Aus meiner "Belletristik-Schublade" stammt mein Werk "Das zweite Voynich-Manuskript".
Das Voynich-Manuskript ist das vielleicht geheimnisvollste Buch der Welt. Es ist in einer Schrift verfasst, die bis heute niemand entschlüsselt hat und auf sonderbare Weise illustriert. Wo ist es entstanden? Wer hat es verfasst, warum - und welche Bedeutung hat es eigentlich?
Ich lasse meine beiden Protagonisten ein fast exakt identisches Buch finden. Damit beginnt ein spannendes Abenteuer, das an verschiedenen europäischen Schauplätzen spielt.
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Prolog:
Aristoteles, Hildegard von Bingen, Galileo Galilei, Leonardo da Vinci, Albert Einstein... Die Geschichte hat zahlreiche große Geister hervorgebracht, die häufig in einem Atemzug mit ihrem Wirken, ihren Erfindungen oder Entdeckungen genannt werden. Und doch sind diese namentlich bekannten Menschen, trotz ihrer unbestritten großartigen Leistung in ihrem jeweiligen Fachgebiet, eher die Ausnahme.
Insgesamt liegt das Fundament unseres modernen Alltags im Unbekannten und ist ein Resultat aus Zufällen, aus Trial-and-Error, aus Aufbau und Niedergang - und aus zahllosen Schnapsideen wie auch Geistesblitzen einer unermesslichen Zahl von Menschen, über die sich längst wieder der Staub der Geschichte gelegt hat. Die meisten davon sind Zeit ihres Lebens und auch danach unauffällig geblieben, ohne irgendeine Form der Würdigung für ihre Arbeit, Forschung oder Entdeckung zu erfahren. Einige standen sogar bereits auf der Schwelle zur großen Bühne, doch dann wollte es das Schicksal doch vollkommen anders.
Oberitalien, spätes 14. Jahrhundert. Durch den früh einsetzenden Herbst, der sich von seiner nasskalten, unfreundlichen Seite zeigt, kämpft sich ein einsamer Mann mit seinem altersschwachen Pferd. Niemand ahnt, welche Kostbarkeiten er mit sich führt. Bei diesen handelt es sich allerdings nicht um Gold, Silber und Edelsteine, sondern um Wissen und Erkenntnis. Durch das Studium verschiedenster Schriften von der Antike bis in seine eigene Zeit konnte er Zusammenhänge erkennen, die der Welt bis dahin verschlossen geblieben waren. Schon in jungen Jahren hatte er das für seine Zeit unsagbare Glück, sich mit den Arbeiten großer Gelehrter aus den antiken Hochkulturen Griechenlands und Ägyptens befassen zu dürfen. Außerdem erkannte er in Hildegard von Bingen eine weise Frau, die geradezu revolutionäre Ansätze verfolgt hatte. Offenbar hatte vor ihm noch niemand die heute so selbstverständlichen Zusammenhänge zwischen Mathematik, Biologie, Medizin, Astronomie und Astrologie hergestellt. Und er bekommt es selbst immer wieder zu spüren, auf welch dünnem Eis er sich mit seinen Erkenntnissen bewegt. Zwar war die bereits erwähnte Hildegard von Bingen eine Frau der Kirche. Doch gerade deswegen grenzt es aus kirchlicher Sicht ganz klar an Häresie, Hildegards Arbeit mit den Erkenntnissen von heidnischen Männern aus vorchristlicher Zeit zu verquicken. Dabei wäre es von so großer Bedeutung, genau diesen Mann bei seinen Studien zu unterstützen. Immerhin hätten Erkenntnisse wie die seinen Jahre zuvor dazu beitragen können, die in Europa wütende Pest frühzeitig zu erkennen und mit pflanzlichen Heilmethoden wirkungsvoll zu behandeln.
Bisher musste er sich beinahe glücklich schätzen, dass man ihm einfach nur nicht zugehört und ihn immer wieder fortgejagt hatte. Trotzdem lässt er sich nicht abbringen von seiner Mission, sein Wissen mit anderen Gelehrten zu teilen und es so möglichst vielen Menschen zugutekommen zu lassen. Nachdem er von kirchlicher Seite kein Verständnis zu erwarten hat und man ihm auch in Adelskreisen kein Gehör schenken will, setzt er nun all seine Hoffnung in das reiche Bürgertum. Zufällig wird ihm zugetragen, dass es nahe dem norditalienischen Bozen eine Burg gäbe, die sich seit wenigen Jahren im Besitz einer reichen Kaufmannsfamilie befindet. Diese Familie sei nicht nur extrem gut betucht, sondern mache auch immer wieder durch die Förderung von Forschung und Wissenschaft von sich reden. Wer würde sich als Ziel für den Unbekannten also besser anbieten?
Tatsächlich gewährt man ihm Einlass, Nahrung und Obdach. Und endlich wird ihm aufgeschlossen zugehört! Der Burgherr ist angetan von der Bildung und dem Wissen seines Gastes, daher gibt er ihm gleich eine doppelte Chance: Einerseits scheint der Reisende nicht nur Bildung und Verstand zu besitzen, sondern auch die geschickten Hände eines Künstlers. Somit wäre er genau der Richtige, der dem Burgherrn den schon seit Jahren ersonnenen, profanen Freskenzyklus an den Wänden der Burg realisieren kann. Dafür bekommt er neben Lohn, Obdach und Verpflegung auch die Gelegenheit, sein gesammeltes Wissen in einem Manuskript zusammen zu fassen. Außerdem stellt der Burgherr dem Fremden seine eigene, künstlerisch begabte Tochter als Unterstützung zur Seite. Vielleicht auch in der Hoffnung, das heranreifende Mädchen auf diese Weise „an den Mann“ zu bringen.
Eine amouröse Verbindung entwickelt sich zwischen Künstler und Assistentin zwar nicht, wohl aber ein guter, freundschaftlicher Draht. Der Fremde ist um einiges älter als das Mädchen und daher auch eine Art Vaterfigur. Gemeinsam geht ihr Werk an den Mauern der Burg schnell voran und das Mädchen liebt es, dass er alle von ihnen dargestellten Figuren genau zu kennen scheint und sämtliche Geschichten dazu zum Besten geben kann. Manchmal gesellen sich auch andere Familienmitglieder und Bewohner der Burg mit auf die Baustelle, denn hier wird die beste Unterhaltung für Augen und Ohren geboten.
Sein Wissen hingegen teilt er einstweilen nur dem gelehrigen, aufmerksamen Mädchen mit. Sie ist es auch, die bei dessen Niederschrift auf eine Verschlüsselung drängt, damit es nur von eingeweihten Personen gelesen werden könne. Damit könne man ihnen auch keine Häresie vorwerfen, denn dazu müsste man die Schrift erst einmal lesen können. Angetan von ihrer guten Idee und mit der finanziellen Unterstützung ihres Vaters lässt er sie nicht nur an seinem eigenen Manuskript mitarbeiten, sondern motiviert sie sogar dazu, ein komplett eigenes Exemplar anzufertigen. Inhaltlich gleichen sich die beiden Manuskripte bis ins Detail, allerdings ist ihre Arbeit fast noch etwas sauberer und schöner.
Unmittelbar nach der Fertigstellung der beiden Manuskripte und fast aller Fresken am Mauerwerk hat sich sein Talent in eingeweihten Kreisen herumgesprochen. Wieder hat der Burgherr seine Hände im Spiel, als ihm eine Einladung an die neugegründete Universität von Heidelberg überreicht wird. Der Burgherr ist voller Stolz und Dankbarkeit für die geleisteten Dienste, daher spricht er dem Freund gut zu, diese Einladung anzunehmen. Die Tochter des Burgherrn indes ist mehr als betrübt: Große Pläne hat sie gemacht, in denen ihr Vorbild eine zentrale Rolle einnimmt. Was könnten sie nicht alles gemeinsam erreichen? Außerdem wollten sie doch gerade jetzt den Schlüssel herstellen, der die Dekodierung der Geheimschrift möglich gemacht hätte. Der Freund verspricht ihr, bald zurück zu kommen und bereits auf seiner Reise an diesem Schlüssel zu arbeiten. Es folgt eine innige, minutenlange Verabschiedung, bevor er sich auf den Weg in Richtung Norden macht. Sein Ziel erreicht er allerdings nie, sondern verschwindet spurlos. Das Mädchen ist zuerst in Sorge, dann voller Trauer und schließlich regelrecht lethargisch. An einem Frühlingsmorgen sieht man sie noch an einer Quelle nahe der Burg sitzen, dann ist auch sie wie vom Erdboden verschluckt.
Erhalten bleiben zwei Manuskripte, die niemand lesen kann.