Wirklich sehr interessant...
...denn ich habe mir eigentlich noch nie darüber Gedanken gemacht. Es ist für mich vielmehr eine Frage von Stil, Eleganz und Ästhetik.
Aber vielleicht zuerst zur generellen Wahrnehmung: Nylon an den Beinen wirkt feiner als Socken. High Heels sind in der Regel schmaler geschnitten und machen den Fuß durch den hohen Absatz kürzer und zierlicher als reine Herrenschuhe oder gar grobes Schuhwerk. Fakt ist auch, daß ein Stiletto-Absatz in der allgemeinen Wahrnehmung nicht so gut den Eindruck eines "sicheren Stands" vermittelt wie eine breite Sohle — er wirkt eher fragil. Dazu kommen nun die althergebrachten gesellschaftlichen Rollen: Rein historisch betrachtet wurden Nylons und High Heels im letzten Jahrhundert generell von Frauen getragen und werden daher von der Mehrheit der Bevölkerung mit Weiblichkeit assoziiert. Fatalerweise kommt hinzu, daß durch unsere Gesellschaftsstruktur mit dem weiblichen Geschlecht auch gleichzeitig Schwäche verbunden wird. Somit wird einem Mann in Nylons und High Heels also zuerst einmal eine gewisse Weiblichkeit und damit auch Schwäche unterstellt. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn viele schnell denken, daß sich das mit einer dominanten Rolle nicht verträgt.
Aber wie immer kommt es auch hier ganz wesentlich auf das Selbstverständnis und das Selbstbewußtsein des Trägers an. Ein Dom in Nylons und High Heels HAT es schwerer, denn er muß nicht nur auf "normale" Weise im Verhältnis mit der Sub die Oberhand behalten, sondern auch gleichzeitig noch stärker sein als das Bild vom schwachen Mann, das im Kopf der Sub durch die gesellschaftliche Prägung entstehen mag. Ganz abgesehen davon, daß er sogar vielleicht selbst nicht mit sich im Reinen ist, was seine Vorliebe angeht. Wer das aber schafft, der kann mit Fug und Recht stolz auf sich sein, und der wird auch keinerlei Probleme haben, den vollen Respekt und die Achtung seiner Sub ohne Vorbehalt zu bekommen.
Ich selbst hatte meine Erfahrung außerhalb eines BDSM-Kontextes mit einer Frau, die Strümpfe an Männern schlicht sexy fand. Da ich mich erst einmal vor gar nichts verschließe, habe ich es als aufregende Bereicherung erfahren. Meine jetzige Partnerin ist devot, aber unabhängig von unserem "Mächteverhältnis" und der Tatsache, daß ich verlange, daß sie Strümpfe trägt, kam irgendwann die Sprache darauf, und ich habe sie gefragt, ob ihr das auch an mir gefallen würde. Sie findet sie schön an mir, es macht sie an, vielleicht auch die Tatsache, daß ich mich damit über gesellschaftliche Konventionen und althergebrachte Rollen hinwegsetze (und damit im Grunde schon wieder Stärke zeige). Erstaunlicherweise sollte ich, als wir für eine Woche die Rollen getauscht hatten und sie mich vorgeführt hat (wir sind beide Switcher), ganz im Gegensatz dazu ein Outfit tragen, das betont "männlich" war: Schwere Stiefel, ein Oberteil, das Oberkörper und Muskeln betont. Vielleicht war es auch hier viel wirkungsvoller, jemanden zu dominieren, der vom Äußeren her viel "stärker" erschien, als wenn ich Strümpfe getragen hätte und eher dem Bild des Weiblich-Devoten entsprochen hätte.
Soll heißen: Man kann die altbekannten Rollen nicht wegleugnen. Aber man kann die Leute nur ermutigen, sich damit zu beschäftigen, mit ihnen zu spielen und gegebenenfalls die Konventionen zu brechen. Dadurch ergeben sich Möglichkeiten, die man vorher gar nicht in Betracht gezogen hatte. Meine Partnerin und ich tragen beide Strümpfe und genießen es, egal, wer welche Rolle hat.
Mit den hohen Hacken war es ähnlich. Ich war mir noch nicht mal sicher, ob ich darin gehen können würde, aber wenn man schon einmal dabei ist, mit Geschlechtsstereotypen zu spielen... Ich habe das Glück, mit für einen Mann kleinen Füßen gesegnet zu sein, so daß ich auch noch freie Auswahl an Modellen habe. Irgendwann war ich allein bei der Eröffnung einer Fetischboutique, dort standen High Heels, ich habe sie anprobiert und ihr ein Foto geschickt. Sie sahen einfach nur schlicht, elegant und sehr stilvoll aus. Ihr erster Eindruck, als ich in den Schuhen vor ihr stand: Ich war 12 cm größer. Sie mußte noch mehr zu mir aufschauen. Ich stehe sicher, ich gehe sicher und ich verhalte mich sicher in den Schuhen. Es war meiner Rolle eher zu- als abträglich.