Sie verlassen die Komfortzone.
Hier sind wir nun, ich kenne eigentlich nur ihren Namen und ein paar Eckdaten. Es ist ein Abend, dem viele andere vorangingen. Sie steht vor mir und wartet. Ihr Atem ist völlig kontrolliert, die Augen dreiviertel geschlossen. Sie wartet darauf, dass ich zuschlage. Ihre Haltung ist aufrecht, die Arme hängen locker an den Seiten herunter. Sie trägt schwarz. Ich auch."Bist du bereit?", frage ich. Ihre Augen schließen sich, sie nickt stumm. Ihre Mundwinkel zucken nahezu unmerklich, der Brustkorb hebt sich, als sie noch einmal - ein letztes Mal - tief Luft holt.
Langsam atme ich aus, mein Blick streift über ihren Körper, sucht eine geeignete Trefferstelle. Hier würde ein mittiger Treffer Übelkeit auslösen, dort unten ihre Eierstöcke wütend summen. Beides gilt es zu vermeiden - es soll ja auch noch irgendwo Freude machen.
Die Sekunden verstreichen, die Entscheidung fällt. Ich atme ein, konzentriere mich auf den Schlag, die hineinzulegende Kraft, dosiere die Wucht. Sie blinzelt, versucht meine Intention zu spüren, um sich noch besser vorzubereiten auf das, was jetzt kommt.
Ein letztes Mal nicken wir uns zu, kaum dass wir uns sehen. Der Randbereich verschwimmt, die Unschärfe breitet sich aus, der Fokus wird glasklar, wie ein Brennglas. Dann kommt der Schlag.
Ich spüre den Stoff, das Fleisch, die harten Muskeln, den Widerstand. Ihr Atem entweicht mit einem deutlichen und beinahe überraschten Stoßlaut, als sie getroffen wird.
Ich betrachte sie genau, ihre Reaktionen, den Schweißfilm auf der Haut, die von der Anstrengung der letzten Stunden verklebten Haare. "Zu fest?" Die Augen sind geschlossen, die Antwort ein Kopfschütteln. "Noch einmal?", frage ich maliziös nach. Sie nickt leicht lächelnd und bittet: "Etwas stärker."
"Wenn du geil wirst, sagst du aber vorher Bescheid", ordne ich an. Ihr Lachen lässt den letzten Atem frei und mitten in ihr Luftholen platziere ich meinen zweiten Schlag. Der Aufprall trifft sie unvorbereitet, sie taumelt, fängt sich aber wieder, hält sich den getroffenen Bauch.
"Scheiße, das tat weh", presst sie hervor.
Nachdem sie sich gefangen hat, lächelt sie schief: "Okay, ich bin dran."
Ich hätte mich auch zu Origami oder Töpfern anmelden können, denke ich, dann bliebe mir das erspart. Aber ich will es ja so. Ich pumpe Luft in meine Lungen und spanne die Muskeln an, während ich auf die Faust der Schwarzgurtträgerin warte. Training in einem Dojo außerhalb der Komfortzone.