Unser Therapeut hat gesagt, wir sollen ruhig darüber schreiben. Es würde uns helfen, das Erlebte zu verarbeiten. Wir sind ein Paar Vibram V-trail 2.0 und manche mögen sagen, wir sind ein Nischenprodukt, Auswurf der Schuhevolution, aber Haters gonna hate.
Jedenfalls führten wir ein recht glückliches Regalleben, bis ER uns entdeckte. Das war im November 21. Er sagte noch, wir wären nicht sein erstes Paar und er würde viel Spaß mit uns haben. Und wir ahnten ja nicht, wie einseitig dieser Spaß wird.
Seit 1,5 Jahren werden wir nun getreten, schikaniert und misshandelt. Wir haben uns an PETS (People for the Ethical Treatment of Shoes) gewandt, an terre de chaussure, an die Internationale Liga für Schuhrechte - erfolglos - nur weil wir "Trail" im Namen tragen. Es konnte doch niemand wissen, dass das einer wörtlich nimmt. Wir wollten durch den Park joggen und andere Schuhe treffen. Und stattdessen?
Wir haben die Nase voll, von Tannennadeln und Dreck. Mein Kollege links hat regelmäßig Löwenzahnblüten zwischen den Zehen, Löwenzahn! Das ist doch kein Zustand, nur weil unser Besitzer einfach nicht auf den Wegen bleiben will. Er läuft dann irgendwelche Wildwechsel entlang, und wir mit ihm, als wären wir Tiere. Den Berg hinauf, den Berg hinunter und wenn da irgendwo ein Bach, oder eine Pfütze ist - mittendurch!
Unserer Sohle (ja, die war sowieso schon nie sonderlich dick) ist nur noch ein Schatten ihrer selbst. Er meint, er läuft auf Slicks - Scherzkeks. Als Strafe für diese Beanspruchung lassen wir jetzt gelegentlich einen Stein durch die Sohle pieksen - soll ihm eine Lehre sein, wenn er die nächsten 50 Meter humpelt und dabei "Walk it off" flucht.
Letztens hat er uns auf eine Veranstaltung mitgenommen. Er meinte, das würde uns gefallen. Es war unsere erste, wegen Corona. Und was haben wir uns gefreut: Hotfoot Run auf dem Nürburgring. Tausende andere Schuhe, einer schöner, als der nächste und wir alle total aufgeregt. Bis auf die Veteranen, die waren irgendwie komisch.
Aber eine Rennstrecke kann ja nicht so schlimm sein, wie Wald und Wiesen. Das ist Asphalt - warmer, angenehmer Asphalt, nicht wahr? NICHT WAHR?
Es war die Hölle! Schlamm! Überall war Schlamm und Wasser! Wir finden heute noch Reste zwischen unseren Schnürsenkeln. Das Maß ist voll. Wir waren geduldig, wir waren robust und genügsam. Und zum Dank dürfen wir draußen vor der Terrassentür übernachten. DAS IST DIE WETTERSEITE, DU ARSCH (Ich hoffe, er kann das lesen)!
Im August sollen wir noch einmal mit auf einen Tough Mudder bei Berlin. Da steckt das Elend ja schon im Namen. Er meint es sei unser letzter Lauf und seine Stimme klang dabei ein bisschen wehmütig.