Es gibt Themen die man nicht mag, es gibt Nachrichten die man nicht gerne hört oder auch nicht mehr hören kann. Jeder von uns kennt das auf die eine oder andere Weise. Dann gibt es noch Nachrichten die machen traurig, müde und wütend.
Ich stehe jeden Morgen auf, trinke eine Tasse Kakao, nehme meine nötigen Medikamente und schalte die Nachrichten ein. Dabei hoffe ich jeden Tag, dass mir das, was ich gleich sehen werde, nicht direkt den Tag vermiest. In der Regel passiert das auch nicht, nach einer Amtsperiode mit Trump und 16 Jahren mit der Union entwickelt man zwangsläufig gewisse Nehmerqualitäten für den Umgang mit schlechten Nachrichten.
Doch dann gibt es eben auch Tage, wie den heutigen, an dem einen die Berichterstattung mit Anlauf und durchgestreckten Bein in die Fresse springt. Was war passiert? Ich zitiere den Tagesspiegel:
"Vier Menschen sind am Mittwochabend im Potsdamer Oberlinhaus gewaltsam getötet worden, eine weitere Person wurde schwer verletzt. Tatverdächtig ist eine Mitarbeiterin. Das Amtsgericht Potsdam hat die 51-jährige Tatverdächtige in die Psychiatrie eingewiesen."
Machen wir das deutlicher: Vier pflegebedürftige Menschen wurden offenbar von einer Mitarbeiterin einer Pflegeeinrichtung getötet, ihnen wurden anscheinend die Kehlen durchgeschnitten, ein weiterer pflegebedürftiger Mensch wurde schwer verletzt. Mordmerkmale liegen übrigens nicht vor, warum auch? Kann doch mal passieren, dass man vier kranke Menschen abschlachtet und einen fünften Versuch begeht.
Was hören wir aus den Medien? Wir hören mögliche Motive, unter anderem die "Erlösung von Leid". Ob die Menschen gelitten haben? Ja hmm, keine Ahnung, aber die waren behindert, das ist ja zwangsläufig mit Leid verbunden, zumindest wenn man die Mehrheit fragt.
Rechtfertigungen für die Tat werden am laufenden Band geliefert, wohin man auch blickt. Überforderung wird da auch gerne genannt. Was auch sonst? Niemand bestreitet, dass Jobs in der Pflege hart sind, aber eine Entschuldigung ist das definitiv nicht.
Aus der Politik hören wir nichts, wie immer wenn es Vorfälle in Pflegeeinrichtungen geht, manchmal ist Schweigen eben laut.
Ich würde gerne sagen können, dass das ein tragischer Einzelfall ist, aber er ist es nicht. Natürlich ist das einer der schwereren Fälle, ohne Frage, doch die Vorfälle in Pflegeeinrichtungen häufen sich und sie steigern sich in ihren Ausmaßen.
In einem Land mit einer Geschichte von Mord und Gewalt an behinderten Menschen, damit meine ich übrigens nicht ausschließlich den Nationalsozialismus.
Wir brauchen keine Rechtfertigungen, keine Entschuldigung. Wir wollen in solchen Fällen nichts von Überforderung hören, oder von "Erlösung von Leid". Wir brauchen eine Anerkennung von systemischer Gewalt in vielen Behinderteneinrichtungen und einen gesellschaftlichen Konsens von Behindertenfeindlichkeit und Ableismus. Wir müssen hin, zu einer bedingungslosen Förderung des selbstbestimmten Lebens, weg von der Ansicht, das eine Behinderung nur ein Kostenfaktor ist.
Ich bin traurig, ich bin müde, ich bin wütend. Mütend.