"freies wort" .....Dekadenz und Luxus
Eine Kolumne zum Thema Luxus
Ich wache morgens auf und der erste Gedanke, der durch mein Gehirn irrt, ist Luxus....Luxus hat alle Zeiten überstanden und selbst der Sozialhilfeempfänger hat ihn ....Luxus!Der Gedanke gefällt mir und schließlich befinde ich ihn für richtig.
Unangenehme Geräusche einer frühkindlichen Auseinandersetzung erinnern mich an nahe liegendere Probleme. Ich schiebe die luxuriösen Gedanken in den hinteren Gehirnwinkel und schalte auf Routine. Nachdem ich die Schlacht unserer Nachkommen als unentschieden beendet habe und das Gesicht im Spiegel als meins akzeptiere, klopft eine andere Körperregion bei meinem Gehirn an und bittet um Aufmerksamkeit. Ich versuche genervt das Hungergefühl in der Magengegend zu verdrängen und widme mich der noch grösseren Herausforderung, dem aufrechten Gang sowie der Körperflege. Der Magen ist aber ein hartnäckiger Geselle und vermag sich sogar akustisch Gehör zu verschaffen.
Genervt zwingt der Hunger das Gehirn in die Knie und setzt dieses, samt den daran hängenden Beinen, in Bewegung. Alles wird einfacher als mir die junge Frau, meine Partnerin, den aufgeschäumten Milchkaffee vor die Nase hält. Wie ein Vorhang fällt das Thema Luxus wieder auf meine Bildfläche und betäubt all meine Sinne. Ich durchwühle mein Erfahrungsarchiv zum aktuellen Thema Luxus. Ich habs " Freiheit, frische Luft, Erfolg haben " Behänd gleite ich in meine Sachen, wobei mir der Luxusgedanke etwas hilft und ich ein Hemd mit Krawatte wähle. Schwungvoll reiße ich die Haustür auf und trete energisch auf die Empore.
Als ich ein paar Minuten später wieder zu mir komme, liege ich auf dem Boden. Es ist Winter, eiskalt und quasi Glück im Unglück, dass mein Missgeschick niemand gesehen hat. Das Gehirn bekommt von allen Seiten und Enden die gleiche und energische Meldung: KALT. Nein, Gänsehaut und klappernde Zähne haben nur wenig mit Luxus zu tun. So bewege ich meinen Körper, im Versuch professionell zu wirken, wieder ins Haus und rufe mit kräftiger Stimme zur hübschen Frau in der Küche " Die Post war noch nicht da". Es scheint als haben alle Familienangehörigen die Botschaft akzeptiert. Außer meine kleine Tochter, die mich interessiert fragt, warum ich so blass aussehe.
Jetzt aber.Neu motiviert, schlagen sich Zweifel durch die Gehirnwindungen. Im Netz suche ich nach neuen Verknüpfungen zum Thema Luxus .Begeistert google ich Luxus hin und her und finde bei ebay 28.280 Artikel mit diesem Stichwort. Die Hoffnung stirbt zuletzt und so vergehen Stunden, bis ich feststelle, Luxus ist sehr relativ und ebay eine Luxusfalle.
Endlich, ich werde fündig! Unter" Liebe ist Luxus " zeigt mir die Suchmaschine eine Kontaktbörse für Stilvolle Erotik. Der Betreiber wirbt mit dem Spruch: Hier kommt alles zusammen und nicht nur das was zusammen gehört. Ich schlendere durch die Untergruppen dieser freizügigen Gesellschaft und erstarre bei den Reizwörtern Dekadenz und Luxus. Zögernd betätige ich die Maustaste, um dann festzustellen, hier ist meine Schublade. Alle sind sie vertreten, Bi-Häschen, Solo-Herren, Ebayer, Künstler, Zeitarme, Ärzte, Handwerker, Reiche und sogar dekadente Vielschreiber. Vorsichtig schreibe ich Hallo und bekomme postwendend einen winkenden Smiley zurück. Ob Erotik oder nicht, hier gibts alles zum Thema Luxus und noch eins drauf, hier muss sogar jeder mitmachen. Luxus wird hier grossgeschrieben und ist steigerbar. Eigene Wohnung, eigene Villa, eigene Meinung.
Zufrieden steige ich abends zu der kleinen schwarzen Dame. Sie trägt funkelnde Diamanten auf einer schwarzen Lack-Korsage. Gierig reiße ich ihr das Kollier vom Hals uns schreie: Wir sind unser eigener Luxus.
Fee&Merlin