„Versteht ihr alle unter rotem Tantra nur die Vereinigung oder wie? Ich wusste nicht, dass Leute das so definieren.
Nach meinem Verständnis beschränkt sich weißes Tantra auf die rein geistigen und spirituellen Praktiken vor allem des rechtshändigen Pfades wie Meditation, Yoga, rituelle Reinigung und Gebete und enthält kaum Berührung. Rotes Tantra dagegen beschäftigt sich auch mit den körperlichen und sinnlichen Dimensionen der Spiritualität.
Deine Sichtweise ist nicht falsch, doch wird sie im Durchschnitt nicht so von Tantra-Instituten, -,Verbänden oder -Anbietern verstanden. Dort wird sehr profan unterschieden:
"Weißes" Tantra = "Seriöse" Tantra-Massagen OHNE Sex = angeblich keine Prostitution, von der man sich strikt distanzieren möchte, sondern "therapeutische" Handlung, obgleich der Gesetzgeber das gleichfalls unter den Begriff "Prostitution" gestellt hat
"Rotes" Tantra = "Unseriöse" Tantra-"Massagen" MIT Sex = Prostitution = ganz "schlimm", werden meistens als Schuldige gesehen, weshalb der Gesetzgeber auch die "Weiße" Tantra-Massage gleich mit in die Prostitutionsecke verortet hat
Aus meiner Sicht sind diese Unterscheidungen schon sehr bedenklich, denn sie trennen. Und im echten Tantra geht es gerade nicht mehr um trennen oder bewerten, sondern darum, die Dualitäten und das ewige Werten, Be- und Verurteilen abzulegen bzw. zu überwinden.
Tantra gibt es im Hinduismus und im Buddhismus und starke Übereinstimmungen auch im Daoismus. In allen drei wurde und wird zum Teil heute noch, die Sexualität, als "Rotes Tantra" grundsätzlich mit einbezogen.
Warum das hier im Westen zu so viel Mißverständnissen geführt hat, mag an der Art und Weise liegen, wie der tibetische tantrische Buddhismus gelehrt wurde und wird. Denn dort wird "offiziell" KEINE Sexualität gelehrt oder zelebriert, inoffiziell hingegen sehr wohl! Man nennt es dann nur "Geheimes Tantra" und verpflichtet alle Betreffenden zu strikten Stillschweigen. Diese Karmamudra-Einweihungen werden nur an fortgeschrittene Schüler unterrichtet und da wird nicht nur die Sexualität sehr stark mit einbezogen, es werden auch die Schüler direkt instruiert zu Prostituierten zu gehen, um zu üben.
Durch diese öffentliche Verleugnung jedoch, wissen die wenigsten Buddhisten davon hier im Westen. Denn die, die es wissen, haben geschworen zu schweigen und die die keine Ahnung haben, krakelen lauthals, im tibetischen Buddhismus würde kein Sex betrieben, es würde lediglich nur "visualisiert" werden.
Hintergrund dieser Geheimhaltung ist aus meiner Sichtweise Angst. Angst davor, im Westen eher fragwürdig angesehen zu werden, weil es in vielen Ländern und Kulturen aus "moralischer" Sicht "bedenklich" sein könnte, Angst davor, durch kleingeistige Sichtweisen und Unverständnis abgelehnt zu werden und dadurch den Dharma, den geistigen Befreiungsweg nicht vermitteln zu können.
Und diese Ängste sind natürlich nicht unbegründet. Denn gesellschaftlich wird es in vielen Kulturen kategorisch abgelehnt. In China ist es strengstens verboten solche tantrischen oder daoistische Praktiken zu zelebrieren und wird mit 10-25 Jahren Umerziehungslager geahndet. In Indien ist es ebenfalls verboten. In Europa ist es in streng katholischen oder rückschrittlichen ländlichen Gebieten problematisch mit der Akzeptanz der Bevölkerung und sehr schnell sind "Bürger"-Proteste, Stigmatisierungen bis hin zu modernen "Hexen"-Jagden wieder im Gange. - Und dies sind keine Vermutungen, sondern meine eigenen Beobachtungen und Erfahrungen...