Sie verlassen die Kontrollzone.
Meine Augen öffnen sich, ich erfasse den dunklen Raum. Mein Bett.Sie sitzt verschwitzt oder regendurchnässt auf mir und hat beide Hände um meinen Hals gelegt. Sie summt, irgendeine uralte verlorene Weise, die langen Haare sind gedunkelt von Schweiß oder Regen. Die Mähne bildet einen Vorhang, durch den die Augen glühen. Ich schaue zu ihr hoch. „Was willst du?“
Sie summt weiter und nagelt mich mit einem entrückten Blick fest, wie einen Schmetterling auf ein Samtkissen. „Tötest du mich?“, ich muss das fragen, ich will das wissen. Statt einer Antwort wird ihr Griff fest, bemerkenswert kräftig, die Hände beginnen sich zu schließen.
„Sag, tötest du mich?“ Fester, warme Hände, doch irgendwie angenehm kühl. „Tötest du mich?“ Mühsames volles Sprechen. Da wird ihr Blick plötzlich ganz klar und hochinteressiert, und sie hebt leise im Singsang zu sprechen an: „Sollte ich das? Ist es das, was du willst?“
Jetzt wäre es an der Zeit, das Programm abzurufen, das bis zum Erbrechen im Wortsinn trainiert worden war: Die Angreiferin sichern, in der Drehung die Hüfte wegkippen und sie abwerfen, Konter ansetzen und raus. Einmal in Gang gesetzt, wäre das ein Automatismus, hundertfach geübt. Ihre Augen schneiden sich in mein Hirn und durchtrennen die Nervenbahnen der Logik. Ich zögere.
Mühseliges Schlucken. „Wenn du deine Hände nicht wegnehmen willst, dann solltest du es zu Ende bringen.“ Die Hände drücken ganz bedächtig weiter zu. „Warum?“, ihre Frage ist mehr ein Säuseln. Wie der Wind, der aus den Bergen herabströmt, irgendwo da draußen in dieser klaren Nacht. Diesen Geruch habe ich immer gemocht. Ich habe nicht mehr viel Zeit, ich kenne das vom allergischen Schock, das Bewusstsein wird sich trüben, ich werde die Kontrolle verlieren.
Ich krächze: "Weil jeder die Male sehen wird." Ein träumerisches Lächeln bei ihr: "Und?" Es ist nichts mehr zu atmen, nur noch aus den Reserven zu röcheln: „Weil ich verdorben für jede andere sein werde durch deine Berührung.“ Ein heftiger Druck auf den Brustkasten, vermutlich durch ein vorgeschobenes Knie, ein schönes Knie, aber ein die letzte Kraft herausquetschendes Knie. „Warst du das nicht schon zuvor?“ Die Frage ist nahezu zärtlich, ihr Blick völlig verständnisvoll.
Aufbäumendes Sprechen, kein körperliches - warum wehre ich mich nicht!? Es wäre doch leicht, einfach … mir fällt das Programm nicht mehr ein; ich liege nur da und nutze die letzte Kraft zum Hochschauen und Sprechen: „Nicht so sichtbar. Ich werde die Male jeden gottverdammten Tag im Spiegel sehen, ihre Vertiefungen fühlen.“
„Du wirst keinen Schmerz mehr fühlen“, haucht sie, als mich das Dunkel umfängt und ich durch die Schwärze trudele.
Hart schlage ich auf dem Boden auf. Die Schulter schmerzt, dabei war es kein halber Meter vom Bett herunter. Ich blicke in das Halbdunkel des Schlafzimmers, liege völlig ruhig und lausche. Ihr Atem geht regelmäßig über mir, sie wird also schlafen und ist nicht durch meinen Sturz erwacht. Noch benommen rappele ich mich hoch und gleite wieder unter die Decken. Meine Arme umfassen ihren wunderbar warmen Körper und ich schließe die Augen. Mit einem Bein öffne ich ihre Schenkel und lege eine Hand ruhig auf ihr Geschlecht, ziehe sie enger an mich, atme ihren Geruch. Der schwache Hauch der Erregung des Abends, als sie Schmerzen empfing. Die Spuren auf ihrem Rücken. Aus dem Halbschlaf meldet sie sich gurrend zu Wort: „Wenn du deine Hände nicht wegnehmen willst, dann solltest du es zu Ende bringen.“