Gelassenheit
Der Schlüssel zur Gelassenheit
Gelassenheit ist ein „Zustand von Souveränität und Angstfreiheit“, schreibt Elke Nürnberger in ihrem Buch „Gelassenheit lernen“. Gelassenheit zeichne sich dadurch aus, dass Ruhe und Ordnung im Kopf herrschen, man Unabänderliches akzeptiert und damit angemessen umgeht. Menschen, die das beherrschen, lassen sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen, geraten kaum in Panik und regen sich schon gar nicht über Kleinigkeiten auf. Vielmehr gibt ihnen ihre Gelassenheit innere Sicherheit, sodass sie souverän und entspannt mit Problemen umgehen können. Es ist die Einstellung und Fähigkeit, mit schwierigen Situationen umzugehen und nicht die Fassung zu verlieren.
Durch mehr Gelassenheit erlangen wir Kontrolle und Handlungsfähigkeit zurück. Statt blinder Wut, Ohnmacht und explodierender Emotionen kann unvoreingenommen und angemessen reagiert werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, die eigene Macht zu erkennen, die Situation zu lösen. „Je mehr Möglichkeiten wir wahrnehmen, desto besonnener bleiben wir – und je gelassener wir an die Dinge herangehen, desto mehr Handlungsspielraum haben wir“, schreibt Nürnberger.
Was steht Ihrer Gelassenheit im Weg?
Die häufigsten Ursachen für mögliche Ausraster sind Grenzüberscheitungen. Jemand greift Sie persönlich an, dringt in Ihre Privatsphäre ein, tritt Ihre Werte mit Füßen. Sie fühlen sich ungerecht behandelt, ausgenutzt, betrogen – vergewaltigt auf einer seelischen Ebene. Es sind Dinge, die wir NICHT beeinflussen können. Sie passieren zunächst einmal und sind nicht zu ändern. Was jetzt passiert, erinnert allerdings ein wenig an einen Pawlow’schen Hund: Wir reagieren – unüberlegt, automatisert, reflexartig…
Bevor wir nachdenken, regen wir uns auf. Keine Chance für Gelassenheit. Schon der erste Impuls war ausreichend. Dabei ist es egal, ob Sie absichtlich oder unabsichtlich provoziert wurden. Das ist ohnehin der falsche Ansatz: Sie wurden nicht nur provoziert – Sie haben sich provozieren lassen. Es ist Ihre Einstellung und Entscheidung. Die Verantwortung für Ihre Gelassenheit können Sie niemand anderem in die Schuhe schieben. Die häufigste Ursache fehlender Gelassenheit ist somit eine falsche Mentalität.
Weitere Probleme
Neben den direkten Auslösern in Form von äußeren Angriffen, gibt es noch einige weitere Faktoren, die Ihrer Gelassenheit ein Dorn im Auge sein können und dafür sorgen, dass alle guten Vorsätze zu mehr innerer Ruhe sofort wieder über Bord geworfen werden. Ein verbreitetes Problem: Gelassenheit ist die Ausnahme. Die meisten Menschen stehen ständig unter Strom, regen sich auf, debattieren, reden sich in Rage, lassen sich auf die Palme bringen und rasten auch hin und wieder einmal aus. Gerade im Job ist dauerhafte Anspannung normal und wird sogar teilweise erwartet. Gelassenheit fällt da schwer.
Hinzu kommen weitere Aspekte, die es uns erschweren, gelassen zu bleiben:
Gefühl der Zugehörigkeit
So merkwürdig es klingt: Sich zusammenzuschließen, um sich über eine Sache aufzuregen, erzeugt ein Gruppengefühl. Das gleiche Feindbild schweißt zusammen und gibt ein Gefühl der Zugehörigkeit, nach dem viele Menschen streben. Wer sich mit den Kollegen über den nervigen Kunden oder den inkompetenten Chef auslässt, fühlt sich der Gruppe angeschlossen, während derjenige, der die Situation gelassen sieht, eher zum Außenseiter wird.
Alte und schlechte Gewohnheiten
Aufregung, Nervosität und auch Wut oder Zorn können zur Gewohnheit werden. Mit der Zeit haben Sie diese Reaktionen auf bestimmte Situationen verinnerlicht und spielen diese dann ganz automatisch ab, ohne sich dessen überhaupt wirklich bewusst zu werden. Solche Verhaltensmuster lassen sich nicht nicht ohne weiteres innerhalb von kurzer Zeit wieder aufbrechen, was es noch schwieriger macht, Gelassenheit zu praktizieren, wenn man über Jahre hinweg aufbrausend war.
Aussichtslosigkeit
Gelassenheit praktizieren? Das klappt doch eh nicht, schon gar nicht in meinem Beruf… Zu viel Stress, zu viele Aufgaben, zu nervige Menschen, zu wenig Zeit. Wie sollte man da gelassen sein? Wer so denkt, scheitert bereits, bevor er richtig begonnen hat. Gelassen zu bleiben ist schwierig, aber Sie müssen der neuen Einstellung eine echte Chance geben. Sonst kochen Sie bei nächster Gelegenheit wieder vor Wut.
Einfachheit
Gelassenheit ist der bessere und positivere Weg, doch das Gegenteil ist der leichte Ausweg aus einer Situation. Sich aufzuregen, laut zu werden, anderen die Schuld zu gehen, jeder Emotion sofort freien Lauf zu lassen und wegen jeder Kleinigkeit aus der Haut zu fahren, ist leicht, erfordert keinerlei Kontrolle und fühlt sich manchmal einfach gut an. Gelassenheit auf der anderen Seite erfordert ein Umdenken, Selbstbeherrschung und das nötige Selbstbewusstsein, mit jeder Situation umgehen zu können, ohne auszurasten.
Wie bekommt man mehr Gelassenheit?
Den ersten Schritt auf dem Weg zu mehr Gelassenheit haben Sie bereits getan: Sie kennen das Problem und machen sich die Abläufe bewusster. Sie müssen nicht mehr reagieren, Sie können entscheiden. Die Ernüchterung: Das allein macht Sie nicht automatisch zu einem gelasseneren Menschen. Die Kunst liegt darin, das Wissen in der akuten Situation abzurufen. Wahre Gelassenheit zeigt sich schließlich nicht in entspannter Atmosphäre, sondern in schwierigen Situationen.
Die gute Nachricht: Das ist möglich und lässt sich sogar lernen. Leider ist es ein schwieriger Weg, auf dem Sie keine Sofort-Erfolge erwarten sollten. Die folgenden Übungen Tipps helfen Ihnen dabei, nicht an die Decke zu gehen, sondern gelassen zu bleiben:
Prüfen Sie Ihre Wahrnehmung. Was ist genau passiert? Ist es wirklich so schlimm? Vor allem aber: Was sind wirkliche Folgen und was nur eingebildete? Oft verlieren wir die Gelassenheit, weil wir übertreiben.
Treffen Sie eine Entscheidung. Selbst wenn jemand Sie gezielt provoziert oder angreift, ist es immer Ihre Entscheidung, wie Sie reagieren. Erinnern Sie sich daran: Sie haben die Wahl, ob sie gelassen bleiben oder aus der Haut fahren. Nehmen Sie sich einen Moment, um nicht impulsiv zu handeln.
Kontrollieren Sie Ihre Sprache. Sprechen Sie gerne von „Mega-Problemen“, „katastrophalen Zahlen“, „furchtbaren Desastern“, „brutalen Prognosen“, „irrsinnigen Entwicklungen“, dem „totalen GAU“? Schon die Sprache erschwert Gelassenheit. Katastrophen-Sprecher sind meist auch Katastrophen-Denker.
Suchen Sie einen Ausgleich. Gelassenheit fällt leichter, wenn Sie dem ständigen Stress entkommen und einen Ausgleich zur Daueranspannung suchen. Treiben Sie Sport, genießen Sie Zeit mit Freunden, gehen Sie Ihren Hobbys nach. Alles, was Ihnen Spaß bereitet und gut tut, hilft dabei, die Dinge gelassener zu sehen.
Sagen Sie Nein. Ihnen wird alles zu viel, Sie fühlen aufkommende Überforderung – dann sagen Sie Nein. Das Kennen und Einhalten eigener Grenzen ist eine wichtige Voraussetzung für einen gelasseneren Umgang mit Reaktionen.
Setzen Sie Prioritäten. Legen Sie fest, was wichtig und dringend ist. Nicht nur bei Aufgaben und ToDos, auch bei Menschen und Situationen. Die meisten Dinge, die uns aus der Fassung bringen, sind längst nicht so wichtig oder schlimm. Geben Sie solchen Kleinigkeiten nicht die Macht über Ihre Gelassenheit.
Ziehen Sie die Notbremse. In der Psychologie wird dies „Exit-Strategie“ genannt: Bevor Sie Ihre Gelassenheit verlieren, ziehen Sie sich aus der Situation zurück. Gerade bei drohenden Eskalationen ist dies eine gute Strategie. Diese Methode hilft dabei, gelassener zu bleiben und brenzlige Situationen zu entschärfen. Zudem schützt sie Beziehungen vor Worten und Bemerkungen, die später bereut werden könnten.
15 Übungen und Tipps, mit denen man Gelassenheit üben und trainieren kann.
Zur besseren Orientierung haben wir diese in drei Kategorien sortiert. So können Sie die Maßnahme auswählen, die zu Ihrer Situation passt:
Sofortmaßnahmen
Sie befinden sich in einer akuten Situation und merken, dass der Kragen zu platzen droht. Diese Maßnahmen können sofort zu mehr Gelassenheit verhelfen:
Durchatmen
Wenn das Blut kocht, sollten Sie erst einmal tief durchatmen und bis zehn zählen. In einigen Fällen auch bis 50. Setzen oder stellen Sie sich dazu aufrecht hin, die Schultern gerade. Nun versuchen Sie nur durch die Nase in den Bauch zu atmen – ohne dass sich der Brustkorb hebt. Tiefe Atemzüge beruhigen sofort. Der Auslöser ist damit zwar noch nicht unter Kontrolle – aber Sie vermeiden Kurzschlusshandlungen und Ausraster.
Trinken
Am besten ein Glas Wasser. Dieser einfache Trick sorgt dafür, dass Sie Ihren Ärger sprichwörtlich wegspülen und sich Ihre Nerven bald wieder beruhigen. Zudem schaffen Sie eine sofortige Distanz zur Situation, die Sie gerade aufregt. Mit diesem Trick erhöhen Sie den Abstand und können besonnen und gelassen reagieren.
Analysieren
Wenn Sie spüren, wie der Ärger anschwillt, machen Sie einen Schritt zur Seite und fragen Sie sich, was Sie auf die Palme treibt. Letztlich beginnt der Ärger in Ihnen selbst, das Umfeld ist nur der Auslöser. Der Abstand schärft den Blick für das große Ganze. Indem Sie die erlebte Kränkung bewusst auf das Niveau holen, das ihr zusteht, bringen Sie auch Ihren Groll wieder auf ein Normalmaß.
Schweigen
Der Punkt kann gar nicht stark genug betont werden: Solange Sie vor Wut schnauben, sollten Sie die Klappe halten. Reden oder schreien Sie sich nicht in Rage, sondern bleiben Sie ruhig – im doppelten Sinne. Gelassen zu bleiben ist leichter, wenn Sie erst einmal nichts sagen.
Überhören
Ja, richtig gelesen. Es ist ein Zeichen von Reife und Größe, wenn Sie nicht auf jeden Fehdehandschuh reagieren. So manches Ärgernis lässt sich aus der Welt schaffen, indem Sie einfach mal auf einem Ohr taub bleiben. Warum aufregen, wenn es Sie nicht weiterbringt? Demonstrieren Sie Gelassenheit und stehen Sie über der Aussage. Das trifft den anderen ohnehin oft härter, da dieser auf eine Reaktion abgezielt hat.
Einordnen
Denken Sie langfristig: Rache ist oft der erste Impuls auf das Ärgernis. Rache hat aber noch nie ein Unrecht gut gemacht, sondern eher verschlimmert. „Wenn die Wut wächst, denke an die Konsequenzen“, mahnte einst Konfuzius weise. Ist es sinnvoll, Ihren Frust auf den Kunden rauszubrüllen? Wohl kaum.
Aktivitäten
Die folgenden Aktivitäten eignen sich, um langfristig Gelassenheit zu trainieren und einen entspannteren Umgang auf schwierige Situationen zu lernen.
Austausch
Konsultieren Sie einen guten Freund und schütten Sie diesem Ihr Herz aus. Reden baut Stress und Ärger ab. Es hilft aber auch, die Gedanken zu sortieren und schützt zugleich vor Fehleinschätzungen. Mit dem Rat und einer weiteren Perspektive ist es leichter, gelassen zu bleiben.
Bewegen
Ein Gefühlsausbruch hilft Ärger, Wut und die angestaute Energie loszuwerden. Den gleichen Effekt hat Bewegung. Sie gilt nicht ohne Grund als beste und natürlichste Medizin gegen Stress und Frust. Körperliche Aktivität baut Stresshormone ab, lässt Sie die Probleme des Alltags gelassener ertragen und fördert zudem die Gesundheit. Also spazieren Sie erst einmal eine Runde um den Block und stampfen Sie so Ihre Wut in Grund und Boden.
Entspannungsübungen
Zahlreiche Entspannungsübungen können zu mehr Gelassenheit verhelfen. Meditation (zum Beispiel Metta-Meditation), Autogenes Training oder Progressive Muskelentspannung sind bekannte Beispiele. Probieren Sie verschiedene Übungen aus, um zu erkennen, was für Sie persönlich funktioniert. Regelmäßige Ausübung solcher Entspannungsübungen lässt Sie in Stresssituationen ruhiger bleiben.
Psychologische Tricks
Zuletzt gibt es einige psychologische Tricks, die Sie für mehr Gelassenheit nutzen können. Diese können Sie jederzeit anwenden – als Vorbereitung auf eine stressige Zeit, in der Sie ruhig bleiben wollen oder auch, um Ihren Ärger in den Griff zu bekommen:
Lachen
Bekämpfen Sie Ihre Wut mit Humor. Gelotologen, also Wissenschaftler, die das Lachen erforschen, haben herausgefunden: Lachen baut Stress ab und hebt durch Glückshormone die Stimmung. Es klingt absurd, funktioniert aber. Regen Sie sich nicht auf, sondern lachen Sie die Situation einfach weg. Sie werden sofort gelassener sein.
Vergeben
Gemeint ist hier kein sentimentaler Ausbruch. Trotzdem müssen Sie lernen, anderen zu vergeben. Sonst sind Sie am Ende nur noch von Feinden umgeben. Die Vergangenheit können Sie nicht mehr ändern. Aber die Zukunft – und damit hat jeder die Chance, wieder über sein Leben zu bestimmen.
Vergessen
Der Punkt hängt eng mit dem Vergeben zusammen. Mit der Vergangenheit abzuschließen bedeutet auch, alte Wunden nie mehr aufzureißen. Sowohl im eigenen Interesse, aber auch, weil es Teil der Abmachung ist, sich wirklich zu versöhnen und zu vergeben.
Suchen
Egal, wie böse die Tat war – sie definiert den anderen nie völlig. Jeder Mensch hat auch seine guten Seiten. Zugegeben, bei manchen muss man sie länger suchen. Aber es gibt sie. Indem man seinen Blick darauf fokussiert, verändert man zwar noch nicht den anderen, aber sich selbst. Sie werden gelassener, wenn Sie erkennen, dass der andere vielleicht nur aus falschem Stolz, nicht aber aus reiner Böswilligkeit gehandelt hat.
Selbstgespräche
Selbstgespräche reduzieren Aggressionen und sorgen für einen differenzierteren Blick und mehr Klarheit im Geist. Bevor Sie sich grundlos aufregen, sollten Sie die Dinge mit sich selbst ausdiskutieren. Ein solch interner Monolog beugt Missverständnissen vor und verhilft zu mehr Abstand, um in Ruhe die eigene Reaktion zu bedenken.
Dankbarkeit
Dankbarkeit verbannt negative Gedanken und reduziert Stress. Überlegen Sie mal: Es hätte vielleicht noch schlimmer kommen können. Lenken Sie Ihren Fokus gezielt auf das Positive, statt sich über das Negative aufzuregen.
Warum sich Gelassenheit lohnt
Gelassenheit kommt selten von allein und erfordert einigen Aufwand, wie die obigen Übungen und Tipps zeigen. Warum also sich die Mühe machen und sich mehr Gelassenheit antrainieren? Ganz einfach: Weil es sich lohnt! Eine gelassenere Haltung im Leben hat zahlreiche Vorteile, von denen Sie profitieren können:
Mehr Zufriedenheit
Wer sich ständig aufregt, leidet unter dem Stress und ist insgesamt unzufriedener. Eine gelassene Einstellung sorgt für mehr Glück und Zufriedenheit. Sie nehmen die Dinge leichter, können das Positive sehen und bleiben in schwierigen Situationen optimistisch.
Bessere Entscheidungen
Egal, wie die Umstände aussehen: Bei gelassenen menschen bleibt der Verstand Herr der Lage. Sie lassen sich nicht zu voreiligen Ausbrüchen verleiten, sondern handeln überlegt und rational. So treffen Sie bessere Entscheidungen.
Größerer Erfolg
Gelassene Menschen können Probleme und Krisen mit dem nötigen Abstand betrachten, sehen Herausforderungen als Chancen, statt sich darüber aufzuregen. Erfolg hat nur, wer unter Druck die Ruhe bewahrt und weiterhin Leistung bringt.
Langfristigere Beziehungen
Auf andere Menschen wirkt Gelassenheit sympathisch und souverän. Niemand mag eine tickende Zeitbombe oder dauernervöse Charaktere. Natürliche Ruhepole strahlen auf das Umfeld ab und ziehen andere an. Zudem vergraulen Sie durch Explosionen keine Kontakte, sondern erhalten langfristige Beziehungen.
Mehr Selbstbestimmung
Mit einer gelassenen Grundeinstellung übernehmen Sie selbst die Kontrolle über Ihr Handeln. Sie können nicht von anderen beeinflusst oder zu einem bestimmten Verhalten provoziert werden. So verhilft Gelassenheit zu einem hohen Maß an Selbstbestimmung. Sie sind Ihres eigenen Glückes Schmied, ohne sich manipulieren zu lassen.
Quelle:karrierebibel.de/gelassenheit