juxtAposition - oder: ein ganz normales Bewerbungsverfahren
"In the afterglow" liege ich neben ihm, zufrieden vor mich hinlächelnd - "Ja", beschließe ich mich für mich, " das war ein nettes Beisammensein"Nein, nicht nett im Sinne von "nett, der kleinen Schwester..." - sondern rundum befriedigend, ausgeglichen, spannend, leidenschaftlich, ERfüllend.
Der "kleine Buchhalter" nickt bestätigend.
"Der 'kleine Buchhalter' werden Sie sich fragen. Was tut ein 'kleiner Buchhalter' in einer Geschichte, die doch scheinbar eine erotische Situation beschreiben soll?"
Nun, das ist ganz einfach:
Unlängst las ich - übereifrige Konsumentin von allem, was auch nur entfernt mit Alltagspsychologie zu tun hat - einen interessanten Artikel im Joy-Magazin. Darin wurde postuliert, man solle ein erstes Date mit einer Bewerbungssituation vergleichen.
Mit Bewerbungsverfahren kenne ich mich aus und übernehme freudig diese wohlfeile Anregung.
Das erste Date bestand aus einem Treffen zum sonntäglichen Brunch in einem örtlichen Café - dem, von dem ich schon längst Prozente am Gewinn erhalten sollte, da ich mich immer dort verabrede. Man war sich sympathisch, futterte so vor sich hin und plauderte entspannt.
Mein Unterbewußtsein machte sich angelegentlich Notizen. Ursprünglich hatte ich das ganze als netten Zeitvertreib an einem langweilig trüben Novembertag angesehen - er schrieb durchaus interessante Mails, schien mir in punkto Intelligenz und Humor das Wasser reichen zu können und hatte eine angenehme Telefonstimme. Weniger angetan war ich von seinen Bildern im Profil gewesen und hatte den Ausgang des Ganzen aus meiner Sicht schon in der Schublade "tauglich als netter Kumpel aber nicht mein Beuteschema" abgelegt.
Bei Ansicht meines Date-Partners war ich dann umso angenehmer überrascht - seine Bilder werden ihm nicht annähernd gerecht - der Nachmittag verging wie im Flug und, ehe ich mich versah, waren acht Stunden mit angeregter Unterhaltung vergangen.
"Nun," werden Sie sagen, "ein Mann, der es schafft, sich mit dieser hier oft so vehement auftretenden Frau acht Stunden lang zu unterhalten und nicht schreiend die Flucht zu ergreifen, hat ..."
Ja, was eigentlich?
Froh zu sein, dem Unheil heil entronnen zu sein oder ein zweites Date redlich verdient?
Besagter Herr optierte für letzteres und bat mich um ein Wiedersehen.
Meine innere Auswahlkommission stimmte zu, und ich gab ihm dies in Worten weiter.
Am darauffolgenden Freitag war es dann so weit - es kam zum beiderseitig erhofften Wiedersehen. Wir fuhren zu ihm, und es war eine kurzweilige Fahrt.
In dem Zusammenhang ist anzumerken, dass ich mich in den letzten drei Jahren in der für mich gut praktikablen Variante des "fuck'n go" eingerichtet habe. Frau sucht sich im Netz ein mehr oder weniger ansehnliches, mehr oder weniger junges, mehr oder weniger muskulöses, halbwegs sympathisches Exemplar der Gattung Mann (oder lässt sich finden), schreibt sich, trifft sich, turnt die gängigen Stellungen bis zur beiderseitigen Erschöpfung durch, hat sich aneinander erfreut und lässt sich genauso gerne wieder gegenseitig los. Geringer Zeitaufwand - befriedigender Erfolg.
Abgekürzt werden kann dieses Procedere noch durch einen Besuch im Swingerclub - der Schreibaufwand entfällt und bei Nichtgefallen wird das ausgewählte Stück zurück in den Teich geworfen und weitergefischt.
Aber diesmal hatte ich mich eben für den schwierigeren Weg entschieden, neben der Potenz auch noch weiteres Potential zu eruieren und lauschte ihm geduldig, gab halbwegs intelligente Antworten oder das, was ich dafür halte und erzählte selber von meinem Alltag, meinem Job und Anekdoten aus meinem Privatleben.
Schließlich landeten wir in seinem Schlafzimmer.
Ja, ja, ich weiß: amerikanisch gesehen sollte Frau sich bis mindestens zum dritten Date zieren, und wohlmeinende Freunde und Freundinnen versichern mir immer wieder, dass ein Mann, den Frau zappeln lässt, mehr und tiefergehendes Interesse an einer Frau entwickelt, wenn sie nicht so leicht zu haben ist (wie ich).
Wir küssen uns, unsere Zungen spielen miteinander, die Küsse werden intensiver und leidenschaftlicher.
Das "Ding" in meinem Kopf - Sie erinnern sich vielleicht noch aus einer anderen Geschichte - erwacht.
Diesmal tritt es auf in Gestalt des "kleinen Buchhalter". Er bezieht Stellung an einem Stehpult, von dem aus er uns gut beobachten kann, und breitet ein DIN-A3-Blatt mit einer umfangreichen Excell-Tabelle vor sich aus. Über die zwischen uns bestehende Neuronen-Schnellschaltung sende ich ihm meinen Dank, dass er die Tabelle ausgedruckt hat und handschriftlich ausfüllt, denn das Klappern der Tastatur seines Rechners würde mich doch in diesen Momenten ungebührlich ablenken.
Der "kleine Buchhalter" notiert:
Kußtechnik: sehr gut - kein Sabbern, kein asthmatisches Schnaufen, keine Toter-Fisch-in-meinem-Mund-Anwandlungen
Seine Hände erforschen meinen Körper und fühlen sich angenehm sanft und doch zupackend an. Er hat bereits entdeckt, dass die Berührung meiner Nippel mich sehr erregt und spielt angelegentlich mit ihnen, um diesen Effekt weiter auszureizen. Viel zu schnell wandern seine Finger weiter in eine noch intimere Region.
Der "kleine Buchhalter" vermerkt zwar eine gute Note für das Entdecken einer erogenen Zone, ergänzt aber mit einem bedauernden Kopfschütteln einen Punktabzug für die kurze Verweildauer in selbiger.
Mmmh, das Fingerspiel in meiner Schamgegend reizt mich ungemein, er übt genau den richtigen Druck auf meine Clit aus, stimulierend und nicht so hart, dass es sich unangenehm anfühlt. Gelegentlich verlässt sein Finger diesen Punkt und reizt mich genau daneben, womit er die Spannung zusätzlich steigert.
Der "kleine Buchhalter" setzt an, in der Rubrik "Petting" ein "sehr gut" einzutragen.
Seine Finger spielen mit meinen Schamlippen, gleiten hinundher und einer dringt schließlich - wie absichtslos - in mich ein. Da ich dies sehr mag und genieße, dränge ich mich weiter in seine Hand, um ihn zu weiterem Vordringen zu ermuntern. Viel zu schnell zieht er seinen Finger zurück.
Ungerührt - kein Wunder, er ist ja auch nicht diesem Wechselbad aus Erregung und Frustration ausgesetzt - streicht der "kleine Buchhalter" das "sehr".
Der Kopf meines Gespielen taucht ab, und ich spüre seine Zunge dort, wo vorher seine Finger zugange waren. Im Spiel mit seiner Zunge ist Monsieur ein wahrer Virtuose und bereitet mir himmlische Freuden. Er leckt und saugt, setzt zusätzlich immer wieder einen Finger ein, und ich befinde mich in höheren Sphären.
Ohne sich von meinem Stöhnen und Gurren irritieren zu lassen, macht sich der "kleine Buchhalter" weiter Notizen. Diesmal ist selbst er so enthusiastisch, eine "eins mit Stern" zu vergeben.
Inzwischen bin ich dazu übergegangen, sein Instrument in den Fokus meiner Aufmerksamkeit zu nehmen.
Ein kleiner Tusch ertönt und die Jury betritt die Bühne. Wie sonst wenn nicht durch die Teilnahme international anerkannter Juroren soll bei meiner Castingshow "BSDSS - Beauty sucht den SuperStecher" - das Auswahlverfahren wirklich spektakulär verlaufen? Interessiert nehmen diese das gebotene Werkzeug in Augenschein. Diedää schnaubt verächtlich, aber wer kann ihm das angesichts seiner Minderwertigkeitskomplexe nach seinem Penisbruch ernsthaft verübeln, Sylvie kichert verschämt und Bruce schluchzt ergriffen auf. Der "kleine Buchhalter" vermerkt pedantisch die Maße von Länge und Durchmesser - millimetergenau.
Sein Schwanz liegt angenehm in meiner Hand, fühlt sich weich und samtig an und reagiert erwartungsvoll auf meine Berührungen. Beflissen revanchiere ich mich für die mir angediehenen oralen Freuden und hege die innere Hoffnung, nun nicht ebenfalls einer allzu strengen Prüfung ausgesetzt zu sein. Seine Reaktionen lassen mich aber zuversichtlich bleiben, dass das, was ich tue, ihm gefällt.
Mein "kleiner Buchhalter" notiert, dass offensichtliche Kompabilität gegeben zu sein scheint. Eine Randnotiz vergibt extra Punkte dafür, dass mein Spielpartner nicht dem Wahn der 69er-Stellung verfallen ist, eine Praxis, die ich eher ablehne, da sich dann keiner so recht auf die Wohltaten des anderen konzentrieren kann. Die Jury beobachtet das Ganze andächtig.
"Ich will dich spüren", flüstert er.
Der Moment der Wahrheit ist gekommen. Beim Überstreifen des Kondoms verliert er jedoch seine Lust, und uns beiden wird klar, dass wir auf diese Art nicht weiterspielen können.
Diedää will mit einem hämischen Grinsen den "recall-zettel" zerreissen, doch Sylvie fällt ihm in den Arm. "Nun warte doch erst einmal ab", flüstert sie mit ihrem unnachahmlichen holländischen Akzent. Bruce bricht in Tränen aus: "Das kannst Du doch nicht maken" wehrt er Diedää ab, "diese Mann hat doch bisher so eine wunderbare Performance gemakt."
Auch der "kleine Buchhalter" verweist auf die hohen Punktzahlen in allen anderen Sparten.
Nach weiteren aufregenden Fingerspielen, die mich in höchste Verzückungen versetzen, kommt der Punkt, an dem wir beide entdecken, dass wir nach einem langen Arbeitstag zu müde sind, um unserem Begehren weiter zu fröhnen und schlafen entspannt nebeneinander ein.
Der "kleine Buchhalter" - wie immer pedantisch bis zum letzten - räumt sein Stehpult auf, spitzt seine Bleistifte für den nächsten Einsatz und rollt die Excell-Tabelle zusammen. Mit einem lauten Gähnen - schließlich musste auch er Überstunden machen - verlässt er meinen Kopf, und auch die Jury verschwindet nach einer kurzen heftigen Diskussion im Flüsterton und mein Privatsender schaltet auf Dauer-Werbung.
Am nächsten Morgen setzen wir unser Spiel fort und vieles, was im ersten Anlauf noch Schwierigkeiten bereitete, gelingt nun auf Anhieb.
Der "kleine Buchhalter" hat seine Tabelle überarbeitet und komplett ausgefüllt, die Jury äußert sich mit lobenden Worten. Nur Diedää kann sich den einen oder anderen hämischen Seitenhieb nicht verkneifen - aber wie bereits erwähnt: der Mann hatte einen Penisbruch und man darf an seiner Einsatzfähigkeit Zweifel hegen und sollte ihn daher nicht ernstnehmen. Alle Jury-Mitglieder votieren für eine Fortsetzung.
In Gedanken, Worten und Werken schließe ich mich ihnen an und freue mich, als ich um ein Wiedersehen gebeten werde.