Liebe
@*********in365 ,
ich habe jetzt lange über dein Thema nachgedacht und mal ganz tief in mich hineingespürt.
Vorweg: das zweite Modell macht mir richtig dolles Bauchweh. So kann ich keine Beziehung leben, auch nicht, obwohl ich mit Modell 1 auch schon gegen die Wand gefahren bin.
Eine gemeinsame Schnittmenge bedeutet in meiner Welt keine Einschränkung des eigenen Territoriums. Es bleiben -um bei deinem Bild zu bleiben- dennoch zwei eigenständige Kreise, die sich nur überlappen. Diese Überlappung ist zu meinem Ich die zusätzliche Bereicherung. Dieser Zugewinn kommt on top auf mein Ich, mir wird nichts weggenommen sondern ergänzt mich. Umgekehrt im besten Falle natürlich genauso.
Diese Ergänzung hat im Gegensatz zu deiner Sicht zur Folge, dass ich in meiner Beziehung nicht in und um diese Schnittmenge rangel. Sie ist ein Geben und ein Nehmen. Mal ist der Eine stark, mal der Andere.
Mal entscheidet er, mal ich. Mal ist seine Kompetenz gefragt, mal meine. Ja..und manchmal ist es eben auch so, dass sich Einer von Beiden mit seinem Willen durchsetzt und der Andere diesen Weg mitgeht. Deswegen fühle ich mich nicht dominiert, sondern erfülle ihm seinen Wunsch, weil ich weiß, er ist ihm wichtig. An anderer Stelle ist es dann mal wieder umgekehrt. Damit gebe ich mich nicht auf und noch weniger gebe ich ihm damit die Macht. Für mich gehört zu einer gesunden Beziehung Nähe (die Konflikte beinhalten kann), die ich in deinem zweiten Modell nicht für mich finde.
Ich gebe zu, so ganz kann ich den dritten Kreis als Beziehungsgarten auch nicht verstehen. Auch dieser Kreis wird von zwei Menschen gestaltet, auch da sind Konflikte nicht ausgeschlossen. Der Eine möchte den Urwald, der Andere rupft jeden Stängel Unkraut sofort raus. Gelbe oder weiße Pflanzen, hohe oder niedrige Sträucher, einjährig oder winterhart? Fragen, die gemeinsam geklärt werden müssen und die Konfliktpotential beinhalten. Genauso wie in einer Schnittmenge von Modell 1.
Was ich jedoch verstehe, ist dein Grenzen-Thema. Da finde ich es sogar super wichtig, dir jetzt erstmal klar zu werden, wie du für dich deine Grenzen erkennst und diese auch setzen lernst. So gesehen, finde ich den eigenen Kreis nur für dich in Modell 2 gut und richtig.
Nur: wozu braucht es dann noch die anderen beiden Kreise? Es geht doch erstmal nur um dich, nicht um eine neue Beziehung?
Die gemeinsame Schnittmenge bedeutet für mich nicht, sich aufgeben und unterordnen zu müssen, aber sie erfordert in meiner Welt die Bereitschaft, sich auch mal zurückzunehmen, ohne sich schlecht zu fühlen. Einfach, weil ich etwas gerne für meinen Partner mache und ich mich freue, wenn er sich darüber freut. Vom sexuellen Kontext einmal abgesehen, lasse ich mich im Alltag niemals von einem Partner dominieren im Sinne von Grenzüberschreitungen, verbalen Abkanzelungen, Gaslightning oder mich klein zu machen. Das hat für mich auch so gar nichts mit Dominanz zu tun.
Mein Verständnis von Dominanz ist eine ruhige und sehr gelassene Souveränität, sich Themen wertschätzend zu widmen und die mir das Gefühl gibt, von ihm auch oder gerade wegen unterschiedlicher Meinungen jederzeit willkommen in seinem Leben zu sein. Gleichzeitig bedeutet meine Schnittmenge keine Einschränkung für mich. Ich muss nicht um die Erfüllung meiner Wünsche betteln, sondern werde wie eine Königin behandelt und behandel ihn wie (m)einen König. Wir beide müssen nicht unsere Grenzen verteidigen, denn jeder von uns achtet die des Anderen. Als HSP benötige ich sehr viel Zeit für mich alleine. Das ist für einen Nicht-HSP oftmals nicht gut nachvollziehbar. Aber ich habe das immer wieder angesprochen und heute ist das kein Thema mehr bei uns. Ich sage, dass ich heute mal ein paar Stunden alleine für mich brauche und gut ist. Dann bin ich auch wieder viel entspannter, wenn wir uns wiedersehen. Er fährt mit Freunden auf Motorrad-Tour? Prima, ich freue mich für ihn. Mein Kreis, sein Kreis..und die Schnittmenge ist dann das Interesse an dem Anderen, wie es ihm mit seinen Freunden ging oder wie ich den Tag mit mir allein verbracht habe.
In meiner Schnittmenge stehen daher drei Worte: Kommunikation, Interesse, Freude.
Hier ist kein Platz für Freiheitsentzug oder eines sich-gegenseitig-Beraubens. Hier ist Platz für Gemeinsamkeiten, für Entdecken, für Transparenz, für Mitgefühl, für Kompromisse, für Aufrichtigkeit, Wachstum und Authentizität. Platz für leben, lieben, lachen. Aber auch Platz für Konflikte, Tränen, Mitgefühl und Lösungen.
Gäbe es diese Schnittmenge nicht, bräuchte ich keine Beziehung führen.
Du möchtest von einem dominanten Partner zukünftig Abstand nehmen.
Ich glaube nicht, dass du das musst. Vielleicht solltest du lieber für dich genau definieren, was einen dominanten Mann für dich ausmacht?
Ich habe das tatsächlich für mich getan und das, was dabei herausgekommen ist, ist alles Andere als ein Mann, der mich klein macht, übergriffig wird oder laut seinen Willen durchsetzt. Dominanz ist leise....
Ein paar letzte Worte noch zu König und Königin. Warum sollten sie um ihr Territorium kämpfen? Geht es wirklich um Macht oder sollten sich die Zwei nicht einfach nur gut tun? Ohne große Story? Ohne Gerangel um die besten Thronplätze?
Ich behandel meinen Liebsten so, wie ich behandelt werden möchte. Somit kommt niemand von uns weder in die Bettlerrolle noch in die Machtposition. Gleichwertig, gleichberechtigt. An dieser Stelle ein Zitat, welches ich einfach nur passend finde:
"Es ist ein Unterschied, ob sich zwei Bettler treffen, die einander etwas brauchen, oder zwei Könige, die etwas zu geben haben."
Es ist länger geworden, weil mich das Thema berührt und weil ich mich wieder mal mit mir auseinandersetzen darf. Danke.