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Entfremdung vom Partner

*****971 Mann
484 Beiträge
Themenersteller 
Entfremdung vom Partner
Mein Unfall liegt nun 10 Wochen zurück. Die ersten neun Wochen bin ich im Krankenhaus gelegen und seit einer Woche bin ich auf Reha. Was mich erschreckt ist wie fremd mir meine Partnerin in dieser Zeit geworden ist. Wir waren in den letzten Jahren nie länger als ein paar Tage getrennt und jetzt schon 2 1/2 Monate. Dieses Wochenende hat sie mich besucht und so sehr ich mich gefreut habe, dass sie bei mir war so erschrocken war ich darüber, dass es sich in den ersten Minuten nicht so angefühlt hat als wäre sie Teil meines Lebens. Die Reha dauert voraussichtlich fünf Monate. Ich frage mich wie es dann sein wird. Mein Leben wird sich sowieso ändern, da möchte ich nicht auch noch meine Beziehung gefährden.
Kommt euch das bekannt vor und wie seid ihr damit umgegangen?
******fox Paar
138 Beiträge
hi Thommy,
Das war bei mir ähnlich und endete nach 19 Jahren Beziehung in der Trennung. Was am Ende verdammt schmerzhaft war, (Wer wäre nicht enttäuscht zu merken, dass die Partnerin nicht mehr hinter dir steht, sondern dich nur noch als Belastung ansieht) erwies sich als beste Entscheidung meines Lebens.
****a72 Frau
7.758 Beiträge
Das muss aber nicht sein. Auch für einen Partner ist es schwer sich in der neuen Situation zurechtzufinden. Man steht vielleicht daneben und würde gerne helfen aber kann nicht, Hilflosigkeit macht sich vielleicht breit. Viele versuchen auch erstmal für sich allein damit klarzukommen. Wenn sich ein Leben so grundlegend verändert stürzen natürlich auch Zukunftspläne zusammen wie Kartenhäuser. Damit müssen beide Seiten erstmal klarkommen. Ich weiß nicht was dir passiert ist und wie einschneidend die Veränderungen sind / sein werden. Du bist jetzt im KH und Reha, hast dort Hilfe (vielleicht auch psychologische?) Für sie geht aber das Leben draußen weiter. Hat sie Hilfe? Oder muss sie mit der neuen Situation allein klarkommen? Vielleicht will sie dich nicht auch noch zusätzlich belasten?
Ich denke da hilft nur viel miteinander reden, reden und nochmals reden. Über Ängste, Überforderung, Zweifel, Sorgen und Nöte aber auch nach neuen Perspektiven und Hoffnungen suchen.
Eventuell auch mit psychologischer Hilfe. Aber das müssen beide Seiten auch wollen sonst hat es keinen Sinn.

Ich wünsche dir alles Gute.
Hallo Tomy
ich glaube, dich etwas anders verstanden zu haben, als meine Vorredner:

Du selber fühlst dich fern von ihr. Bei dir hat sich etwas verändert bzw. wird durch die neue Situation oder auch die längere Trennung sichtbar.

Für dein Gefühl kann es vielerlei Gründe geben.

  • Es ist völlig normal und soll auch so sein, dass deine Genesung für dich im Vordergrund steht. Prio eins - dafür tritt alles in den Hintergrund. Wenn die Beziehung im Großen und Ganzen in Ordnung ist, wird sich das mit vielen offenen Gesprächen im Laufe der Zeit wieder positiv verändern.

  • Krisensituationen decken aber oft auch Konflikte auf, die manchmal schon jahrelang bestanden. Manchmal sind es eingeschliffene Alltagssituationen, manchmal tiefgehende Meinungsverschiedenheiten, manchmal ist man nur noch aus Gewohnheit zusammen.

  • Auch Angst kann ein Grund sein. Angst vor der veränderten Situation. Angst um die Arbeit. Angst, den Partner zu belasten. Trennungsangst, weil der Partner mit einem Handycap nicht umgehen kann/ will. Angst/ Scham, weil man vielleicht nicht mehr so aussieht wie früher. Angst, "das Leben nicht mehr zu packen". Die ganz banale (aber schwer belastende) Existenzangst: EU-Renten sind nicht gerade üppig.

Zur Zeit kann ich dir nur empfehlen, sehr zeitnah Psychologen (die es in der Unfall-Reha auf jeden Fall geben muss) in Anspruch zu nehmen.
Ich bin der festen Überzeugung, dass in Krisensituationen nur offene Gespräche einem wirklich weiterhelfen. Zukunftsperspektiven muss man sich erarbeiten und jede Hilfe annehmen, die man bekommen kann.

Viviane (aus eigener Erfahrung)
*****971 Mann
484 Beiträge
Themenersteller 
Zuerst Danke für euere Gedanken.

@******fox:
Auch wenn mir klar ist, dass ein Ende unserer Beziehung möglich ist - sonst hätte ich mein Posting nicht geschrieben - will ich das ganz bestimmt nicht.

@****a72:
Der Gedanke der Hilflosigkeit trifft es. Ich bin schon in einer recht passiven Rolle aber meine Partnerin ist sozusagen Zuschauerin. Sie will mir helfen und kann doch wenig tun. Dazu kommt, genau wie du geschrieben hast, dass auch für sie Zukunftspläne eingestürzt sind. Da für sie das Glas immer halb leer ist, sieht sie die Zukunft auch noch schwärzer als ich sie mir vorstellen will. Das Ganze führt dazu, dass sie mich seit dem Unfall behandelt wie wenn ich aus rohen Eiern wäre, völlig überbemüht ist und sich in ein Wut auf alles und jeden hineingesteigert hat.

@****ane:
Ja, ich habe geschrieben, dass mir meine Partnerin fremd geworden ist. Wie kann ich das beschreiben? Natürlich ist das Reha-Zentrum mehr Krankenhaus als Hotel, natürlich gibt es keine wirkliche Privatsphäre und natürlich ist der Tag streng durchgetaktet von sechs am Morgen bis sechs am Abend, aber für mich fühlt sich es sich trotzdem wie Urlaub an. Ich habe mich schon immer bei Bewegung am besten entspannt und mein Tag besteht praktisch nur aus Sport und Gymnastik. Außerdem wird mir - wie im Krankenhaus - so gut wie jeder Handgriff des täglichen Lebens abgenommen. Kurz gesagt, eigentlich habe ich mich erstaunlich schnell an das Leben im Krankenhaus/Reha-Zentrum gewöhnt.

Gleichzeitig versuche ich aber auch die wenigen Nischen in denen ich selbständig handeln kann mit aller Kraft zu verteidigen.

Und ja, auch ich habe Ängste. Ich sehe täglich beides, Leute die scheinbar ohne größere Probleme mit Prothesen zurecht kommen und Leute deren Leben seit der Amputation nur aus Schwierigkeiten und Schmerzen besteht. Was ist wenn ich zur zweiten Gruppe gehöre? Selbst wenn ich zur ersten gehöre werde ich mein Leben lang mit Einschränkungen kämpfen müssen.

Auf meine Art bin ich auch überbemüht. Dass ich meinen Unfall überlebt habe sehe ich als zweite Chance und ich will aus dieser das beste machen. Der erste Schritt ist jetzt, dass ich meine ganze Energie auf die Reha konzentriere. Mein normales Leben habe ich ein Stück weit zur Seite geschoben. Ich weiß nicht ob es an mir liegt, aber alles was unser gemeinsames Leben betrifft fühlt sich inzwischen seltsam fremd an, so wie wenn meine Partnerin von guten Freunden erzählen würde.

In dieser Welt taucht jetzt meine Partnerin auf mit all ihren Sorgen, all ihrer Wut, will nichts falsch machen, mich unterstützen und trampelt dabei aus Versehen alle meine Grenzen nieder. Dabei will ich nur die Frau wieder die mich ganz normal behandelt.

Weil es immer wieder genannt wurde, psychotherapeutische Hilfe nehme ich in Anspruch. Meine Partnerin hat sie abgelehnt.

Abschließend nochmals Danke für eure Gedanken. Ich habe jetzt einiges zum Nachdenken.
****a72 Frau
7.758 Beiträge
Hallo Tommy,

Ich wollte einfach mal hören wie es dir bzw. Euch jetzt so geht.
Wie habt ihr euch mit der neuen Situation arrangiert und wo gibt es noch Probleme.
Wäre schön, wenn du mal darüber berichten würdest.

LG Tanja
*****971 Mann
484 Beiträge
Themenersteller 
Julia72 hat gefragt wie es mir/uns inzwischen geht. Ich war in letzter Zeit nicht mehr oft im JC und ich habe mich dann auch noch einige Zeit um eine Antwort gedrückt, weil mir die Antwort nicht leicht fällt. Das liegt aber vorallem daran, dass mir mein Posting vom September heute ganz schön fremd geworden ist. Rückblickend würde ich sagen, dass ich im September zum ersten Mal seit meinem Unfall wieder in der Lage war auf andere Menschen zu achten. Vorher hat es in meiner Welt nur mich gegeben und alles andere habe ich ausgeblendet. Im September ist mir bewußt geworden, dass mein Umfeld nicht nur aus Robotern, sondern aus Menschen besteht und für die waren die Ereignisse auf andere Art genau so schlimm wie für mich. Meine Partnerin, meine Eltern, Freunde oder Arbeitskollegen, alle haben die Sache verarbeiten müssen. Dass meine Partnerin bei der Verarbeitung eine andere Geschwindigkeit hatte und eine andere Strategie verfolgt hat, ganz einfach der Prozess bei ihr anders abgelaufen ist als bei mir, erscheint mir heute als klar und logisch, war es mir aber im September überhaupt nicht. Dadurch hat sich bei mir ein Gefühl der Entfremdung eingestellt.

Genug der Vorrede, wie geht es uns inzwischen? Kurz gesagt, ich denke wieder gut.

Ich stehe am Ende der Reha und sie ist bei mir überaus gut verlaufen. Ich habe mir Prothese eine Mobilität, wie ich sie vor 4 Monaten nie erwartet hätte. Ich bin mir sicher, dass ich den allergrößten Teil meines „alten“‘ Lebens zurück bekommen werde und nur überschaubare Einschränkungen haben werde. Im gleichen Maß wie sich mein Zustand gebessert hat ist bei meiner Partnerin das Gefühl der Hilflosigkeit zurück gegangen. Wir werden zwar sicher unsere Grenzen und Aufgaben im Alltag neu erkunden und abgrenzen müssen und ich bin da, glaube ich, etwas weiter wie sie, aber ich denke wir sind auf einen guten Weg. Ich kann an der Stelle nur den Hinweis der Psychologin weitergeben: Ich bin zwar behindert und ein gesunder Mensch könnte sicher viele Dinge schneller erledigen, aber im Zeifel will ich mich schwer tun und will und brauche keine Hilfe, außer wenn ich ausdrücklich darum bitte. Ich denke, dass kann die Basis für unser nächstes Jahr werden und danach werden wir weiter sehen.

Was ich sagen kann ist, dass das mit Abstand wichtigste reden ist. Auch wenn es manchmal schwer fällt seine Gefühle/Gedanken/Ängste/Pläne/Befürchtungen zu äußern und es manchmal noch schwerer ist die Welt des Partners zu verstehen, es ist der einzige Weg. Ich denke, dass uns beiden klar ist, dass die Herausforderungen für unsere Beziehung noch nicht vorbei sind, aber wir sind dabei sie anzugehen.

Abschließend noch Danke für eure Postings und Gedanken vom September. Sie haben mir ein Stück weit geholfen meine Partnerin zu verstehen und meine Gedanken zu ordnen.
******fox Paar
138 Beiträge
Hi Thommi,
Glückwunsch. Ich freue mich zu lesen, dass ihr so mit der Situation umgehen könnt. Ich hatte eine Ähnliche Mitte 2012. Bei mir lief die Verarbeitung eigentlich recht fix (habs von Anfang an einfach akzeptiert, wächst ja nicht mehr nach *zwinker* ), wqs bei meiner Frau aber garnicht er Fall war. Ich wurde Plötzlich zur Last und konnte ihre hochtrabenden Wünsche nicht mehr erfüllen. Die Ehe ging in die Brüche, bzw die Ruine die noch stand brach zusammen.
Heute sag ich, mir hätte nichts besseres passieren können, ich lebe (und zwar richtig), Die Behinderung behindert mich weniger, als dass sie mir Vorteile verschafft und was das Allerwichtigste ist, ich hab ddurch die wundervollste Frau der Welt kennen und lieben gelernt.

Gibt niemals auf, schaut immer nach vorne, ihr beide schafft das, *top*
LG
Fox
******fox:
Heute sag ich, mir hätte nichts besseres passieren können, ich lebe (und zwar richtig)

genau so , alles hat positive Seiten und bestens wenn man dies entdeckt

Ich wünsche euch allen viel viel Glück
**********ker07 Frau
17.999 Beiträge
Gruppen-Mod 
Ich wünsche allen viel Mut und Kraft dazu!
*****971 Mann
484 Beiträge
Themenersteller 
Nochmals Danke für Eure aufmunternden Worte und die "Danke". Leider werden die Benachrichtigungen bei Basismitgliedern nur eine Woche gespeichert und ich kann mich nicht mehr einzeln für die "Danke" bedanken, aber ich denke, so wird es auch gelten.

Und ja, wir werden es schaffen, da bin ich überzeugt.
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