@ Hilfeleistung im Flugzeug.
habe einen patienten von mir befragt. dieser ist pilot bei einer großen luftfahrtlinie mit einsatzbereich auf mittel- und langstrecken.
seine auskunft:
tatsache ist, dass seinem wissen und seiner kenntnis nach:
a) in der gesetzgebung aller industriestaaten die verpflichtung zur hilfeleistung verankert ist. dies gilt sowohl für jegliches fachpersonal wie auch für zivilpersonen. hierbei ist es egal ob zu lande, zu wasser oder in der luft.
b) der luftraum über dem jeweiligen land als landeshoheitlich zu sehen ist. ergo ist das land bzw. die dort ansässigen luftfahrtgesellschaften für die regelung von notfällen zuständig.
c) wird als fremdmaschine ein hoheitlicher luftraum überflogen und es kommt zu einem notfall, muss das jeweilige land dafür sorge tragen, dass eine schnellstmögliche rettung durchgeführt wird.
d) im rahmen von gegenseitigkeitsabkommen werden die dabei entstandenen kosten meist über versicherungen abgegolten. dies betrifft sowohl die länder, wie auch die luftfahrtgesellschaften bzw. diese wiederum für ihre passagiere. nachteil ist, dass luftfahrtversicherungen sehr hoch sind. von daher werden "bagatell-fälle", die keine außerplan- und -routengelegenen notlandungen beinhalten oft nur protokolliert, da ansonsten eine prämienerhöhung drohen könnte. dies also quasi wie im richtigen "bodenleben".
e) gibt es aber möglichkeiten, sich an entsprechende stellen zu wenden.
die deutsche kranichairline soll angeblich 5.000 bonusmeilen gut schreiben, wenn man sich vor flugbeginn als arzt meldet. bei notfällen in der luft sogar bis zu 35.000.
zudem soll es eine regelung geben im verbund der star-alliance, zu der diese luftfahrtgesellschaft gehört.
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mich vorhin angerufen, nachdem er sich wiederum bei einem juristen der airline kundig gemacht hat, und mir folgende ergänzende mitteilungen gemacht:
"grundsätzlich gilt immer das recht des staates, über dessen gebiet sich das flugzeug gerade befindet. über internationalen gewässern das recht des herkunftslandes.
luftfahrzeuge sind nach dem völkerrechtlich zu beachtenden gewohnheitsrecht, im unterschied zu handelsschiffen nicht teil des territoriums ihres heimatstaates. die frage des aktuellen aufenthaltsortes eines luftfahrzeugs ist deshalb für die beantwortung, welches recht zur anwendung kommt, von entscheidender Bedeutung.
in Art. 1 des abkommens vom 07.12.1944 über die internationale
zivilluftfahrt (icao-abkommen), dem mittlerweile 185 staaten angehören, erkennen diese vertragsstaaten ausdrücklich an, daß jeder staat über seinem hoheitsgebiet die volle und ausschließliche lufthoheit besitzt. der in diesem abkommen zum ausdruck kommende territorialitätsgrundsatz unterwirft somit jedes luftfahrzeug zu allererst dem jeweiligen recht des staates, in dessen hoheitlichem territorium es sich aufhält. daneben gilt
gewohnheitsrechtlich jedoch auch das recht des heimatstaates des luftfahrzeugs (sog. flaggenrechtsprinzip).
für die regelung des luftverkehrs ist insbesondere art.l 11 des icoa-abkommens beachtlich, wonach die gesetze und vorschriften eines vertragsstaats über den betrieb und den verkehr der luftfahrzeuge innerhalb seines hoheitsgebiets zu befolgen sind.
wo der materielle inhalt deutscher luftverkehrsvorschriften dem ausländischen recht nicht erkennbar entgegensteht, gilt aber auch im ausland in übereinstimmung mit dem flaggenrechtsprinzip deutsches recht an bord eines deutschen luftfahrzeugs (§ 1 a luftvg). für den bereich des strafrechts gilt ebenfalls grundsätzlich das nationale recht des jeweiligen staates, in dem sich das luftfahrzeug aufhält.
(http:dip.bundestag.de/btd/14/014/1401454.pdf und
http://aleph.mpg.de/F?func=find-c&local_base=vrh01&ccl_term=nta=VR%2022.2)
bei ungünstigen (betrachtungs-/bewertungs)umständen handelt es sich um eine rechtsgüterkollision, wo klar das wohl des patienten als höherwertiges rechtsgut vor denen eines staates oder einer luftfahrtlinie angesehen werden kann, und dies dann meistens auch so gesehen und gehandhabt wird.
von daher ist die luftfahrtgesellschaft quasi nur in der "präventiven garantenwahrscheinlichkeitsstellung" zu sehen und nicht als garant für notfallversorgung während des lufttransports.
die meisten luftfahrtgesellschaften habe in ihren agbs den passus enthalten, dass sich "notfallgefährdete reisende" vorab ihres flugbeginns bzw. ihrer buchungsbestätigung melden müssen. dies unter angabe ihrer leiden und ihrer medikation sowie ggf. einer flugmedizinischen tauglichkeitsbescheinigung. tun sie dies nicht, stellen sie die luftfahrtgesellschaft von allen haftungs- und regressansprüchen frei. im gegenteil können sogar die luftfahrgesellschaften ihre durch einen notfall und den damit evtl. zwangsläufig zusammenhängenden flugänderungen, dem passagier in rechnung stellen.
denn nach internationalem recht der iata sind die gesellschaften lediglich zum mitführen eines verbandkastens verpflichtet. zudem gibt es neben den iata-grundsätzen für die usa ein eigenes gesetz, den "aviation medical assistance act" (
http://www.flyingdoctor.org/wENGLISCH/notfall/recht.asp?navid=18).
zudem ein weiterer hinweis von dem juristen, dass man bei flügen mit kleineren airlines (vor allem in den usa), als med. fachpersonal, eine extra haftpflichtversicherung abschliessen sollte(
http://www.wdr.de/tv/service/gesundheit/inhalt/20050502/b_1.phtml).
weiterhin angemerkt ein ergänzender hinweis von
http://www.flyindoctor.org: "no person providing assistance is ultimately protected, as an insurance company cannot insure against criminal action. In this case, the person concerned can only argue exoneration on the basis of an exculpatory emergency."
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f) weiterhin folgende verlinkungen von ihm bekommen, wo man sich weiter kundig machen kann:
http://www.rippenspreizer.de/forum/showthread.php?s=&threadid=6705
http://www.focus.de/reisen/trends-service/fliegenundnotfaelle
http://www.wdr.de/tv/service/gesundheit/inhalt/20050502/b_1.phtml
http://www.lufthansa.com/online/portal/lh/de/info_and_services/partner?nodeid=1907333&l=de
http://www.faz.net/s/Rub7F74ED2FDF2B439794CC2D664921E7FF/Doc~E1CAE657A5FFA4389B73B3005CEF8B203~ATpl~Ecommon~Scontent.html
extrakt aus faz-bericht:
"Theoretisch ist ein gut ausgerüstetes Flugzeug der beste Ort, um einen Herzinfarkt zu bekommen", sagt Michael Weinlich, Notarzt von International-SOS, einer Notruf-Hotline für Fluggesellschaften. Was wie ein zynischer Witz klingt, hat einen wahren Hintergrund. Zwar ist man nirgendwo so weit weg von einem guten Krankenhaus, aber gleichzeitig sind die nötigen Hilfsmittel nirgends so schnell zur Hand wie im Flugzeug. Tatsächlich hat sich die medizinische Ausrüstung von Verkehrsflugzeugen in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. Mit der Ausstattung in einem modernen Notfallkoffer kann man Medikamente spritzen, Infusionen legen und sogar einen bewußtlosen Patienten über einen Tubus beatmen. ...
...
In einer amerikanischen Umfrage gab die Hälfte der befragten Ärzte an, sie würden sich in einem Flugzeug lieber nicht zu erkennen geben. "Nur in 33 Prozent aller Notfälle an Bord hat sich ein Arzt gemeldet", zitiert Steve Holstein von der amerikanischen Nofallhotline MedAire eine Statistik seines Hauses. Und auch britische Ärzte scheinen sich nicht immer angesprochen zu fühlen: Das britische General Medical Council sah sich erst kürzlich veranlaßt, seine Mitglieder ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß sie die ethische Pflicht hätten, sich im Notfall um Patienten zu kümmern - auch im Flugzeug. Schließlich spricht ein geflügeltes Wort unter Stewardessen für sich: "Der, der sich am tiefsten duckt, wenn ein Arzt ausgerufen wird, der ist der Arzt." ... / ... Warum aber sollte sich ein Mediziner im Notfall ducken? Warum sollte sich jemand verweigern, der einen Eid auf medizinische Hilfe geleistet hat? Die Antwort ist einfach: aus Angst. Aus Angst davor, einen lebensgefährlichen Fehler zu machen. Aus Angst davor, juristisch belangt zu werden. Und aus Angst vor allem vor amerikanischen Anwälten, die den unfreiwilligen Notarzt und die Fluggesellschaft auf horrendes Schmerzensgeld verklagen können.
... / ... Zunächst kann der unfreiwillige Notarzt sich damit trösten, daß die meisten medizinischen Zwischenfälle unproblematisch sind. In 22 Prozent aller Notfälle, so ergab die bisher größte Studie des amerikanischen Luftfahrtministeriums FAA, ist nur ein entgleister Blutdruck zu behandeln. In acht Prozent aller Fälle geht es um Magen-Darm-Erkrankungen - zumeist Durchfall und Erbrechen. Aber in jedem fünften Notfall hat der Patient eine Herzerkrankung, in jedem achten ein neurologisches Problem, etwa einen epileptischen Krampfanfall. Und dann kann es sehr schnell sehr ernst werden. Viele der zufällig anwesenden Ärzte sind da schlicht überfordert.
... / ... In diesen Stunden muß der unfreiwillige Notarzt vor allem eine Frage beantworten: landen oder weiterfliegen? Wird sich der Zustand des Patienten verschlechtern, oder ist er stabil? Muß er sofort intensivmedizinisch versorgt werden, oder ist es besser, wenn er in seinem Heimatland behandelt wird, wo die Ärzte seine Sprache sprechen? Ist die Erkrankung überhaupt lebensbedrohlich, oder hat der Patient einfach nur Angst, die ihm aufs Herz schlägt? Die Unterscheidung ist oft schwierig, hat aber erhebliche Konsequenzen. Eine außerplanmäßige Landung kann die Fluggesellschaft leicht 100000 Euro kosten. Eine zu späte Behandlung dagegen kostet den Patienten möglicherweise das Leben. ... / ... Während ein deutscher Mediziner verpflichtet ist, sich im Notfall zu melden, kann ein englischer oder amerikanischer Kollege zumindest juristisch mit gutem Gewissen sitzenbleiben. Wenn der Betroffene nicht zufällig sein Patient ist, ist er zur Hilfe nicht verpflichtet. Ein deutscher, französischer oder holländischer Arzt dagegen könnte wegen unterlassener Hilfeleistung angeklagt werden und damit auch seine ärztliche Zulassung verlieren. Entsprechend unterschiedlich ist die Moral der Ärzte: In Flugzeugen amerikanischer Gesellschaften ist die Chance, daß ein Arzt hilft, geringer als in europäischen.
Notfälle in der Luft sind ausgesprochen häufig, auch wenn die Fluggesellschaften nur ungern Auskunft darüber geben. Bei jährlich etwa zwei Milliarden Flugpassagieren wird geschätzt, daß zwischen 50000 und 150000 Notfälle an Bord passieren. Das sind zwischen 140 und 400 pro Tag. Die Zahl der an Bord Verstorbenen soll pro Jahr irgendwo zwischen sechs und 500 liegen. Edgar Bührle von Medifan, einem Ausbilder für Notfallmedizin, geht allerdings von ganz anderen Zahlen aus: "Wir glauben, daß sich zwischen 2500 und 5000 Todesfälle pro Jahr in Flugzeugen ereignen - leider existiert darüber keine zentrale Dokumentation."
ufff ... vielleicht ein kleiner hinweis noch.
a) alle luftfahrgesellschaften habe eigene abteilungen für qualitäts- und risikomanagement. vielleicht einmal dorthin wenden.
b) wäre auch kontakt zu den großen versicherungen wie lloyds, münchner rück oder zurich bzw. allianz
c) unterhalten die großen verkehrsteilnehmerorganisationen wie adac oder automobilclub deutschland eigenen rechtsabteilunge, die darüber auskünfte geben könnten.
d) adac-luftrettung und björn-steiger-stiftung / deutsche luftrettungsgesellschaft könnten ebenfalls auskünfte geben.
vielleicht lässt sich über diese mehr informationen darüber ermitteln.
good luck