Heilende Texte
„Zünde dein Licht an"...
Der Herbst ist leis erwacht und
mischt schon voller Freude die
neuen Farben für das Blattwerk.
Kleine Feuer leuchten in der
Dämmerung und knisternde
Kamine entlassen ihren Rauch
in den klaren, kühlen Abendhimmel.
Man versammelt sich in den
Lichtkegel der Flammen, rückt
nah zusammen um die Wärme
an sich zu halten.
Die Stimmen werden leiser, das
Treiben auf den Straßen wird
ruhiger. Abendnebel streifen
durch die Wälder und hüllen
diese in Magische Gewänder.
Ich sitze in meinem Sessel,
eingehüllt in meinen Gedanken,
weit weg von all dem Tun. Ich
schweife durch meine Gefühle
und erkenne, dass ich ihnen lange
kein Gehör mehr gegeben habe.
Die Wanduhr tickt leis vor
sich hin… tick… tack… tick …tack…
Ich stoße einen Seufzer der
Schwere aus mir heraus.
Ich bin so müde, immer
so müde… müde… mühe…
müh… m… mhmmm…
Ich spüre das etwas an
meine Seele klopft…
Klopf… klopf…
„Ja… herein…!“
Die Tür geht auf.
„Hallo mein guter Freund,
bitte komm doch hinein und
setzte dich für ein Moment zu
mir. Schön dich wieder zu sehen,
ich habe dich schon seit Wochen
gespürt und nun besuchst du mich“
Wir setzen uns, es ist still um
uns denn wir brauchen keine
Worte um uns zu verstehen.
Wir tauschen uns in unseren
Gedanken aus. Wie angenehm
das doch ist…Mein Gast hat noch
ganz verschlafene Augen, er reckt
und streckt sich und gähnt ganz
entspannt in den Raum. Ich muss
lachen, es sieht so lustig aus.
„Sag mir mein guter alter Freund,
was hast du geträumt, wie ist es
dir ergangen in all der Sommerzeit“?
Er erzählte mir das er von der großen
Mutter geträumt hatte, von seinem
Freund dem Frost und von dem
wunderschönen Schnee. Er erzählte
mir wie er tief im Erdreich ruhte und
ab und zu dem hellen Treiben
oben lauschte.
Ich fragte ihm wie er denn
immer wüste wann er erwachen
müsste?!
Er lächelte und sagte das es
die Bäume sind die ihm mit ihren
langen Wurzeln vorsichtig kitzeln.
Sie sind es die ihm das Zeichen
geben zu erwachen.
„Und wie fühlt sich das an…?“,
frage ich.
„Es ist wie ein warmer Schauer“
erwidert er. „Ich spüre dass die
Bäume müde werden. Wenn die
Tage kälter und kürzer werden,
beginnen sie ihre Energien in ihren
Ästen und Stämmen zurück zu ziehen.
Das gesammelte Licht fließt dann
durch ihre Fasern zu mir ins
Erdreich und sammelt sich dort.
Zuerst fühlt sie diese Energie ganz
durcheinander an, verflochten
und laut.
Erst ganz langsam, nach und
nach beruhige und sortiere ich
ich sie , danach werden sie ganz
eben und leise mit der Erde. Ich
spüre dann wie die Pflanzen und
Bäume aufatmen und ihre Schwere
von sich fallen lassen. Sie recken
und strecken sich noch einmal
und dann beginnen sie einzuschlafen“.
“Das ist ja so, als ob du ihnen
das Bett vorbereitest, damit sie
sich ausruhen und sammeln
können !?“, frage ich.
„Ja, so kann man das sehen“...
Stille um uns…
Er schaut mich lange
schweigen an.
Dann sagt er mit ruhiger Stimme
in mein Herz:“ Du weist warum
ich hier bin“?!
„Ja, ich weiß warum du mich
wieder besucht hast“…
„Du möchtest das ich meine Blätter
abwerfe und mich sortiere, oder“?!
„Ja, deswegen bin ich bei dir.
Du weist das es nötig ist… du
weist das du in dich gehen must,
dich sammeln und eben mit
der Erde werden sollst. Ich
werde dir helfen und dich
durch diese Zeit begleiten“.
Ich schaue ihn an und ein
Gefühl der Angst steigt in
mir auf. Ich weiß zu gut wie
sich das anfühlt, wenn man
lange in sich nicht hineingehört
hat, wenn man sich nicht die
Zeit genommen hat über
das Jahr seine Schwere an
die Erde abzugeben.
Wenn die Stille einen umarmt und
leis in dein Ohr flüstert: “Es ist Zeit…
lass nun alles los, gib auf und lasse
dich fallen“… dann birgt dieser
Moment oft Schmerz und Angst.
So vieles hat sich über das Jahr
und noch länger in einem angesammelt.
So viele Gefühle haben sich
übereinander gestapelt, so
viele Worte wurden nicht mit
der Seele geteilt.
Wir blieben noch eine Weile
zusammen und erzählten uns
unsere Träume und erlebten
Abenteuer… Wir lachten und
weinten miteinander. Wir
freuten uns um das Erreichte
und betrauerten die Verluste
die wir erlebt hatten…
Dann stand mein guter alter
Freund auf. Ich führte ihn zu Tür.
Ich öffnete ihm, in dem Moment
schaute er über seine Schulter
und streichelte über mein Haar…
Mit ruhiger Stimme sagte er
zum Abschied zu mir:
„Mein guter Freund, ich weiß wie
alleine du dich fühlst, ich spüre
deinen Schmerz, ich höre deine
Gebete, ich sehe dein Bemühen
und ich weiß wer du unter dieser
Hülle bist. Wie schön dass du
mit mir bist, das du meine Stimme
hier oben über der Erde bist,
das du es bist der sich über
meine Farben freut, der durch
meine Nachtnebel ohne Angst
streift, der meine Stimme in sich
spürt… Du bist nicht allein, ich
werde an deine Seite weilen und
dich durch das Laub tragen, so
wie ich es schon immer tat“.
Er drehte sich um und verschwand
langsam in der Abenddämmerung.
Ich ging zu meinem Fenster
und zündete eine Kerze an.
Eine Kerze für all jene die angst
haben, wenn mein Freund auch
an ihrer Tür klopft und um Einlass
bittet. Ein Licht für die kommende
dunkle aber auch bunte Zeit.
Damit sie erkennen das es doch
nötig ist, seine Blätter fallen zu
lassen um somit wieder leicht
zu werden. Gestärkt mit dem
inneren Wissen, das wir dadurch
dem Himmel im Frühjahr wieder
ein Stück näher kommen und
unserer Wurzeln wieder ein
Stück tiefer und kräftiger mit
unserer Erde verbunden sind.
Es ist Zeit….
zünde das Licht
in dir an...
...
Text: Markus Everdiking (Heilende Texte)