MS
Ich habe seit Jahrzehnten MS, seit 15 Jahren im fortschreitdendem Verlauf und mit Tetraphlegie elektrorollstuhlpflichtg, daher ziemlich sicher im untersten Bereich unserer Handicap-Gruppe mit Körperbehinderung anzusiedeln.
Vor meiner MS betrieb ich Sport bis zum EXzess, vom ungesicherten Felsklettern über Rock`n Roll Akrobatik, Turniertanzen, Staffelschwimmen, sattel- und trensenlosenlosem Reiten, Dressurreiten und Akrobatik-Skiing über steile Buckelpisten.
Skifahren ging noch vor 20 Jahren auf ebenen Gletscherpisten mit jeweils zweistündigem Rasten zwischen einer Pistenabfahrt. Damals entdeckte ich auch eine Liebe zum Scheibenschießen, was ich jedoch aufgab als ich merkte, dass es mir kraft- und koordinationsmäßig nicht mehr gelang, ein Gewehr zu laden, zu spannen und entsichern. Zudem hatte ich nach ein paar gelungenen Jahren den Eindruck, die Schießscheiben meiner im Sportzentrum mitschießenden benachbarten Kollegen selbst bei sitzendem und aufgelegten Schießen zu gefährden.
Damals absolvierte ich auch noch die Prüfungen zum A- und B-Schein zum Segeln sowie den Motorbootschein der Zone 3. Leider hat sich durch die Spastik dann irgendwann mein Magen nicht mehr den Schiffsbewegungen entsprechend ausgleichend angepasst, sodaß das Segeln ab Windstärke 5-6 zunehmend eine absolute Freude war, aber die schlängelnden für mich nicht austarierbaren Schiffsbwegungen bei Dünung (Windstärke 2-3) mich zum fortwährenden Erbrechen brachten. Dem Segeln verdanke ich es, dass sich während der schubförmigen MS-Zeit nach jeder Halbseitenlähmung wieder mein Gleichgewicht vollständig entwickelte.
So fand ich als Nächstes ein paar Jahre Freude am Reiten von Therapiepferden. Als schließlich drei erwachsene Männer es nicht mehr schafften, mich von der Rollstuhlauffahrtsrampe in gleicher Höhe auf den Pferdrücken hinüber zu hieven und ich mich nicht mehr auf dem Pferd oben halten konnte, fand auch diese Betätigung ein Ende.
Vor knapp vier Jahren begann ich mit dem Hundesport. Ich absolvierte mit meinem Beauceron sämtliche Welpen-, Junghunde- und Begleithundeausbildungen, die Tiergestützte Therapie und für mich als meinen amtlichen ständigen Begleithund pensonenbezogene Schutzarbeit.
Seit dem Sommerbeginn 2008 ist es mir nicht mehr möglich, mich ohne Fremdhilfe anzukleiden und den Transfer in und aus dem Elektrorollstuhl zu schaffen. Meine Haus-Physikotherapie bewegt mich durch und wir versuchen Lösungen für die Probleme des täglichen Lebens zu finden. Meine sportlichen Höchstleistungen beschränken sich auf das erfolgreiche Zum-Munde-Führen von ein paar Löffeln Suppe, das selbständige Essen, dem Betätigen meines Hausliftes oder dem Schreiben von ein paar wieder leserlichen Zeilen.
Ich bin noch teilweise berufstätig im häuslichen Büro bei absolut freier Zeiteinteilung mit Organisations-, Kommunikations- und Koordinations-, Handels- und Steuerbilanzarbeiten, Bank- und Finanzamtstätigkeiten.
Meine "Geschichte" habe ich erzählt, um vor allem allen MS-Betroffenen Mut zuzusprechen. Betreibt Sport solange ihr wollt und welchen ihr wollt! Alles ist möglich, manchmal muss man halt dazwischen rasten. Dazu gibt es wunderbare kleine mitführbare Klappsesserln und Jagdtgehstöcke mit wegklappbarem Jägersitz aus Leder.
Geniest die sportlichen Möglichkeiten, solange ihr daran Freude habt! Ihr werdet vielleicht nicht immer mit den Gesunden mithalten können, aber für euch selbst habt ihr Olympia-Gold heimgeholt! Ein Gold, von dem körperlich Gesunde und Belastbare nur träumen können!
Falls es dann bei jemanden wirklich so "dick" kommen sollte wie bei mir, dann wisst ihr: Ihr habt es erlebt! Ihr kennt das Gefühl bei diesem Sport! Ihr trauert auch nicht Versäumten nach, denn ihr habt nichts versäumt!