Ich war irgendwann letzten Juni eingeladen, um in einer evangelischen Schule für Heilerziehungspfleger am Unterricht teilzunehmen.
Ich war gebeten worden, so was wie eine „Vorlesung über Behinderten-Sex“ zu halten – oder etwas dieser Art.
Die Schule wusste das selbst noch nicht so genau.
Sie unterrichten seit Jahren THEORETISCHEN Sexual-Unterricht und sahen Handlungsbedarf.
Man war bestrebt, dass sich in Wohnheimen für Menschen mit Behinderung etwas daran ändert, wie die Bewohner ihre sexuellen Möglichkeiten leben können, bzw. wie die HEP mit der Sexualität der Bewohner umgehen könnten – und so tat die Schule einen ersten Schritt, etwas am Verständnis der HEP zu ändern.
Man hoffte, ich wüsste manch Lehrreiches zu erzählen…
Ich war erfreut – ist es doch für mich ein Zeichen, dass die Gesellschaft ein Bewußtsein entwickelt, dass auch Menschen mit Behinderung (auch in Heimen) zärtliche Gefühle leben mögen.
Innerhalb dieses Unterrichts nun wurde ich von einer sehr jungen HEP-Schülerin gefragt, wie ich es denn schaffe, mit den teils „hässlichen Behinderten“ Sex zu haben. Ob ich wirklich lustvolle Empfindungen hätte, wenn diese doch teilweise recht unschön aussehen…
Ich erzählte eine Anekdote aus früheren Jahren, die mich bis heute geprägt hat – auch wenn dieser Mann um den es geht nicht wirklich behindert war:
Ich war noch völlig neu im Gewerbe und unerfahren gewesen, als ein Mann die Wohnung betrat, in der ich seinerzeit arbeitete.
Er war sicherlich über 90, sehr mager, nur Haut und Knochen, alles faltig und bläulich/grünlich verfärbt. Lila Lippen und ein Gesicht, als sei er skeletiert.
Er war recht klein, zusammengesunken und bebte am ganzen Körper…
Ich hoffte nur, dieser Krug möge an mir vorrübergehen.
Aber er tat es nicht.
Der Mann wollte mit mir aufs Zimmer.
Nackt erschreckte er mich noch mehr, als angezogen.
Einen Mann dieses Alters hatte ich noch nie unbekleidet gesehen und ich hatte fast Angst, ich könnte ihn zerbrechen.
Er war sehr liebevoll und warmherzig. Er lächelte mich wehmütig an und bat mich, mich ihm gegenüber auf die Massageliege zu setzen.
So saßen wir recht nah voreinander; die Beine links und rechts an der Liege runterhängend, breitbeinig – ich schämte mich…
Er sah mich zärtlich an; Tränen traten in seine Augen und er sagte, dass es ihm so gut täte, hier mit mir zu sitzen.
Er zog mich an sich; ich schlang meine Beine um ihn – und er legte den Kopf an meine Schulter und weinte.
Seine Frau sei vor 20 Jahren gestorben; die Kinder sind aus dem Haus; Freunde inzwischen verstorben – und er sei einsam.
Es gäbe keinen Sinn in seinem Leben; keine Aufgabe.
Niemanden, der ihn braucht; keiner, der ihn vermisst und sich auf ihn freut.
Keiner, der ihn mal in den Arm nimmt und streichelt; niemanden, der ihn hält.
Und er weinte die Stunde in meinen Armen und ich streichelte und hielt ihn – und weinte mit….
Ich werde diesen Mann mein ganzes Leben nie vergessen.
Und nie werde ich vergessen, dass man mit dem Herzen sehen sollte – nicht mit den Augen.
Und ich werde immer wieder mit ihm weinen, wenn ich an ihn denke….
Ich habe inzwischen schon viele Gäste mit Behinderung gehabt.
Mit Narben, Amputationen Spasmen oder was auch immer.
Und die meisten davon schämen sich, wenn sie sich ausziehen.
Und doch haben viele von ihnen auch so viel Schönes an sich.
Man muß nur richtig hingucken….
Jenny