Zitat von **********berer:
„Ich glaube ja fest daran, dass die anfängliche Verliebtheit und die Schmetterlinge sehr wichtig sind. Nur, wenn diese langsam weniger heftig mit den Flügeln schlagen, sollte bewusst werden, dass das Glück nicht vom Himmel fällt.
Wenn das beiden in der Partnerschaft (oder mehreren bei Poly-Menschen) bewusst ist und sie entsprechend handeln, ist doch alles gut, oder? Aber fehlt diese Bereitschaft nicht oft? Und wird das schlimmer, u.a. durch die hier im Thread beschriebenen Trends?
Wenn das beiden in der Partnerschaft (oder mehreren bei Poly-Menschen) bewusst ist und sie entsprechend handeln, ist doch alles gut, oder? Aber fehlt diese Bereitschaft nicht oft? Und wird das schlimmer, u.a. durch die hier im Thread beschriebenen Trends?
Ich möchte nochmal auf diesen Post zurückkommen, denn mich beschäftigt das Thema seit ein paar Monaten intensiv und ich bin an diesem Wochenende an den Punkt gekommen, wo mein Knoten geplatzt ist.
Es ist nur meine Meinung und nicht allgemeingültig:
Ja, die Bereitschaft, Beziehungspflege zu betreiben fehlt ganz oft. Warum? Weil kaum jemand noch den Willen und den Mut aufbringt über den mit Schmetterlingen gefüllten Tellerrand hinauszuschauen. Ich bin seit 2006 im Joy, mal mehr, mal weniger, in immer unterschiedlichsten Konstellationen. Das Forum entwickelte sich und von Jahr zu Jahr wurde die Partnersuche aggressiver, lauter, negativer. Viel zu oft lese ich heute noch -gerade auf den weiblichen Profilen- eine ellenlange Ausschlussliste. Da werden Männer abgekanzelt, nur auf die F...schiene reduziert und das eigene Leid der Frauen auf die böse Männerwelt projiziert. Umgekehrt sicher genauso, das fällt mir tatsächlich aber weniger auf.
Heute muss der Mensch perfekt sein, er sollte (in meinem Alter) größer sein als ich, keine Grundschulkinder mehr haben, keine Ex-en mehr unterstützen, einen tollen Freundeskreis haben, sich alleine beschäftigen können, frau nicht nerven und natürlich vor Dominanz nur so strotzen.
Ach ja...ganz wichtig: potent und gesund muss er auch noch sein.
Das heißt: es wird ein Mensch als Partner gesucht, der genau so für mich passt, wie ich es will. Geht das? Natürlich nicht. Wie auch, bei unterschiedlichen Lebensgeschichten? Bis zum Zeitpunkt des Kennenlernens war jeder für sich individuell und nur, weil ich jetzt in sein Leben trete, darf er das nicht mehr für mich sein?
Wo sind denn unsere Erinnerungen geblieben an die Zeiten, wo wir (es geht bestimmt Einigen von Euch so wie mir), unsere Partner kennengelernt und uns ins unbekannte Abenteuer gestürzt haben? Unbedarft, unwissend....wir wollten zusammenbleiben und unser Konzept vom Leben leben, ganz klassisch: Hochzeit, Hausbau/-kauf, Kinder, Haustiere...glücklich sein bis zum Lebensende. Bis zum Bääääähm am Ende der Ehe ist aber noch soviel passiert: Krankheiten, Tode von Familienmitgliedern, finanzielle Engpässe, sexuelle Flauten, Sorgen um die Kinder. All das hat man in der Ehe unter sich emotional verbundenen und treuen Partnern gewuppt. Da wurde nichts in Frage gestellt. Man ging durch die schlechten Zeiten genauso gemeinsam wie durch die guten. Wir hatten noch Träume, Wünsche, Hoffnungen und vor allem Ziele. Ziele, die wir gemeinsam angegangen sind. Es gab nichts, was wir nicht gemeinsam irgendwie geschafft haben.
Heute haben die Meisten von uns genau dieses Leben hinter sich. Es wird wieder der Partner fürs Leben gesucht, dieses Mal aber die Perfektion in Vollendung. Bitte sofort und auf dem Präsentierteller. Aber: wo sind die gemeinsamen Lebensziele? Jeder ist doch nur noch für sich, der Feminismus hat da -m.M. nach- einen entscheidenden Anteil dran. Was gut anfing, hat sich in vielerlei Hinsicht zu einem Drama entwickelt.
Vor vier Monaten habe ich einen Mann kennengelernt. Am ersten Abend in der Kneipe erzählte er mir ziemlich früh von einem persönlichen Problem (ich möchte an dieser Stelle da nicht weiter drauf eingehen). Ich musste schlucken und überlegte, wie ich aus der Nummer jetzt ganz schnell rauskomme.
Blöd nur, dass dieser Kerl etwas an sich hatte, was mich faszinierte und das war in diesem Moment seine Ehrlichkeit mir gegenüber in den kurzen Stunden, die wir uns gerade erst kannten. Wir haben uns weiter getroffen, regelmäßig und das Pflänzchen begann zu sprießen. So ehrlich wie wir im Umgang miteinander waren, so sehr fehlte mir dennoch etwas, was ganz schwer zu erklären ist. Andersrum gesagt: ich hatte die ganzen letzten Wochen das Gefühl, dass er mir was verschweigt. Nicht im bösartigen Sinne, sondern eher in die Richtung, dass er noch mehr Vertrauen zu mir aufbauen muss, um sich mir ganz zu öffnen.
Ich habe da schon fast regelrecht drauf gelauert und am letzten Wochenende drückte der Schuh ganz dolle bei mir, aber ich wusste, spreche ich ihn darauf an, könnten meine Worte falsch bei ihm ankommen.
Als er mich zum Abschied in den Arm nahm und fest drückte, schossen mir die Tränen in die Augen und ich sagte ihm nur, dass ich das Gefühl habe, bei ihm in die Friendzone zu rutschen und er nicht mehr als geschwisterliche Gefühle für mich hätte. Er war geschockt, sagte nur, dass dem nicht so ist, und dann fuhr er. Die ganze letzte Woche haben wir darüber am Telefon kein Wort verloren, alles war wie immer.
Dann, gestern, saßen wir bei Kerzenschein und Bierchen auf der Terrasse und lauschten dem Starkregen, eng aneinander gekuschelt. Und dann redete er. Über all das, was in den letzten Jahren nicht nur bei ihm sondern mit ihm passiert ist. Ich habe ihn reden lassen, habe zugehört, vorsichtig nachgefragt und habe immer eine Antwort bekommen. Sowas Vertrautes, ich habe das in den letzten Jahren in dieser Intensität nicht mehr gespürt. Er hat vor mir einen Seelenstrip hingelegt, ohne sich zu Bedauern. Fakten und Emotionen hielten sich die Waage. Trauer und Leid, aber kein Selbstmitleid. Er hat sich geöffnet und mir durch das Gesagte einen ganz tiefen Einblick in sein Seelenleben gegeben und es war genau das, was ich im Vorfeld über viele Wochen gespürt habe. Ich wusste, wir brauchen Zeit. Ich wusste auch, dass ich nicht seine Probleme lösen kann, aber einen entscheidenden Anteil daran haben könnte, dass sich diese Probleme verflüchtigen. Und genauso ist es gestern gekommen.
Mein Herz ist gerade richtig richtig voll. Es quillt fast über. Nicht vor Romantik oder Kitsch. Voll von tiefer Zuneigung und Dankbarkeit ihm gegenüber, einen so tiefen Blick in sein Herz und seine Seele bekommen zu haben. Und in mir spüre ich Stolz. Stolz auf mich, dass mein Gefühl mich nicht getäuscht hat und ich mir vertraut habe. Stolz, meine Ungeduld im Zaum gehalten zu haben für eine Chance auf ein Wir.
Die dicke fette Kuh haben wir gestern vom Eis geschubst, ob sie dann nochmal auf der Wiese strauchelt, wissen wir nicht. Aber das ist momentan überhaupt nicht wichtig. Der Moment zählt und der gibt mir gerade nicht nur ganz viel Kraft sondern lässt mich am heutigen Sonntag ziemlich glücklich und gedankenverloren zurück.
Hätte ich diesem Menschen am ersten Dateabend eine Absage erteilt, wäre mir ein unglaublich toller, liebenswerter und mir zugewandter Mensch einfach so flöten gegangen. Dieser Mensch ist nicht perfekt, genauso wenig wie ich es bin, aber wir haben gestern einen perfekten Meilenstein für uns gesetzt. Da ist noch soviel mehr....
Vier Monate bis heute, eine lange Zeit. Es hat sich wirklich gelohnt, abzuwarten und dranzubleiben.
Ich möchte mich damit nicht profilieren, denn es war -zugegeben- schon eine sehr harte Zeit für mich. Ungeduld und Unwissenheit sind nicht meins.
Ich weiß aber auch, dass nur Wenige diesen Weg ebenfalls so gehen würden, vielleicht bin ich da auch einfach leidensfähiger und nehme mich zu weit zurück. Aber so bin ich. Ich war und bin Beziehungsmensch und dafür gebe ich viel. Weil ich nicht nur an Menschen glaube, sondern auch mir in vielerlei Hinsicht vertraue.
Muss ich der medialen Glitzerwelt folgen? Muss ich "Du darfst" essen, damit ich so bleiben darf, wie ich bin? Schönheitswahn, weltverändernder Sex, muss ich den wirklich haben? Und vor allem: wer soll mir das alles bieten? Liegt es nicht an mir, mal genauer hinzuschauen, warum ich gerade Dieses oder Das von meinem Gegenüber haben will und das möglichst sofort?
Oder darf ich auch ruhig mal den Fernseher ausschalten, den Joy zuklappen und mich auf das besinnen, was mein ureigenstes Bedürfnis ist und welche Wünsche ich habe? Ist mein Partner für die Erfüllung zuständig oder definieren wir das gemeinsam als unser gemeinsames Ziel?
Es ist lang geworden, bitte dafür um Entschuldigung. Ich konnte gerade nicht anders.
PS: @*********hmidt : Du hast uns heute gesehen, als Du mit dem Rad an uns vorbeigefahren bist. Das isser