Ich habe den Eindruck , dass Moral oder Konzept , die in den vorangegangenen Posts erwähnt wurden, Begriffe sind, mit denen man beschreiben möchte, dass es sich um individuelle komplexe Sichtweisen handelt, die durch Erwartungen, Erfahrungen und Prägungen entstehen.
Was die Gesellschaft einem als normal oder must have/must do vermittelt. Was die Eltern vorgelebt haben. Was die Umgebung als richtig widerspiegelt oder als no go. Was man in Filmen oder Büchern liest. Sogar die Texte von Songs im Radio vermitteln sowas ohne dass wir uns dessen bewusst sind.
Beispiele :
Der Prinz, der die Prinzessin rettet als Traum vieler Frauen von einem Partner.
Die Frau, die nach Außen stark und selbstbewusst ist, aber als Partnerin dem Mann das Gefühl gibt er wäre der Tollste und lieb und anschmiegsam ist.
Sexuelle Treue als Bestätigung, dass man etwas Besonderes ist für den Partner, als Vermeidung von Verlustängsten.
Sexuelle Prägung als unveränderlich und lebenslang gleich.
Monogamie als gesellschaftliche Norm.
BDSM als pervers.
Usw. Alles große Themen, die ich hier nicht anschneiden möchte, weil sie eigene Threads wert wären.
Liebe. Was ist Liebe? Man kann sie fühlen, das stimmt.
Aber die Einordnung, was sie ist, wie sie gelebt wird, ist wieder sehr individuell. Die Griechen hatten nicht umsonst so viele Worte dafür. Für die Tantriker ist Liebe die Energie, aus der alles gemacht ist und die uns verbindet. Was in etwa der göttlichen Liebe entspricht und bedeutet, dass das Göttliche in allem ist und wir dadurch verbunden sind. Und genau das habe ich sehr oft auch erlebt. In Begegnungsübungen mit fremden Menschen floss eine starke Liebe , die uns zu Tränen berührte. Völlig entgegen aller Konzepte der Gesellschaft.
Im Bereich Liebe und Sexualität sind wir alle extrem in Erwartungen und Konzepten unterwegs und im Tantra lernte ich JEDES MAL hinzuschauen, was ich da als gegeben angenommen habe, zu hinterfragen und zu beschließen, wie ich es leben möchte unabhängig vom Außen. Mein Weltbild hat sich einmal komplett auf links gedreht dadurch.
Loyalität. Wenn ich liebevoll und herzoffen bin mit einem Partner, dann ist mir sein Wohlergehen ein Anliegen. Ich werde ihm nicht schaden. In starker Verbundenheit werde ich mit ihm leiden, wenn er es tut und mich mit ihm freuen, wenn er es tut.
Wir alle kommen aber immer wieder an Momente, in denen es widerstreitende Bedürfnisse gibt. Da wird es in einer Beziehung spannend. Die meisten Menschen entscheiden sich für den Selbstschutz . Oft automatisch bzw unbewusst, weil die Schutzmuster so alt und erprobt sind. Oft weiß man selbst auch gar nicht, dass man sie hat und gerade eins lebt.
Ein Mensch wirkt gerade dann oft unloyal, wenn er eigene Interessen oder Bedürfnisse über die des Partners stellt. Er ist dann loyal sich selbst gegenüber. Das ist völlig normal. Ich kann nicht erwarten, dass der Partner mich immer über seine Bedürfnisse stellt. Ganz besonders, wenn er sich schützt und Ängste im Spiel sind.
Hier im Thread ging es ums Reden und mit wem.
Ist es unloyal, über intimes mit anderen oder zuerst mit anderen zu reden. Ob und wann das unloyal ist, ist ein individueller Blickwinkel. Für den einen ist es easy und selbstverständlich, für den anderen gar nicht. Ein liebevoller zugewandter Mensch wird Rücksicht auf die Gefühle des Partners nehmen und seine Grenzen achten. Tut er es nicht mehr , ist er entweder nicht mehr liebevoll und zugewandt ( ist das dauerhaft stellt das für mich die Beziehung in Frage ) oder er hat ein starkes Motiv wie starke Bedürfnisse oder Ängste, die ihn so handeln lassen.
Dann ist das Label Loyalität für mich der falsche Ansatz, sondern die Frage, warum handelt der Partner so?
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass wir oft Motive und Gründe in das Verhalten und Handeln eines anderen hineininterpretieren, die geraten sind. Wir sind oft sauer und dann erfahren wir, dass die Realität ganz anders aussah. Er hat die Nachricht gelesen und nicht geantwortet. Ja, weil er in einer Besprechung sitzt. Auto fährt. Seine Angehörigen ins Krankenhaus gekommen sind usw. Aber der erste Gedanke war, dass er uns nicht genug liebt oder schlecht behandelt. Nur mal als Beispiel.
Noch ein Beispiel. Fremdgehen wird oft als unloyal empfunden. Als Verrat. Angelogen werden deshalb. Für den, der fremd geht, kann es simple Selbstfürsorge sein ( Suche nach Nähe, Zärtlichkeit und Intimität, die der Partner nicht geben kann oder will ) und die Lügen verhindern, dass Partner und Familie verletzt werden. Es wird auch gesellschaftlich als selbstverständlich gesehen, dass man nicht fremd geht, monogam lebt und eigene Bedürfnisse zurückstellt. Mit anderen Worten: Die Selbstaufopferung wird erwartet zugunsten des Partners. Das sei Liebe und Loyalität.
Das sehe ich nicht so. Die eigenen Bedürfnisse sind gleichberechtigt. Die Selbstliebe hat denselben Stellenwert wie die Rücksicht auf meine Umwelt. Entscheide ich mich bewusst und nicht leichtfertig in einem Interessenkonflikt für mich und gegen die Bedürfnisse des Partnes, ist das daher für mich nicht unloyal. Es ist menschlich. Es gibt keine Sicherheit in Beziehungen vor Verletzung und gegensätzlichen Interessen und Bedürfnissen. Es gibt kein Recht aus Liebe immer Vorrang zu haben.
Die Erwartung an einen Partner er solle der Loyalität immer Vorrang geben, wird zwangsläufig immer enttäuscht. Sie ist utopisch.
Wer wann mit wem redet und worüber ist daher für mich höchst individuell und abhängig von den individuellen Grenzen und Bedürfnissen. Über die man reden sollte und einen individuellen Weg finden sollte. Der auch kein starrer ist, sondern sich genauso verändern darf wie wir Menschen uns immer wieder verändern.