Fetisch Leder
Zuerst roch ich sie.
Schon bevor ich sie in Händen hielt, konnte ich sie riechen.
Ich liess sie mir herauslegen, nachdem ich den Stil beschrieben und das zuvorkommende Personal mit Kennerblick meine Grösse aus der Schublade gezaubert hatte. Dann schloss ich die Augen und gab mich völlig meinen Sinnen hin. Zunächst glitten meine Fingerspitzen über die weiche Oberfläche, die feinen gleichförmigen Nähte, erschlossen sich all ihre Komplexität mit erfürchtigem Tasten und auch zartestes Knautschen. Ich liess sie auf meine Handinnenfläche schnalzen. Dann führte ich sie zu meiner Nase und sog ihren Duft schon fast wollüstig in mich auf. Ein ganz besonderer Reiz ging von ihnen aus.
Es war nicht allein unsere gemeinsame Zukunft des festen Griffs. Es war nicht allein ihre Möglichkeit des Respekts. Sie waren sicherlich erkennbares Symbol, sich gebotenen Respekt zu verschaffen. Es war nicht allein ihr Reiz der blossen Archaik ihres Materials. Viele mögen sich auf die Haptik, die Oberflächen, glatt oder genarbt oder beides kaprizieren. Mir geht es um mehr. Es war immer schon ihre vielfältige Qualität, die mich begeisterten und regelmässig zum Opfer machten. Ich roch ihre ursprüngliche Derbheit und spürte ihre Zähmung durch Leidenschaft. Lange handwerkliche Tradition lag in ihrer Fertigung. Reife, Erfahrung, Geduld und Erfurcht vor dem Material entwickelt zu einer leidenschaftlichen Beziehung waren nötig, um das zu schaffen, was als Objekt meiner Begierde durch meine Finger glitt.
All das wurde mir nicht erst jetzt bewusst, aber es mäanderte wohlig warm durch meine Gedanken. Das Wissen darum, war Teil meiner Fantasien und Teil meiner Realität, es machte sie nur noch wertvoller für mich. Manchmal bildete ich mir ein, ich könnte ihre Farbe ertasten, gäbe ich mir nur genügend Mühe. Prinzipiell ging es um Mühe, um Sorgfalt. Ich musste sie pflegen, damit sie möglichst lange ihre Form und Farbe behielten. Schon Mutter hatte mich dazu angehalten, auf sie aufzupassen. Einige wirklich besondere Exemplare residierten in Mutters Kommode, und ich bewunderte Mutter schon als Kind für ihre stilsichere Auswahl.
Damals hatte ich die Vorzüge von Qualität und Handarbeit am eigenen Leib erlernen dürfen. Die Handgemachten zischten lauter und brannten auch wesentlich mehr als die Industrieware.
Ich ölte sie regelmässig. Besonders im Winter. Es gab eine spezielle Seife, die vor der Schutzpflege Schmutz und Gebrauchsflecken neutralisierte und die Grundlage für den seidigen Glanz ins Material einmassierte. Eine ganz besondere Massage. Eine fast kultische rituelle Handlung war es jedesmal.
-INTERLUDE-
Mehr als Fetish
Material kann mehr sein als nur Materie
Gegerbte Tierhaut erzählt Geschichten von Macht und Stärke
Sehnsucht und Spiel
Fixiert mit Blick und Striemen
Manchmal macht frei was bindet
Sensibilisiert warten
Ein Zittern
Ein Schaudern
Gefesselt in tiefer Sünde
Gebunden, gestreckt und aufrecht
Blind hörst Du mehr denn je
Scharfes Zischen durchschneidet die Ruhe neben Deinem Ohr
Aufforderung zum Spiel - der süsse Schmerz wird nicht lange auf sich warten lassen
Oder die Erfüllung, -
Höhepunkt und Explosion zugleich
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Nun war ich also am Zug, es war wieder mal soweit und ich freute mich am Geruch ihrer Jungfräulichkeit. Ich führte sie ganz nah an meine Nase, sog ihren Duft in meine geblähten Nüstern, feine Häarchen stellten sich auf und bemühten sich, jede Nuance aufzufangen und weiterzuleiten. Meine Nerven waren bis aufs äusserste gereizt, ich stellte mich fast auf die Zehenspitzen. Sekundenbruchteile wurden zur Länge antiker Zeitalter gedehnt. Die Zeit/Raum Krümmung barst. Ich führte sie wieder etwas weg von meiner Nase und näher zum Mund, wollte sie fast zärtlich liebkosen, doch ich wachte rechtzeitig auf. Es lärmte um mich herum.
Ich ging seit Jahren in das gleiche Fachgeschäft in der 24, faubourg Saint-Honoré . Schon als ich es zum ersten mal betrat, schwindelte mir fast vom überwältigenden Geruch nach Leder. Viele vulgäre, aber reiche Menschen kauften hier ziellos. Menschen ohne Stil und ohne Respekt für die Details kauften einen Style, weil sie in ihren Postillen davon erzählt bekamen. Die Exklusivität und Noblesse des Geschäfts liess auch sie fast elegant wirken und in all der Schönheit der angebotene Ware camouflierten auch sie beinah, Stammkunden wie ich, die wahren Süchtigen also, wurden aber durch das unbotmässige Verhalten trotzdem irritiert.
Ich liess sie nochmals über meine Hände gleiten. Erfühlte die feinen Spitzen, die gekonnte Form, die gleichmässige Naht, zog sie etwas, um ihre Elastizität zu testen und etwas über das Ausgangsmaterial zu erfahren. Auch ohne einen Blick darauf werfen zu müssen, spürte ich sofort, welche Haut es wohl gewesen war. Nun war sie geadelt, die Ziege.
Ich öffnete die fein gearbeitete Kante, schlüpfte behutsam hinein und wir passten zusammen vom ersten Augenblick an.
Fürs erste trennten wir uns auch nicht mehr, ich zückte mein artig Erspartes und verliess beschwingt das Geschäft. Ein guter Tag.
Es sind übrigens meine dritten Paar dunkelbraune Handschuhe von Hermès.
... hatte ich schonmal gepostet, dachte, hier könnts vielleicht ebenfalls passen. Interessiert schaue ich mich nach Gleichgesinnten um...