Sanatorium Iveria (Georgien)
Das Sanatorium Iveria wurde in stalinistischer Architektur 1962 eröffnet, der Bau hat rund 10 Jahre gedauert.Als Georgien ein Teil der Sowjetunion geworden war, wurden mehr als 180 Kurorte gebaut, damit der Staat seinen Arbeitern das Recht auf Erholung garantieren konnte.
Für die Arbeiterklasse gab es seinerzeit einen zweiwöchigen, stattlich geförderten Urlaub auf Staatskasse.
Bereits 1920 wurde mit dem Bau von Sanatorien in Georgien begonnen. In den 80er Jahren fuhren täglich Züge aus Moskau ein. Jährlich kamen bis zu 100.000 Personen in dem Kurort von Zqaltubo (წყალტუბო) auch Tskaltubo, um in den Quellen zu baden. Zqaltubo war einer der bekanntesten Badeorte an der sogenannten „Russischen Riviera“. Insgesamt gab es hier 22 Sanatorien. Die Quellen heilten alles von Gliedmaßen, Herz.- und Gefäßkrankheiten bis zu peripheren Erkrankungen des Nervensystem, so glaubte man. Der Bau des Sanatorium Iveria, begann 1952 und wurde 1962 fertiggestellt. Entworfen wurde es von M.M Buz-Ogli und hatte eine Kapazität von rund 300 Betten. Das Sanatorium Iveria wurde 2017, lt. einer georgischen Nachrichtenagntur, an einen russischen Investor für mehr als 100.000 US Dollar verkauft. Bisher ist von einer Renovierung allerdings noch nichts zu sehen.
Wegen seiner leicht radioaktiven Thermalquellen wurde Zqaltubo bereits seit dem 19. Jahrhundert als Heilbad betrieben. Im Zuge der sowjetischen Kurortpolitik, die zuvorderst der Aufrechterhaltung der sozialistischen Arbeitskraft diente, baute man es zwischen 1939 und 1955 auf. Dabei entstanden historisierende Gebäudekomplexe im Stil des sowjetischen Neo-Klassizismus – in einer zweiten Hochphase der 1970er Jahre wurde Zqaltubo dann architektonisch im Stil der sowjetischen Moderne ausgebaut.
Ein Aufenthalt in einem der sowjetischen Sanatorien und Erholungsheime diente aber nicht nur der Wiederherstellung der Arbeitskraft, sondern auch der Herstellung des im sowjet-ideologischen Sinne neuen Menschentyps „Erholung war nicht einfach Freizeit, sondern ‚bewusst und kulturvoll‘ gestaltet, der Entwicklung des ‚allseitig gebildeten Menschen‘ dienende Tätigkeit, die Fortbildung, Theater, Landeskunde, Gymnastik mit einschloss. […] Der Tagesablauf war auf die Abfertigung und das Management von Kollektiven […], nicht auf die Bedingung individueller Gäste [ausgerichtet].“ So war Zqaltubo nicht nur nach den verschiedenen medizinischen Bereichen aufgegliedert wie Thermalquellen, Badeanlagen und Kursälen, die der ideologischen Unterweisung und Bildung dienten. Die Sanatorien selbst waren nach Berufsgruppen gegliedert, wie das Sanatorium der Bergarbeiter oder das der Geologen. Erholungsaufenthalte in Zqaltubo gehören mithin zur festen Familienbiografie nicht nur sehr vieler Georgier, sondern auch vieler anderer Sowjetbürger.
Nach dem Abchasien-Krieg 1992/93 wurden in Zqaltubo ungefähr 10.000 der rund 250.000 vertriebenen Georgier untergebracht. Da diese seit mehreren Generationen in Abchasien gelebt hatten, verloren sie mit Vertreibung und Flucht alles Wohn- und Grundeigentum, das 1992 in Privateigentum überführt worden war. Deshalb konnten diese Binnenflüchtlinge auf keine Ressourcen zurückgreifen, die es ihnen ermöglicht hätten, die Kurhotels, Sanatorien oder Erholungsheime zu verlassen, in welche sie einquartiert worden waren. Da zudem der Tourismus im von kriegerischen Auseinandersetzungen geschüttelten Georgien seit Beginn der 1990er Jahre durch die Abtrennung vom früheren Sowjetimperium zunächst vollständig zum Erliegen kam, konnten sie weiterhin dort wohnen bleiben. Die Flüchtlinge waren also auf die Unterkunft in Kurhotels und Sanatorien angewiesen und auf die über das Wohnen hinausreichende Ressourcen, welche die Kuranlagen ihnen boten: Kurparks verwandelten sich in Gärten und Viehweiden, Bäume wurden geschlagen, Tische, Stühle, Theken und Parkette der Speisesäle verwendet, um kochen und heizen zu können. Nach und nach verfielen so auch die prächtigsten der zumeist in den 1950er Jahren auf Geheiß Stalins errichteten Gebäude und Parkanlagen.
Heute wird das Vier-Sterne-Hotel „Zqaltubo SPA Resort“ als einziges der Hotelgebäude und Sanatorien, die in der Sowjetzeit errichtet worden waren, noch als solches betrieben. Dies liegt vor allem daran, dass es war bereits Anfang der 1990er Jahre von paramilitärischen Einheiten besetzt worden war, welche in Folge des Konfliktes von 1992/93 die Flüchtlinge aus Abchasien fernhielten. Alle weiteren heute betriebenen Hotelgebäude sind Neubauten, nur eines der früher zwei medizinischen Anwendungszentren ist derzeit in Betrieb.
Zqaltubo geriet bald nach der Unabhängigkeitserklärung Georgiens in den Blick ausländischer Investoren, da sein touristisches Potential aus der Sowjetzeit bekannt war und nach den ohnehin zu erwartenden unruhigen Zeiten eines wie auch immer verlaufenden Überganges ganz zwangsläufig für eine global operierende Tourismusindustrie interessant werden musste. So wechselten seit den 1990er Jahren bereits manche der Hotels die Eigentümer, während dort weiterhin Flüchtlingen lebten. Da Georgien sich schlechter als erwartet entwickelte und seine Einwohner seit nunmehr bald dreißig Jahren in prekären Verhältnissen leben, wurden manche der früh erworbenen, weiter verfallenden Gebäude wieder abgestoßen.
Zqaltubo erlangte zunächst in Folge der Aktivitäten ausländischer Nichtregierungsorganisationen (NGOs) internationale Aufmerksamkeit, da der georgische Staat bis heute nicht selbst die Mittel aufbringen kann, die Flüchtlingskrise zu bewältigen. Zudem wurde diese in Folge des Jahres 2008 durch den zweiten Ossetien-Konflikt zusätzlich angefacht.
Das komplette Album findet ihr hier: http://www.tomvandutch.de/sanatorium-iveria