Und die Alternative ?
Ein journalistisch im Sinne der Quote nett gemachter Beitrag, aber objektiv ?
Zunächst: es ist good clinical practice, die Indikationen zur Bluttransfusion engstens zu stellen, das wurde mir so beigebracht. Die Gründe dafür sind vielfältig: natürlich medizinisch, denn neben den Infektionsrisiken beobachtet man als Intensivmediziner natürlich schon lange auch andere Reaktionen des Empfängerpatienten. Abgesehen von der diagnostischen Lücke der in Konserven bereits gescreenten Erkrankungen ist sich natürlich jeder vernünftig denkende Mensch darüber im Klaren: was nicht gescreened wird, das kann auch durch die Konserven übertragen werden und natürlich wird es auch weitaus mehr bisher nicht beschriebene Reaktionen wie graft vs host und host vs graft geben. Daneben: Blutkonserven sind teuer, werden schon allein deshalb nur mit äußerster Vorsicht eingesetzt. Die Bemühungen um weniger Transfusionen sind ubiquitär, der Einsatz von Cell-Savern (CATS) mittlerweile Standard bei Operationen in deutschen Kliniken.
Der Beitrag weckt dagegen zumindest beim nicht informierten Laien den Eindruck, es sei alles klar: Es werde einfach mutwillig zur Blutkonserve gegriffen aus welchen kruden Gründen auch immer (Leichtsinnigkeit, merkantile (gar nicht vorhandene) Interessen, o.ä,). Ich melde gegen diesen Eindruck Bedenken an.
Wenn zeitweise der Eindruck erweckt wird, dass einige Kliniken einfach "17 x so viel" Konserven "beim gleichen Eingriff" einsetzen wie andere. Sind diese Daten gematched ? Handelt es sich wirklich "um den gleichen Eingriff" (i.e. alle Bedingungen der Patienten identisch bzgl. Alter, Blutverlust, Vorerkrankungen, etc.), denn nur dann wären diese Daten ja vergleichbar, ohne das aber nur unwissenschaftliche Polemik.
Wenn die Sterberate von Krebspatienten mit und ohne Einsatz von Blutkonserven verglichen wird: wie wurde der BIAS der Schwere der Grunderkrankung ausgeschlossen ? Sind es nicht gerade, die schwerer erkrankten Krebspatienten, die eher Blutkonserven erhalten und möglicherweise allein aufgrund der schwereren Grunderkrankung eine schlechtere Lebenserwartung und höhere Komplikationsrate haben ? Wie wurde diesem Faktor in den Untersuchungen Rechnung getragen ?
Wenn die Entscheidung zur Blutübertragung fällt: welche Alternative wird denn regelhaft dabei übersehen, die es zu wählen gäbe ? Sollen wir z. B. Polytraumapatienten demnächst lieber verbluten lassen, um keine Transfusionsfolgen zu riskieren ? Sind Plasmaexpander wirklich ein adäquater Ersatz, zumal auch diese in Verruf gekommen sind ?
Gibt es eine Doppelblindstudie, die die bisherigen Vermutungen der Transfusionskritiker wissenschaftlich bestätigt ? Gibt es überhaupt eine einzige gematchte Untersuchung zu einem besseren Behandlungsoutcome z. B. bei Patienten, die Zeugen Jehovas sind (diese lehnen ja bekanntermaßen regelhaft die Übertragung von Fremdblut aus religiösen Gründen ab) ?
Steckt hinter der Tranfusionskritik selbst womöglich nur ein perfider Plan zur Kostendämpfung über die selektive Auswahl tranfusionskritischer Studien ?
Mit solchen Daten geht man einseitig berichtend an die Öffentlichkeit, ohne wenigstens auch objektiv die möglichen Kritikpunkte an der Kritik der Transfusiongegner zu nennen ? Ich finde, das ist unseriöse journalistische Sensationshascherei.