrebig steuert er auf mich zu und erzählt mir, das er vor Arbeit schier umkommt.
Welcher Artikel? Immer noch der von vor drei Wochen? Er schaut beleidigt. " Ein Artikel wächst ja auch im Kopf! " belehrt er mich.
Ach? Bei manchen Leuten würde ich da einen anderen Ort vermuten, aber egal.
Kaffee, mit besonderer Berücksichtigung von Cappuccino! Und jetzt kommt es: Diesem ekelhaften Tütenzeug, dieser Mischung aus Zucker, Milchpulver und Kaffeelöslich...
Italien? Jepp, da kommen wenigstens Zeilen zusammen. Schon in der Aufzählung und Erklärung.
Wegen der Pendants zum Ösikaffee muss ich erstmal in Ruhe telefonieren und fahre nach Hause.
Ah- ein großer Brauner ist ein doppelter Expresso. Hochinteressant.
Meine Hände zittern vor Müdigkeit. Ich dusche heiss und kalt im Wechsel, soll ja wach machen. Lege mich zum Sekundenschlaf aufs Bett.
Als ich erwache schaue ich auf die Uhr- Oh Graus, noch eine Stunde.
Ich rufe in Wien an- statt der Redakteurin geht wieder die Telefonistin Heckenschröder- Wiesenkräuter oder so an den Apparat.
" Die Frau Dr....". Ja, schon klar. Ist nicht da. Ich tippe meinen Text weiter, zähle am Ende. 190 Zeilen. Okay, was fliegt raus?
Im vorauseilenden Gehorsam die Deklaration des Tütenzeugs, bevor die Redakteurin es raushaut.
Eine Hure ist eine Hure ist eine Hure- aber " Freie Journalistin" klingt so cool...
Ich faxe den Text einigen Freunden mit der dringenden Bitte, ihn sofort zu lesen und zu schreiben, was ihnen einfällt.
Upps, schon wieder fehlt eine Überleitung. Ach ja, die 49 gestrichenen Zeilen.
Der Aussteiger prickelt auch nicht gerade- so könnte es gehen.
Noch 10 Minuten. Nochmal drübergehen, eventuelle Wortwiederholungen ersetzen.
Geht "Braune Brühe" wirklich? Es muss, ich habe keine Zeit.
Der Artikel wird gefaxt, anschliessend rufe ich nochmal an. Heckenkräuter- Wiesenschröder ist wieder am Telefon.
Und Frau Dr. schon wieder weg...
Eine Woche später habe ich mein Belegexemplar. Der Artikel ist auf 90 Zeilen gekürzt, eine Werbeanzeige kam noch rein.
Der Satz über das Kubaembargo fehlt, typisch.
Ich schaue in die übrige Post. Vorpremierenkarten!
Tjaha- ich werde Bescheid wissen und stossen wenn die tumben Massen zur Premiere rennen, ich bin halt in, ich bin cool
Das ist halt nicht jede- es reicht ja wenn ich es bin.
Wir, die wir im Lichte der Öffentlichkeit arbeiten, wissen das.