Einspruch, LoZio!
Deine Aussage:
Wenn der Gesetzgeber jetzt die Hilfe zur Selbsttötung erlaubte, dann bezöge er damit automatisch Stellung zur Selbsttötung, wo er das bisher nicht tun muss: er würde Suizid gut heißen (ein Aufschrei ginge nicht nur durch bestimmte gesellschaftliche Gruppen), er würde Tötung unter bestimmten Bedingungen gut heißen (damit den Wert des individuellen Lebens dem Wert von ... ja wovon eigentlich, deutlich unterordnen).
ist nicht haltbar, denke ich!
Der Gesetzgeber würde damit keinesfalls "Suizid gutheißen", sondern er würde deutlich machen, dass der Wille des Patienten, des Menschen, alleingültig und zu respektieren ist!
Die bisherige Regelung ist doch so, dass nur ein Mensch, der noch vollumfänglich in der Lage ist, ohne Hilfe Anderer, sich selbst zu töten, nicht nur das theoretische Recht darauf, sondern auch die
faktische Möglichkeit hierzu hat!
Dem gegenüber steht ein Mensch, der aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr in der Lage ist seinem Leben ein Ende zu setzen, dazu verdammt ist, weiter zu leben!
Dies
unter allen Umständen und somit auch dann, wenn dieses Leben, welches in aller Regel keine Lebensfreude mehr bietet, eher ein Dahinvegetieren ist.
Lediglich eine noch nicht zu beobachtende Nullinie des EEGs....
Ich bitte um Verzeihung für diese flapsige Bemerkung:
Kann eine "Keine Arme - keine Kekse - Mentalität" wirklich unsere Maxime sein?
Selbst Tieren gewährt man seit Menschengedenken den "Gnadentod", erspart ihnen "unnötiges Leiden" und das findet unsere Gesellschaft ganz normal und richtig.
Und Deine letzte Frage
(damit den Wert des individuellen Lebens dem Wert von ... ja wovon eigentlich, deutlich unterordnen)
kann ich Dir gern beantworten!
Den "Wert des individuellen Lebens" ordnet er damit dem individuellen Willen derjenigen Person unter, die
alleinig davon betroffen ist!
Das ist der einzige Wille, dem eine so schwerwiegende Entscheidung zusteht!
Ich halte die freie Entscheidung eines jeden mündigen Menschen
• nach umfassender Aufklärung und
• nach Ausschöpfen aller medizinischen Mittel, zu welchen der Patient (sofern im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte) oder sein zuvor notariell bestimmter Vertreter zugestimmt hat (!)
-auch gegen den Willen des medizinischen Personals, gegen den Willen von Politikern und erst recht gegen den Willen irgendwelcher Religionsvertreter
immer für alleinig massgeblich!
Dabei ist es völlig unerheblich, ob es um Schmerzen geht, oder ob der Mensch aus anderen Gründen des Lebens müde ist!
Es ist
SEIN Leben. Und über dieses, was ja die allerintimste Angelegenheit ist, hat sich keine andere Person, Institution oder Regierung eine Entscheidungmacht anmassen!
Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass die von der Palliativmedizin im Allgemeinen vertretene Aussage, dass sie in der Lage sei, den Patienten in jedem Einzelfall Schmerzfreiheit zu garantieren, nicht haltbar ist!
Mir sind viele Fälle bekannt, in welchen dieses Versprechen -auch über lange Zeiträume- nicht eingehalten werden konnte!
Und die "terminale Sedierung" ist sicher kein Königsweg und keine angemessene Form des "Lebens" (wenn der Patient das nicht ausdrücklich so will oder zuvor bestimmt hat).
Es handelt sich doch eher um ein Über-Leben, welches einher geht mit dem weitgehenden Verlust dessen, was "Leben" eigentlich ausmacht und teilweise sogar zum Verlust jeglicher nennenswerten Wahrnehmung führt. Wem nutzt das und warum?
Ich kann die vielfältigen Diskussionen und Befürchtungen derer verstehen, welche sich darum sorgen, dass möglicherweise auf Betroffene eine Art "familiärer oder öffentlicher Druck" ausgeübt werden könnte, ihr Leben zu beenden.
Jedoch halte ich diese Argumente für völlig unbewiesene Behauptungen. Darüber hinaus besteht diese theoretische Möglichkeit schon heute, denn sie richtet sich eben nicht nach der Gesetzmäßigkeit.
Und wollen wir nun auch gleich die Amniozentese mit verbieten, weil hier doch ebenfalls vor der Geburt genetische Missbildungen festgestellt werden können (wie wir alle wissen) und auch hier der gleiche "Druck" entstehen könnte, das Kind nicht zu gebären?
Warum fordert das Niemand?
Nicht wenige Diskussionsbeiträge zu diesem sehr delikaten Thema, resultieren aus der spezifischen Euthanasie-Geschichte der Deutschen.
Dieses Tatsache darf nicht vergessen werden, sie darf aber auch keinesfalls als Begründung für die Fortsetzung von individuellem Leid verwandt werden, denn sonst wird der ursprüngliche kollektive Schutzgedanke zum Auslöser von individueller Qual!
Machen wir uns doch bitte nichts vor:
Trotz aller dankens- und begrüssenswerter Fortschritte der Kollegen aus der Palliativmedizin, trotz aller Bemühungen der Hospitzbewegungen und der Religionsgemeinschaften:
Es gibt sehr viele Fälle von Menschen, die aus den verschiedensten (sehr respektablen) Gründen nicht mehr leben wollen!
Und JEDER EINZELNE dieser "Fälle" ist ein individuelles Schicksal! Hinter jedem dieser Schicksale steckt ein fühlender Mensch.
In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass Deine abschliessende Bemerkung
Es gibt für mich keinen ausreichenden Grund, warum diese Herabsetzung des Wertes des Lebens allein für den Wunsch Einzelner (ich behaupte: Weniger), ein Recht auf assistierten Suizid eingeräumt zu bekommen gesetzlich manifestiert werden darf.
für mich einfach nur zynisch klingt!
Wer glauben wir zu sein, dass wir, die wir doch im Leben nach höchster Freiheit und Selbstverwirklichung streben (!) jenen, die diese Lebensphase überschritten haben, selbst in der alllerintimsten Entscheidung ihres Lebens, glauben bevormunden zu dürfen?
Spielen wir da nicht Gott? Und wollen wir all jene, die nicht an irgendeinen Gott glauben zwingen, sich einer "Gottgleichen" Entscheidung unterzuordnen. Gottergeben, sozusagen?
Denn genau das ist es was wir uns anmassen!
Der Aspekt, dass Mediziner "nebenbei" in unmögliche (Gewissens-) Konflikte gezwungen werden, ist dabei nicht zu unterschätzen, aber -mit Verlaub- wirklich nur sekundär!
Ich plädiere für die klar geregelte Abfolge von
1. - Anamnese
2. - medizinischen und psychologischen Maßnahmen
3. - Aufklärung und
4. - letztendlich die Anerkennung des individuellen Willens der Menschen
(respektive deren Vertreter) dem Leben ein Ende zu bereiten und dies auch faktisch zu ermöglichen, indem den Ärzten, die dazu bereit sind (!) eine straffreie Hilfe zu einem humanen Sterben freigestellt wird!
Kein Arzt darf dazu verpflichtet werden und dies ist sicherzustellen!
Aber jenen Ärzten, die unter eng begrenzten Bedingungen bereit sind, dies zu tun, sollten es (analog zu Kolleginnen und Kollegen, welche Aborte vornehmen) auch dürfen.
Und dasselbe muß für andere Menschen wie Angehörige etc. gelten.