Was ist faul in Rommelburg
Die Ereignisse, über die ich berichte, geschahen im Oktober 2015 im Krankenhaus Rommelburg (Name geändert). Die Namen der Personen sind geändert.
Ich hatte mir vorgenommen, etwas Zeit vergehen zu lassen, bevor ich den Bericht schreibe. Ich wollte nicht durch meinen Ärger verleitet werden, zu impulsiv oder übertrieben zu reagieren. Nach einem halben Jahr ist die Zeit gekommen.
Mein Gesundheitszustand:
6 Bandscheibenvorfälle (BSV) in der Lendenwirbelsäule (LWS)
3 BSV in der Halswirbelsäule (HWS)
Morbus Parkinson (MB) seit 12 Jahren
Seit Februar 2015 zunehmende Schmerzen in Rücken, Hüfte und Becken.
Seit Juli 2015 Gehen nur unter größten Schmerzen möglich.
Seit August bettlägerig.
Im Oktober 2015 Einweisung in das Krankenhaus Rommelburg durch meine Hausärztin.
Aktuelle Diagnose:
Entzündung eines Wirbelkörpers.
Therapie:
Operation, Entfernung der Bandscheibe, Versteifung (durch Metallplatte an den angrenzenden Wirbeln).
Parkinson-Symptome (MPS):
Muskelversteifung, Verlust der Sprache.
Einnahme der Parkinson-Medikamente:
Alle 3 Stunden, beginnend um 7:00 Uhr bis 22 Uhr (6 mal täglich).
Dosierung:
7:00 Uhr: 125 mg Madopar (Levodopa+Benserazid), 100 mg Tolcapone.
10:00 Uhr: 125 mg Madopar (Levodopa+Benserazid), 3,15 mg Pramipexol retard,
13:00 Uhr: 125 mg Madopar (Levodopa+Benserazid), 100 mg Tolcapone.
16:00 Uhr: 125 mg Madopar (Levodopa+Benserazid)
19:00 Uhr: 125 mg Madopar (Levodopa+Benserazid), 100 mg Tolcapone.
22:00 Uhr: 125 mg Madopar (Levodopa+Benserazid) retard
Bei Bedarf:
125 mg Madopar LT (Levodopa+Benserazid) schnell wirkende
Apomorphin als Apo-Go-Pen, 6 mg bis zu 5 mal täglich
Ibuprofen 600mg bis zu 4 mal täglich
Dazu Mittel für Magenschutz und Leberwerte
Wirkung:
Gute Beweglichkeit bis eine halbe Stunde vor und nach der jeweiligen Einnahme.
Bei Unterbrechung dieser Intervalle:
MPS sowie häufig Off-Dystonien (Bis zu 3 Stunden andauernde schwere schmerzhafte spastische Krämpfe in Füßen, Beinen, Arm und Schulter der rechten Körperhälfte).
Lösung der Krämpfe:
Einnahme von Dopaminen in schnell wirkender Form (Madopar LT) nach ca. einer halben Stunde bzw. durch Injektion des Dopaminantagonisten Apomorphin in die Bauchdecke nach 10 Minuten.
Fluktuation:
Überbeweglichkeiten der Arme und Beine, dadurch Gelenkschmerzen und Hämatome
Unpünktliche Medikamentengabe:
Ich bin es gewohnt, die Medikamente selbst zu richten und nehme sie pünktlich nach Plan ein. Im KHR hingegen sollte die Pflege mich mit den notwendigen Medikamenten versorgen, was aber selten gewährleistet werden konnte. Bestimmte Pfleger und Pflegerinnen versäumten dies grundsätzlich immer, bestimmte erledigten dies jedoch immer ohne Probleme. An den meisten Tagen musste ich die Pflege nach mindestens einer Stunde über den vorgegebenen Zeitpunkt um die Medikamente bitten.
Die Folgen der Verspätung:
1. Die Symptome treten in vollem Umfang auf, Off-Dystonien sind wahrscheinlich.
2. Die Überlappung mit den Medikamenten des folgenden Zeitpunktes bewirkt Überbeweglichkeiten.
3. Der allgemeine Gesundheitszustand ist kaum einzuschätzen
Trotz freundlicher Nachfrage blieb es bei der Unpünktlichkeit. Die Off-Dystonien konnte ich nicht wie gewohnt mit Apomorphin bekämpfen, weil das Medikament nach zwei Wochen erst in der Klinik verfügbar sein sollte. Als es schließlich geliefert worden war, wurde es mir von bestimmten Pflegekräften vorenthalten, da sie es für ein Morphiumpräparat hielten. Mein Vorschlag, sich über das Medikament zu erkundigen, wurde nicht angenommen.
Stigmata
Eine Nachtschwester zeigte mir Einträge über mich:
"Herr S. verändert eigenmächtig die Medikamente"
"Herr S. macht von der Glocke ungerechtfertigt Gebrauch und terrorisiert das Personal damit "
Obwohl ich freundlich zu allen war und darauf geachtet hatte, niemanden persönlich für die Unpünktlichkeit verantwortlich zu machen, wurde ich zur Zielscheibe.
Die Fahrstuhltür öffnete sich und ich sah instinktiv nach links und nach rechts, bevor ich mich auf den Weg in mein Zimmer machte. Der Grund dafür ist, dass ich mir einpräge, welche Hindernisse mich erwarten. Für einen Parkinsonkranken ein wichtiger Umstand.
Schwester H. rief mir darauf zu:
„Links, Herr S. Ihr Zimmer ist links.“
Ich kämpfte mit einer Verstopfung und mir war durch die Rückenschmerzen und die Verkrampfungen sehr warm geworden. Ich saß auf der Toilette und schwitzte sehr. Als ich meinen Pulli ausgezogen hatte und nackt war, öffnete Schwester H. die Tür ohne Vorwarnung und rief laut:
„Herr S.: Hier können Sie doch nicht duschen. Das ist eine Toilette. Herr S. Herr S. Sowas...“
Die Bettflaschen wurden nicht immer rechtzeitig gelehrt. Es achtete darauf, die Bettflasche möglichst selbst zu leeren, wenn ich den Weg zur Toilette schaffte. Einmal war die Bettflasche jedoch voll. Ich bat Schwester H., sie zu entleeren, da ich starken Harndrang hatte und das Bett nicht verlassen konnte. Sie verließ mit der Bettflasche das Zimmer. Ich hielt meinen Urin zurück in der Annahme, dass ich eine leere Flasche bekäme. Nach etwa einer halben Stunde konnte ich es nicht mehr halten und griff mir einen weißen Plastikbecher. Ich urinierte in diesen Becher und schaffte es, rechtzeitig aufzuhören, damit er nicht überlief. Ich stellte den Becher auf das Schränkchen, worauf ein paar Tropfen Urin darauf tropften. Schwester H. öffnete die Zimmertür, holte tief Luft und rief laut:
„Das darf doch nicht wahr sein. Herr S. Alles voller Urin. Hat der doch einfach da reingepisst. Das ist ja unglaublich.“
Hinter ihr erschienen andere Pflegekräfte und sahen mich entsetzt an.
Ich hatte die Spielchen dieser Schwester jedes Mal mit Widerworten belegt und wohl auf diese Art den Ruf eines Problempatienten geerntet.
Die Operation:
Am Morgen der Operation, die für 10:00 Uhr angesetzt war, bat ich mit Nachdruck darum, die ersten beiden Medikamentengaben pünktlich zu erhalten. Die 7:00 Uhr-Dosis und die 10:00 Uhr-Dosis wurde mir nicht gebracht. Auf meinen Schwesternruf wurde nicht reagiert. Der behandelnde Arzt fand mich steif vor Krämpfen hilflos im Bett und versprach, die Pflege zu ermahnen. Außerdem sagte er mir zu, dass ich während der OP durch eine Magensonde mit Parkinsonmedikamenten versorgt werden würde. Um 12:30 Uhr erhielt ich die 10:00 Uhr-Dosis. Um 13 Uhr 30 wurde ich zur OP transportiert. Meine Schmerzen waren so stark, dass ich die Anästhesistin anflehte, mich sofort zu narkotisieren, was auch geschah.
Ich erwachte gegen 22 Uhr allein in meinem Zimmer und war bewegungsunfähig und nahezu unfähig zu sprechen.
Ich schaffte es, meine Tabletten zu fordern, bekam einen Becher mit einer Menge Pillen und schluckte diese mit Hilfe eines Pflegers. Wie sich später heraus stellte, hatte ich während der Operation keine Parkinsonmedikamente erhalten. Was ich nach dem Aufwachen geschluckt hatte, waren die gesammelten Tabletten für 13 Uhr, 16 Uhr, 19 Uhr und 22 Uhr. Kurz vor Mitternacht begann mein gesamter Körper, wild zu zucken. Ich hatte keine Kontrolle über Arme und Beine, sie schlugen wild um sich. Mein Rumpf bäumte sich auf und verdrehte sich ständig. Meine Augen rollten, mein Herz raste und ich hyperventilierte. Dieser Zustand dauerte noch an, als am nächsten Morgen der Arzt nach mir sah. Wir vereinbarten, dass ich solange auf die regulären Medikamente verzichtete, bis sich mein Zustand wieder normalisierte. An Nachmittag ließ die Überbewegung nach und ich schlief erschöpft ein.
Um 22 Uhr konnte ich die regulären Medikamentenzeiten wieder aufnehmen.
Entgegen der Erläuterungen vor der Operation hatte ich nicht nur eine Wunde am Rücken, sondern eine weitere an der linken Hüfte. Ich konnte sie zwar nicht sehen, spürte jedoch, dass sie recht groß und enorm schmerzhaft war. Am Tag 3 nach der Operation besuchte mich der Chirurg und teilte mir mit, dass beim Bohren des vierten Loches ein Stück des Bohrers abgebrochen sei und trotz intensiver Bemühungen nicht entfernt werden konnte. Das Bohrerstück stecke noch in meinem Rücken, was aber nicht schlimm sei, da es sich nicht lösen würde und somit die Funktion der entsprechenden Schraube übernehme. Eine weitere OP sei in einem halben Jahr geplant, bei der das Metall entfernt werden sollte.
In der Nacht fuhr ein Pfleger mein Bett in einen Lagerraum, in dem ungemachte Betten standen, da der Raum, in dem ich bis zu diesem Zeitpunkt lag, für Neuankömmlinge gebraucht wurde. Ich klingelte um 4 Uhr ohne geschlafen zu haben. Um 4:40 kam der Pfleger aus seinem Zimmer, das sich nebenan befand. Ich bat um ein Schmerzmittel. Der Pfleger behauptete verärgert, er habe viel zu tun, hätte schon 4 Notfälle versorgen müssen. Ich hätte ihn gehört, wenn er das Schwesternzimmer verlassen hätte, behielt das aber für mich. Der Pfleger schloss einen Tropf mit einem Schmerzmittel an meinen Zugang, doch es lief nicht. Er entfernte meinen Zugang und setzte mir einen neuen in der Armbeuge. Auf meine Frage, ob er dazu überhaupt berechtigt sei, reagierte er nicht. Das Schmerzmittel tropfte in meinen Arm und er schlurfte zurück in das Schwesternzimmer.
Ich erwachte um 5:20 in einer Blutlache. Aus dem Zugang lief mein Blut auf die Bettdecke uns tropfte in eine große Blutlache auf dem Boden. Ich klingelte erneut. Der Pfleger betrat schimpfend den Raum und fluchte darüber, dass er das Blut aufwischen und die Bettwäsche wechseln müsse. Nachdem er meinen Arm verbunden hatte, putzte er den Boden und ließ mich blutverschmiert liegen.
Ein Donnerwetter
Am Morgen entdeckte mich die Pflegeleiterin blutverkrustet und verkrampft in dem Lagerraum, nachdem sie mich in dem gewohnten Zimmer nicht gefunden hatte. Sie forderte alle Pflegerinnen und Pfleger auf, die notwendigen Medikamentenzeiten einzuhalten und drohte mit Konsequenzen, wie sie mir berichtete. Von diesem Tag an erhielt ich die Tabletten pünktlich. Als die Pflege dann wieder einen Schichtwechsel hatte, war es wieder beim Alten. Ich bat nun die Leiterin, dafür zu sorgen, dass mir alle Medikamente für den jeweils nächsten Tag gebracht wurden. Eine Pflegerin quittierte mir diese für sie empfundene Schikanierung damit, dass der Dispenser mit voller Wucht auf mein Schränkchen geknallt wurde, begleitet von wütendem Schimpfen. Doch von diesem Tag an, nach 10 Tagen meines Aufenthaltes im KHR konnte ich meine Medikamente pünktlich einnehmen.
Das Knarren
Als ich zum ersten Mal im Sitzen frühstücken konnte, bemerkte ich ein Knarren in meinem Körper. Bei jeder Bewegung entstand ein Geräusch, das so ähnlich klang wie das Knarren eines alten Möbelstückes. Ein anderer Patient im Zimmer hielt das Mikrophon meines Handys an meinen Rücken, um das Geräusch aufzunehmen. Es gelang sofort. Laut und deutlich war ein Knarren zu hören. Ich sprach nun den Arzt an und fragte ihn, ob das mit dem abgebrochenen Bohrer in Zusammenhang stehe. Der Arzt fragte mich, woher ich denn von dem Bohrer wisse und ging nicht auf das Knarren ein. Ich erzählte ihm vom Besuch des Chirurgen, worauf er mich ohne weitere Erklärungen wieder verließ. Ich fragte in den folgenden 3 Tagen nach dem Bohrer-Vorfall. Zwei Tage vor meiner geplanten Entlassung zeigte mir der Arzt ein Röntgenbild, auf dem das etwa 2 cm lange Bohrerstück mit etwa 6 mm Durchmesser zu sehen ist. Er teilte mir den Termin mit für die Entfernung von in den Körper eingebrachtes Material. Auf meine Frage nach der Bedeutung des ständigen Knarrens reagierte er erst, als ich erwähnte, dass ich eine Audioaufnahme gemacht hatte. Eine weitere Röntgenaufnahme wurde gemacht, mit der Aufnahme nach der Operation verglichen und bestimmt, dass alles unverändert sei.
Die zweite Narbe an der Hüfte, 12 Zentimeter lang, entstand durch den Schnitt, der notwendig war, eine Männerhand in meinen Körper zu bringen, um meine Wirbelsäule festzuhalten, um auf der Rückseite den abgebrochenen Bohrer heraus zu ziehen, was nicht gelang.
Die Entlassung
Nach 20 Tagen Aufenthalt wurde ich aus dem KHR entlassen. Am Morgen des Entlassungstages betrat eine bisher unbekannte Schwester mein Zimmer. Ich hielt sie zuerst für eine Ärztin, da sie um den Hals ein Stethoskop gelegt hatte und in typischer Arzt-Manier umher stolzierte. Das gewohnte Medikamentendrama setzte sich fort. Ich bat um 8:00 Uhr die 7:00 Uhr Tabletten. Sie sagte, dass diese gerade fertig gemacht werden. Auf meine Erklärung, wie wichtig es sei, dass ich die Medikamente pünktlich bekomme, reagierte sie mit Spott. Sie wisse gut über Parkinson Bescheid und brauche von mir keine Belehrung. Meine Frage, ob sie mir denn erklären könne, was eine Off-Dystonie sei, antwortete sie, dass ich wohl ein ganz Schlauer sei und dass sie solche Leute ja besonders gerne hätte. Ich bekam die Medikamente um 9:10 Uhr. Die 10:00 Uhr-Tabletten kamen um 11:20 Uhr. Um 11:40 Uhr betraten die Sanitäter den Raum, um mich abzuholen. Ich war noch nicht in der Lage, selbständig aufzustehen und musste mir auf die Trage helfen lassen. Auf die Frage eines Sanitäters, was denn mein Problem sei, hob die Schwester zu sprechen an. Ich fiel ihr ins Wort und sagte laut, dass diese Frau keine Ärztin sei und mich heute zu ersten Mal sah, weshalb sie wohl kaum etwas über mich sagen könne.
Nachdem die Hälfte des Weges mit dem Krankenwagen zurückgelegt war, begannen die Medikamente zu wirken. Ich konnte mich wieder bewegen. Die Sanitäter klärten mich darüber auf, dass im KHR einiges im Argen liege. Die Leitung habe gewechselt, es gäbe keine Aufstiegschancen für die meisten Pfleger und die kompetentesten Ärzte hätten das KHR verlassen.
Zuhause angekommen staunten die Pfleger erst, als ich von der Trage stieg und die Treppen zu meiner Wohnung aufrecht zurückgelegt hatte, verstanden dann aber, was ich mit der Pünktlichkeit gemeint hatte.