Selbststudie einer MS
@*******icke
In etlichen Bereichen hast du sicher recht. Ich bin bestrebt, mene Selbständigkeit unbedingt zu erhalten, weil ich es abgrundtief hasse, um Hilfe bitten zu müssen.
Ich erinere mich, dass ich vor 5 Jahren regelmäßig von der Rettun aufgeklaubt wurde, weil ich unbedingt diese zwei Schritte an der Wand lang und mit Stock vom Rolli ins WC schaffen wollte - und dann vor oder neben dem WC landete. Im Winter kam plötzlich eine Rheynault-Symptomatik dazu (Acrocyanose), wo innerhalb von Sekunden die Finger bei Kälte blau, violett und schwarz werden, weil durch die Kälte das Blut stockt. Also Prostavasin-Infusionen auf der Angiologie und behizbare Handschuhe.
Vor 4 Jahren benötigte ich WCs mit Seitengestängen, damit ich mich nicht danebenschwinge. Mit Stock ging wegen des Gleichgewichtes und der plötzlich auslassenden Beine gar nichts mehr.
Plötzlich vertrug ich Sonnenliebhaberin die Sommerhitze auch nicht mehr, sie raubte mir die notwendige Spastik für meine Bewegungen und ich fiel durch die fehlende Rumfspastik in mich zusammen. Also fünf Mal am Tage eiskalt duschen, dann lebst wieder. Dafür kamen Ganzkörper-Streckspastiken dazu, wo ich wie ein Brett aus dem Rollstuhl gleite.
Vor 3 Jahren musste ich mich auf das WC am Gestänge ziehen und an meinem Rolli-Gestänge zurück in den Rolli ziehen.Ging aber prima.Nur jeder, der mir zuschaute, bekam es mit der Angst zu tun.
Vor 2 Jahren wollten die Beine überhaupt nichts mehr. Ich trainierte stundenlang, wie ich eine Hose und Schuhe anziehen könnte. Dabei war ich ideenreicher als alle meine Physikotherapeuten zusammen.
Denn so wie die glaubten, geht es eben nicht. Wenn du mit den Händen dann die Füße auf die Fußstützen stellen willst, hast schneller das Gleichgewicht nach vorne Richtung Fußboden verloren, als du denken kannst.
Vor einem Jahr schaffte ich plötzlich den Schwung in den E-Rolli nicht mehr, es zog mich vorher in die Tiefe auf den Boden. Am WC zeichnete ich mir auf die Fliesen die genaue Position der Rollstuhlräder, damit das hin und her aufs WC funktioniert. Trotzdem hat mich so 1-2 Mal die Woche die Rettung vom Boden aufklauben müssen. Die Hose an und Ausziehen benötigte ich eine Hilfsperson, die mir das letzte Stück die Hose hoch zog, damit sie nicht nur an den Hüften "oben" ist, sondern auch im Intimbereich. Ich stemmte mich dabei mit beiden Armen hoch.
Seit meinen drei schweren heurigen Infekten geht nichts mehr. Wenn jemand daheim ist, versuche ich täglich mehrmals den Schwung aufs WC. Nur: Wie ging es wieder herunter und in den Rolli?
Die Kraft zum Hochstemmen meines Gewichtes an den Gestängen habe ich nicht mehr. Möglicherweise sind die Stützen jetzt zu hoch montiert, sodaß ich mit der Stützenspannweite die Kraft und Hebelwirkung nicht schaffe, möglicherweise weil ich an Gesäß und Beinen durch einen massiven Wasserstau gut 10 kg schwerer geworden bin.
Entwässerungstabletten machen bei mir Kreislaufprobleme.
Ich hoffe, auf der Reha gibt es entsprechende Passivgeräte zum Durchbewegen und Muskelaufbau in den Beinen und ein paar nützliche Ideen zur Alltagsmeisterung. Wobei es unterhalsam ist, weil die Hitze vertrage ich nicht mehr und die Kälte meine Finger sowieso nicht. Wenn ihr folglich jemals eine im Rolli seht, die im Hochsommer spärlich gekleidet dahin schwitzt, aber Handschuhe trägt..... Das Leben ist irgendwie verrückt.