SMS in der Nacht
Ein Dideldum, gefolgt weiteren, riss mich mitten aus meiner Tiefschlafphase. Ich brauchte einen Moment, um mich daran zu erinnern, dass ich Fiona diesen neuen Nachrichtenton zugeordnet hatte. Wie spät war es? Ich drehte mich müde zu meiner Uhr um. Die Leuchtziffern zeigten fast halb drei! Ich ließ mich wieder in meine Kissen sinken. 5 weitere Dideldums später sah ich ein, dass an Schlaf heute Nacht nicht mehr zu denken war, pellte mich aus meinem Bett, holte das Handy und robbte wieder zurück unter die Decke.
Insgesamt blinkten 10 neue Nachrichten. Mühsam versuchte ich mich, durch die Wörterflut zu scrollen.
Was salbaderte sie da? Ich begann nochmals zu lesen. Es dauerte eine Weile, um aus dem kryptischen Text auch nur so halbwegs schlau zu werden, während in der Zwischenzeit neue Nachrichten mein Handy überfluteten.
Typisch, dachte ich. Die einzige, die es schafft, mich nachts um halb drei mit 100ern von SMS zu überfluten, war Fiona. Meist schrieb sie in der ersten einen halben Roman, um mir der Einfachheit halber danach alle SMS die zwischen ihr und ihrem Schatz hin- und hergeflogen waren, weiterzuleiten.
Der ersten entnahm ich, dass sie sich getrennt hatten.
War das noch die alte Trennung oder gerade eine neue? Muss wohl eine neue sein, schätzte ich die Situation ein. Es waren fast vier Wochen vergangen. Das sprach für ein erneutes Drama.
Dem Text entnahm ich, dass er sie wohl gebeten hatte, am Wochenende nach dem Hausputz den von ihm gekauften Knöterich einzupflanzen. Das Wetter sei ja schön und er schätze einen gepflegten Garten. Er selbst müsse sich um eine Klientin kümmern, die neu in der Stadt sei und einen Partner für eine Runde Ubongo suchen würde.
Was bitte ist Ubongo? Ich runzelte die Stirn.
Ringelpiez mit Anfassen???
Dann folgte eine Nachricht von ihr an ihn: „Ich hatte Dich doch nur gebeten, den Müllsack zur Deponie zu bringen.“
ER: „Immer bringst Du diese Unruhe am Wochenende rein. Fiona, Du weißt, dass ich gerade am Wochenende meine Ruhe dringend benötige!“
SIE: “Ich dachte, wir könnten dann vielleicht zusammen mit Deiner neuen Klientin Ubongo spielen.“
ER: “Sie wollte etwas privat mit mir besprechen. Ich habe Dir doch gesagt, dass sie Probleme mit ihrem Freund hat, der ihr ein blutiges Reh mitgebracht hat. Warum kannst Du nicht die Privatsphäre anderer Menschen respektieren?!“
SIE: „Ich wollte Euch doch auch nicht stören!“
ER: „Warum bist Du mir dann hinterher gefahren?! Du weißt, wie sehr es mich abstößt, wenn Du mir hinterher spionierst.“
Sie: „Ich weiß! Es tut mir auch wirklich leid. Ich war ein Schaf. Ich mache es auch bestimmt nie wieder.“
ER: „Das sagst Du immer! Du vertraust mir einfach nicht. Das finde ich traurig, Fiona. Sehr traurig.“
Sie: „Ich fand es eben komisch. Sie ist so ein Superschuss, diese dralle Blondine.“
ER: „Woher willst Du das wissen? Hast Du etwa in meinem Handy geschnüffelt?!“
Sie: „Nein! Aber, da ging diese SMS ein und ich dachte, es wäre wichtig! Und da war dann dieses Foto.“
ER: „Das ist noch kein Grund, mir heimlich zu folgen. Ich hatte Dir aufgetragen, den Knöterich am Nachmittag zu pflanzen. Du musst das natürlich machen, wenn ich noch zu Hause bin. Und dann diese Szene vor ihre Türe! Wie stehe ich denn jetzt da?! Du hast mich in eine peinliche Situation gebracht!“
Sie: „Peinlich?! Weißt Du, wie peinlich ich es fand, dass sie in ihrem halbseidenen Negligee die Türe geöffnet hat?“
ER: „Das hast Du völlig falsch interpretiert. Sie hatte eine Erkältung und lag im Bett. Da trägt man eben ein Negligee.“
Sie: „Wirklich, es tut mir leid. Das konnte ich doch nicht wissen.“
ER: „Fiona, ich kann das nicht mehr. Ich möchte keine Frau, die mir nicht vertraut. Ich habe Dir noch nie einen Anlass gegeben, mir nicht zu vertrauen. Noch NIE!“
Sie: „Bitte, es tut mir wirklich leid. Bitte, denke doch noch mal darüber nach. Triff keine voreilige Entscheidung. Du bist doch mein Prinz!“
ER: „Ich brauche Zeit zum Nachdenken .“ und damit brach die SMS-Flut der Beiden ab.
Ich verdrehte die Augen. Zu gerne hätte ich sie geschüttelt. Schon wollte ich mein Handy zur Seite legen und das Licht ausschalten, als eine weitere Nachricht einging.
„Er will sich wirklich trennen. Dieses Mal ist es ihm ernst! Was mache ich denn jetzt? Ich will ihn nicht verlieren!“
Es ist ihm immer ernst, dachte ich nur. Doch stattdessen antwortete ich: „Fiona, gemach! Er wird sich nicht trennen. So wenig, wie er sich die unzähligen Male davor getrennt hat. Er ist und bleibt ein Hundsfott, aber Du würdest ihn sowieso wieder zurücknehmen. Selbst, wenn er erst in einem halben Jahr wieder vor Deiner Türe stehen würde. Darum glaube ich auch erst an eine Trennung, wenn er in zwei Monaten immer noch bei der Superblondine ist.“
„Ich liebe ihn! Das weißt Du doch! Es gibt keinen liebevolleren Mann als ihn. Und wir haben so viele schöne Zeiten miteinander. Ich möchte nicht ohne ihn leben und noch mal neu anfangen. Meinst Du…meinst Du, wenn ich neben den Knöterich ein paar rote Tulpen herzförmig einpflanzen würde…meinst Du, dass würde ihn umstimmen?“
Ich stöhnte laut auf. Dann schaltete ich das Handy aus, drehte mich um und versuchte, nicht von herzförmig arrangierten Tulpen zu träumen.