Archaisches Symbol für Luxus, Sinnlichkeit und Geborgenheit
Eigentlich halte ich mich fern von derart explosiven Diskussions-Themen im Netz. Aber meine besondere Beziehung zum Gegenstand des Threads übt Zwänge aus, denen ich ebenso wenig wie dem Objekt
in natura widerstehen kann.
Wenn ich bei einem Opernbesuch meinen alten silbrigen Freund, den Fuchs, über den Arm lege, ernte ich faszinierte, gierige, aber auch skeptische und feindliche Blicke. Wenn dagegen die Garderobenfrau das Kinn in die aufgebauschten Echtpelzkrägen von unzähligen Hoodies taucht, die ihr von sonst so pelzkritischen jungen Leuten entgegengeworfen werden, rümpft niemand die Nase. Das verdeutlicht die ungeheure Polarisierung des Themas 'Pelz'. Waren zu Beginn der Hoodie-Mode die Krägen bescheiden schmal und 'brav' aus Kunstpelz produziert, werden diese mit jeder Saison üppiger und - echt. Die enorme Warenflut aus dem
Land des Lächelns überschwemmt die Märkte - und das zunehmend mit Echtpelz.
Pelz erregt die Gemüter bis zur Unversöhnlichkeit, wird polemisiert und polarisiert wie kaum ein zweites Thema.
Darum gilt mein Respekt den VorschreiberInnen, die sehr viele Gesichtspunkte erwähnt und sachlich diskutiert haben. Über meine eigene Einstellung zum Pelz muss ich nicht viele Worte verlieren, denn wer sich mein Profil anschaut, ist schnell im Bilde ... Seit Anbeginn aller Erinnerung bin ich dem quasi berauschenden Charme des Pelzes erlegen und stelle mir schon lange die Frage, weshalb die Fellhaut eines toten Tieres ungezählte Menschen bis zum Fetischismus hin fasziniert.
Der psychologische Aspekt ist m.E. bisher nicht beleuchtet worden (oder hab ich es überlesen?). Pelz löst bei vielen Menschen ein unbewusstes Begehren aus, das sich beispielsweise im Drang des Berührens äußert. Nur dort, wo sich diese Lust (im psychoanalytischen Sinne) ins Bewusstsein verschiebt, kann es zu Verwerfungen kommen: Das Ich akzeptiert die Präferenz oder schiebt sie in die Verdrängung, wo sie - wie jeder andere verdrängte Stoff auch - den ätiologischen Herd eines psychischen Konflikts bildet. Die Reaktion bei der erneuten Berührung mit dem Thema kann von
militanter Ablehnung bis zum verzweifelten Versuch des Ignorierens
reichen.
Der Grund für die verbitterte Polemik gegen den Pelz mag meiner Meinung nach derselbe sein, wie für das zwanghafte, meist heimliche Ausleben der oftmals pathologisch gewordenen Neigung. Dabei dürfte durchaus auch Personenidentität in beiden Fallkonstellationen vorkommen. Der Konflikt entspringt primär (sekundär mag das u.a. der Fall sein) nicht etwa plötzlich erwachter Tierliebe, Barmherzigkeit oder sozialem Verständnis, sondern er berührt einen tief im kollektiven Unterbewussten schlummernden Punkt. Nicht Bratwurst-oder Broiler-Genießer werden auf offener Straße mit roten (Blut symbolisierenden) Farbbeuteln beworfen, sondern Pelzträger mit blauen, grünen oder gelben (die psychologische Ausdeutung der Farbwahl würde zu weit führen).
Ich werte den Pelz als einen
Objekt-Archetypus, der ergänzend zur Reihe der durch Personen (große Mutter, göttliches Kind, Diva (!), Narr ... nein, jetzt folgt keine Tarot-Deutung
) verkörperte Archetypen genannt werden könnte. Eine Bekräftigung dafür konnte ich lediglich in der nicht-analytischen Traumdeutung finden, in der das Traumsymbol Pelz mit Wohlstand, Geborgenheit, Sinnlichkeit assoziiert wird. Diese Begriffe ergeben sich aus der phylogenetischen Betrachtung, denn Pelze spielten bei unseren frühesten Ahnen eine überragende Rolle, die genau die vorgenannten Eigenschaften verkörperte. Die mächtigsten Mitglieder der Sippe trugen die wertvollsten und meisten Pelze (auf die Tierarten mag ich gar nicht eingehen, wie z.B. die Bedeutung eines Jaguar-Fells usw.). Beim Sex in der Frühzeit dürfte es gar nicht so selten gewesen sein, dass einander in Pelzen geliebt wurde.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass deshalb dieser Gegenstand wie kaum ein anderer seit hunderttausenden Jahren eine unauslöschbare Gedächtnisspur hinterlassen hat, die bei allen Menschen im Unterbewusstsein vorhanden ist.
Pelz ist ein universelles, psychophorisches Bild, an das über Länder-, Sprach- und Religionsgrenzen hinweg ähnliche Vorstellungen geknüpft werden. Ein Archetypus wirkt i.d.R. latent, einzig dort, wo es zu
Unregelmäßigkeiten kommt, wird er manifest und dann meist nur analytisch als solcher identifiziert.
Zum Schluss gibt's die
Kehrseite der Theorie, denn bei diesem Foto hab ich ganz sicher keine Thesen im Kopf gehabt ...
Liebe Grüße
Tara